Archiv

Restitution
Guggenheim gibt Kirchner-Gemälde zurück

Das Guggenheim-Museum restituiert ein Gemälde von Ernst Ludwig Kirchner an die Erben des jüdischen Kunsthändlers Alfred Flechtheim. Damit setzt das Museum ein wichtiges Signal - auch an zahlreich deutsche Museen. Die verweigern oder verzögern weiter die Rückgabe von Kunstwerken an die Flechtheim-Erben.

Von Stefan Koldehoff |
    Besucherinnen der Ausstellung "The Guggenheim Collection" in Bonn vor dem Gemälde "Der irrende Ritter" von Oskar Kokoschka. Rechts das Gemälde "Das Soldatenbad" von Ernst Ludwig Kirchner, 2006
    Besucherinnen der Ausstellung "The Guggenheim Collection" in Bonn, 2006: Rechts das Gemälde "Das Soldatenbad" von Ernst Ludwig Kirchner (imago/sepp spiegl)
    Das Bild, um das es geht, ist eine Ikone der Moderne. Ernst Ludwig Kirchner malte das 1,40 mal 1,50 Meter große "Soldatenbad" 1915 unter dem Eindruck seines eigenen Kriegseinsatzes: Er hatte sich zu Beginn des Ersten Weltkriegs freiwillig gemeldet, wurde aber schon nach wenigen Monaten wegen eines Nervenzusammenbruchs beurlaubt. Das Bild zeigt gut ein Dutzend nackte Männer, die in einem Duschraum stehen, in der Ecke ein uniformierter Unteroffizier. In der Mitte des Bildes glüht ein großer Heizofen.
    Die gleichförmig gelb gemalten kantigen Körper und genormten Gesichter gehören keinen Individuen mehr. Die Enge, die metallenen Rohre, die scharfen Wasserstrahle begrenzen einen Raum der absoluten Unfreiheit. Das "Soldatenbild" gilt nicht nur als Verarbeitung von Kirchners eigenem Leiden - es wird auch als unbewusste Vorausahnung der als Duschräume getarnten Gaskammern in den Vernichtungslagern der Nazis interpretiert.
    "Nicht nur Zeichen eigener Größe"
    Dass das Guggenheim-Museum nun die Restitution des "Soldatenbad" bekannt gegeben hat, ist nicht nur ein Zeichen eigener Größe. Die Rückgabe an die Erben des jüdischen Kunsthändlers Alfred Flechtheim ist auch ein Signal an zahlreiche deutsche Museen, die in anderen Flechtheim-Fällen eine Rückgabe bis heute hinauszögern oder mit nicht belegten Argumenten ganz verweigern.
    Das Guggenheim-Museum ist innerhalb weniger Wochen das zweite Museum, das sich für eine Restitution entschieden hat: Das Moderna Museet in Stockholm hatte vor wenigen Wochen ein Porträt von Oskar Kokoschka an Flechtheims Großneffen Michael Hulton restituiert. Direktor Daniel Birnbaum hatte erklärt, für sein Haus und für die schwedische Regierung sei es "von außerordentlicher Wichtigkeit, keine Kunstwerke mit einer fragwürdigen Provenienz in der Sammlung zu haben". Ganz ähnlich äußert sich nun Guggenheim-Direktor Richard Armstrong: "Nach einer umfangreichen Untersuchung der außergewöhnlichen Umstände rund um dieses Werk und in Übereinstimmung mit der Washingtoner Erklärung von 1998 sind wir sehr zufrieden, dass es an die Hultons zurückgegeben wird."
    Notiz stellte Provenienzgeschichte in Frage
    Bislang lautete die Provenienzgeschichte des "Soldatenbad" so: Flechtheim habe das Bild schon 1928/29 an das Städtische Kunstmuseum Düsseldorf verkauft, wo es 1937/38 als "entartet" beschlagnahmt und an den US-Unternehmer Morton D. May verkauft worden sei. So stellt es auch die an zahlreichen Punkten unzuverlässige Flechtheim-Website dar, die 15 deutsche Museen vor vier Jahre eingerichtet hatten, ohne die Familie des Kunsthändlers um Erlaubnis zu bitten. Bei Recherchen über das Bild war man nun auf eine Notiz gestoßen, die die bisherige Provenienzgeschichte infrage stellte.
    Tatsächlich tauschte Flechtheim das Bild 1930 gegen eine Kleinskulptur von Ewald Mataré zurück. Flechtheim-Anwalt Markus Stötzel konnte belegen, dass Flechtheims Nichte Rosi Hulisch, die sich 1942 vor ihrer drohenden Deportation in ein Konzentrationslager das Leben nahm, mehrfach vergeblich versucht hatte, das Kirchner-Gemälde zu verkaufen. Nach Flechtheims Tod gelangte das "Soldatenbad" 1938 auf ungeklärtem Weg an das NSDAP-Mitglied Kurt Feldhäusser.
    Marktwert wohl im achtstelligen Dollar-Bereich
    Feldhäusser gelang es während der NS-Zeit, eine außergewöhnliche Expressionistensammlung zusammen zu tragen; manche dieser Werke waren als "entartet" aus deutschen Museen beschlagnahmt worden, andere stammten aus ehemaligem jüdischen Privatbesitz. Als Feldhäusser 1945 starb, verkaufte dessen Mutter das Kirchner-Gemälde über die Weyhe Gallery in New York an Morton D. May, über den es 1956 zunächst ins Museum of Modern Art kam, bevor es 1988 im Zuge eines Bildertauschs seinen Weg ins Guggenheim Museum fand.
    Nach Abschluss der gemeinsamen Recherchen kamen das Museum und die Flechtheim-Erben nun überein, das "Soldatenbad" als NS-verfolgungsbedingt verloren anzusehen und im Sinne der "Washingtoner Prinzipien" zurückzugeben. Das Bild hat das Museum bereits verlassen, auf der Website wird es nicht mehr aufgeführt. Der Marktwert des Gemälde dürfte dessen kunst- und zeitgeschichtlichen Wert widerspiegeln und im achtstelligen Dollar-Bereich liegen.