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Retro-Soul mit rauchiger Stimme und schwermütigen Texten

Mit seiner Musik will Michael Kiwanuka Menschen bewegen. Doch im Gegensatz zu vielen anderen jungen Musikern hält er keine Vorträge darüber, dass er etwas Neues kreieren möchte. Der britische Soulsänger widmet sich auf seinem Debütalbum vor allem dem Klang der frühen 70er-Jahre.

Von Amy Zaxed |
    "Wenn man zuhause ist, dann fühlt man sich wohl. Man sagt, was man denkt, tut, wozu man Lust hat. Man ist man selbst. Aber dann geht man zur Schule, zur Arbeit oder an die Uni, und dann setzt man automatisch eine Maske auf. Man redet so wie andere es erwarten, ja hört sogar die gleiche Musik und zieht sich so an, wie andere es wollen. Irgendwann dachte ich mir: Jetzt ist Schluss damit! Ich will überall ich selbst sein, und darum geht es in dem Song 'Home again'."

    Der gerade einmal 24-jährige Michael Kiwanuka strahlt Ruhe und ein tiefes Selbstvertrauen aus. Schüchtern, aber nicht unsicher. Er will mit seiner Musik Menschen bewegen, sie anrühren. Doch im Gegensatz zu vielen anderen jungen Musikern hält er keine Vorträge darüber, dass er etwas Neues noch nie Dagewesenes kreieren möchte, sondern er weiß genau, dass seine Musik – ganz wertfrei gesprochen - alt klingt. Schon mal da gewesen ist. Seine rauchige Stimme, die verhaltene Gitarre und die schwermütigen Texte erinnern sehr an eine Mischung aus Bill Withers und Otis Reading.

    "Natürlich bin ich stolz, dass meine Stimme so klingt und mit diesen Leuten verglichen wird. Ich glaube, die Leute sehen sich heutzutage nach Musik mit Gefühl. Musik, die aus dem Herzen kommt. Das ist in den letzten Jahren verloren gegangen. Und die Leute wollen sie wieder zurück. Bisher haben viele Frauen versucht, diesen Style wiederzubeleben. Adele zum Beispiel. Männer gibt’s leider noch wenige. Ich glaube der Trend in Großbritannien geht dorthin, ehrliche Musik zu machen. Und wenn ich dazugehöre, finde ich's gut."

    Gute zwei Jahre hat Kiwanuka an seinem Debütalbum herumgetüftelt. Und kann es kaum glauben, dass es nun endlich erschienen ist und so gut ankommt.

    "Ich hab anfangs einfach nur geschrieben. Ich wusste wirklich nicht, wie das Album eigentlich klingen sollte. Irgendwann hab ich dann einfach die Songs aufs Album gepackt, die mir am besten gefallen haben. Wenn man sein allererstes Album rausbringt, denkt man nicht direkt an einen Erfolg."

    Die Texte sind oft schwermütig. Es geht um unerwiderte Liebe, Selbstzweifel, Überlebensangst. Dabei hat Kiwanuka vieles davon noch nie erlebt, sagt er.

    "Normalerweise versuche ich schon über Dinge zu schreiben, die ich entweder selbst erlebt hab e, oder über die ich nachdenke. Es muss aber immer Hoffnung in den Songs sein. Ich mag keine Depressionen. Natürlich bin ich noch sehr jung und hab nicht so viel erlebt, aber ich schreibe über die Dinge, die ich mir vorstelle, auch wenn ich sie noch nicht erlebt habe. Vielleicht stelle ich im Nachhinein fest, dass alles ganz anders ist, aber bis dahin genügt mir die Vorstellung."

    Kiwanuka wurde in London geboren. Seine Eltern stammen aus Uganda. Sie kamen Anfang der 80er als Flüchtlinge nach England. Kiwanuka selbst weiß nicht viel über Uganda. Trotzdem findet er, dass dieses Land ein Teil von ihm ist, der ihn als Briten ausmacht. Denn für ihn ist der Mix der Kulturen ausschlaggebend für die britische Kultur.

    "Ich weiß nicht viel über das Land. Aber ein Großteil meiner Familie lebt dort, und somit bin auch ich ein Teil dieser Kultur. Ich fühle mich allerdings als Brite, als Engländer. Es wäre mir eine Ehre, wenn eines Tages meine Musik als Teil der britischen Kultur gesehen wird. Aber dazu ist es noch viel zu früh."

    Was man aber schon jetzt über Kiwanukas Musik sagen kann: Selten hat jemand die Retro-Soul-Idee so konsequent umgesetzt. Nicht nur die Songs wirken teilweise wie direkt aus den frühen 70ern, auch ihr Klang. Was sicher auch daran liegt, dass das ganze Album mit analogen Geräten eingespielt wurde.