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Retrolastig, aber auf der Höhe der Zeit

Die Band Black Keys sind in ihrer Heimat ein Phänomen. Zwei Männer spielen seit zehn Jahren Bluesrock mit Soul-Einschlag und produzieren sieben Alben in einem Jahrzehnt. In den USA stürmen sie die Hitparden, in Deutschland sind sie mit dem Album "El Camino" noch ein Geheimtipp.

Von Andreas Zimmer | 10.12.2011
    Dieses CD-Cover ist eigentlich ein Autoquartett. Texte sucht man hier vergeblich, doch wenn man das Booklet aufklappt, sieht man ein Auto hässlich wie eine Schrankwand. Einen Kasten auf Rädern. Und noch einen, und noch einen und... so weiter. Ist das El Camino? Die beiden Autonarren der Black Keys geraten ins Schwärmen:

    "Da gibt’s ein US-Auto, so eine Mischung aus Pick-up-Truck und Luxuslimousine. Wenn man 'El Camino' sagt, denkt jeder Amerikaner sofort an dieses Auto."

    "Wir mögen den Namen, weil er so leicht von der Zunge geht. Und weil die Karre einfach lächerlich ist. Und dann gibt’s noch andere Seite: Die Mühle auf dem Cover. Das ist unser alter Tourvan."

    Genau der Schrott-Van, mit dem Dan Auerbach und Patrick Carney Hunderttausende von Meilen gefressen haben, auf ihrer unendlichen Tour durch Amerika. Kein Showcar wie ein El Camino, sondern ein Lastesel. Schnörkellos, ehrlich, direkt. Das sind Eigenschaften, mit denen die Black Keys sich auch gerne selbst beschreiben. Sie wollen sich nicht vom Zeitgeist gefangen nehmen lassen, nach dem Coolness-Faktor schielen.

    Dabei gelten sie natürlich längst als cool. Vor allem bei ihrer Plattenfirma. Das Album "Brothers" – der Vorgänger von "El Camino" – kam vor allem in Nord-Amerika und England sehr gut an, kassierte Gold- und Platin-Auszeichnungen und sogar drei Grammies. Das stärkt das Musikerselbstbewusstsein und schreit schon fast nach Sätzen wie: Auch wenn wir einen Majordeal haben, lassen wir uns von niemandem korrumpieren. Oder in den Worten von Schlagzeuger Patrick Carney.

    "Der Großteil der Hitparadenmusik ist wirklich mies. Unser Album war zwar nur auf drei. Aber allein, dass es soweit oben war, war einer der Gründe, dass sich die Leute gewundert haben. Die finden es schockierend, wenn eine Band, die niemandem in den Hintern kriecht, Erfolg hat. Wenn gute Bands richtig Platten verkaufen, können das manche Leute eben nur schwer akzeptieren."

    Die Black Keys sind in ihrer Heimat ein Phänomen. Zwei nicht mehr ganz so junge Männer spielen seit zehn Jahren Bluesrock mit zunehmendem Soul-Einschlag und legen dabei auch noch ein Produktionstempo an den Tag, dass man so eigentlich eher aus den Zeiten ihrer Jugendhelden kennt. Sieben Alben in einem Jahrzehnt.

    "Viele der Bands, mit denen wir aufgewachsen sind oder die wir mögen, haben ihre Alben wirklich schnell veröffentlicht: Beatles, Led Zeppelin, Captain Beefhart, T.Rex, The Clash, Nirvana. - Hast irgendwer irgendwann mal 'Chinese democracy' von Guns'n'Roses angehört? - Ich jedenfalls nicht! Und das hat sieben Jahre gedauert."

    Und hier dauert es eben nur anderthalb. Trotzdem klingt "El Camino" nicht wie die Wiederholung eines festen Prinzips. Das lag auch daran, dass die Black Keys im Studio Neuland betraten, wie Sänger und Gitarrist Dan Auerbach erzählt.

    "Bei diesem Album haben wir vorher nicht darüber gesprochen, was wir machen wollten. Wir sind einfach am ersten Tag morgens ins Studio und haben gejammt. Wenn uns was gefallen hat, haben wir versucht, einen Song draus zu machen - und eine wilde Aufnahme. Erst dann haben wir die anderen Instrumente und Vocals aufgenommen."

    Und damit "El Camino" wirklich so ehrlich und unpoliert wie ein alter Lieferwagen wirken möge, baten Auerbach und Carney den Produzenten Brian Burton um Hilfe, mit dem sie schon einmal gearbeitet hatten. Besser bekannt ist der als Danger Mouse. Eine feste Größe im Elektro- und Dancebereich. Berührungsängste? Gab es keine, im Gegenteil.

    "Die Leute halten Danger Mouse manchmal für einen Pop-Produzenten. Aber er ist alles andere als das. Er steht einfach auf interessante Musik. Und alle seine Songs, die es ins Radio geschafft haben, sind mit das Verrückteste, was da läuft. Er hat einfach einen exzentrischen Musikgeschmack."

    Tatsächlich gelingt Danger Mouse mit den Black Keys auf dem neuen Album die Quadratur des Kreises: Obwohl im Gesamteindruck eher retrolastig, ist "El Camino" auf der Höhe der Zeit. Trotz unscharfer Basslines und wabernder Keyboardflächen bleibt der Klang der Black Keys auf diesem Album – eigentlich ein Widerspruch in sich – knackig. Hart. Direkt. Dreckig. Rock'n'Roll pur! Ein wuchtiger Schlusspunkt des zu Ende gehenden Jahres. Ach was "Punkt" - "Ausrufezeichen"! Unsere Empfehlung: Man spiele "El Camino" unbedingt laut! Sehr laut!