Dieter Jung: "Eine Zeitkapsel! Sie sehen: Otto Piene, malend. Er verwandelt sich. Sie sehen ihn in der Ausstellung im Guggenheim Museum. Dann kommt seine Frau Elisabeth. Die wiederum blickt zu ihrer Tochter Jessica. Dann geht es weiter und er steht sich selbst gegenüber."
Dieter Jung vor seinem Hologramm über "Otto Piene", den von ihm verehrten, anderen großen Pionier der Lichtkunst. Eine ganze Szene ist zu sehen, nicht mehr Foto, noch nicht Animationsfilm: die Holografie hat ihren ganz eigenen Erzählmodus. Sie ist das Wunder unter den Medien, denn eingeschrieben in die unzähligen, winzigen Prismen einer durchsichtigen und aus den meisten Blickwinkeln nichts als ihr materielles Selbst zeigenden Scheibe ist sie: Scheibenwelt, die wie aus dem Nichts entsteht und nur aus Licht besteht.
"Gemalt mit Photonen"
Slogan und Lebensthema des 1941 geborenen Künstlers, ebenso wie:
"Genauso wenig, wie Sie Ihr Spiegelbild - Können Sie nicht anfassen! Zum Greifen nah, aber Sie können's nicht anfassen; darum geht es."
Bei der Holografie. Das Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe besitzt eine der größten Sammlungen holografischer Kunst weltweit. Darunter etliche Werke von Dieter Jung, die für "Between and Beyond", seine größte Ausstellung seit einem Jahrzehnt, das Haus praktischerweise gar nicht verlassen mussten. "Retrospektive", dieses Wort mag Dieter Jung nicht, da fühle man sich abgehängt, sagt er freundlich kichernd. "Jung", der Name ist bei ihm Programm.
"Ich spiele sehr gerne und entwickle Sachen beim Tun und dann manchmal muss man aber natürlich auch die Strukturen formulieren und dann umsetzen. Aber der Weg dahin ist immer ein Spielerischer."
Hologramme müssen technisch präzise gebaut sein, sonst scheitern sie, aber inhaltlich sei er immer Freigeist gewesen, auch Einzelkämpfer, Off-Künstler. "Transoptische Mobiles" aus den 1970ern sind zu sehen. Spielzeug- Konglomerate aus Spiegeln und geometrischen Formen, die wenn man darin und darunter herumläuft, die vertraute Wahrnehmung der Wirklichkeit durcheinander wirbeln. Plötzlich sind da ein Dutzend Dimensionen und nicht nur Höhe-Länge-Breite. Die ersten Mobiles baute er für seine Tochter, als sie noch ein Baby war: eine Portion Wissen über Optik, von Newton über Goethe bis heute, als mentale Babynahrung? Wieder schmunzelt Dieter Jung lausbubenhaft.
Popkulturelle Adaptionen der Holografie
"Ihr wollt Eure Freunde beeindrucken mit einem selbstgebauten 3D-Projektor? Kein Problem."
Die Holografie, wurde derweil überrollt von digitaler Optik. Allenfalls als Gimmick taugt sie noch? So kursieren derzeit Tutorial-Videos, wie man mit Hilfe von handgeklebten Prismen Holografien aus seinem Smartphone zaubern kann. Dateien einer App tanzen dann auf dem Gerät. Es gibt und gab aber auch weitaus spektakulärere popkulturelle Adaptionen der Holografie. Wenn etwa Michael Jackson oder der Rapper Tupac Shakur aus dem Reich der Toten herbeizitiert wurden, mitten hinein in ein Konzert. Oder ganz aktuell auch beim auf der digitalen Freiluftbühne von "Fortnite", als beim ersten Konzert, das mehr als elf Millionen Spieler live verfolgten, auch die Hologramme der Spielfiguren eine Rolle spielten.
"Nein, frei im Raum schwebende Bilder gab es schon immer. Es ist nichts Neues. Es gibt den Dr. Pepper-Effekt." Benannt nach dem britischen Illusionisten John Henry Pepper, der Mitte des 19. Jahrhunderts Aufsehen erregte. "Das ist heute so eine reanimierte Version, wo sie jetzt den Herrn in Tokio als lebendiges, virtuelles Bild erscheinen lassen können."
Ein alter Hut für Dieter Jung, der für solche Tricks nicht einmal einen Computer braucht. Überaschend, wenn man den Parcours seiner Ausstellung durchschreitet: Das meiste hier ist handgebaut, obwohl es so schillernd, perfekt und digital in der Optik daher kommt. Die Kerze, dann das Gaslicht und schließlich der Laser und LEDs, das ist die Evolution in der Technikgeschichte und des Lichts in der Kunst, die für Dieter Jung eine Rolle spielt. So ist man in seiner Ausstellung seltsam der Zeit entrückt. Die Holografie ist ein Medium, das gleichzeitig altmodisch und neumodisch ist. Ob wir wohl bald keine Screens mehr brauchen, weil holografische Bilder sie ersetzen? - Schon möglich, meint Dieter Jung, weil sie gute Geschäfte verspricht, die Holografie für alle. Jetzt mischt sich auch ein Stirnrunzeln in sein freundliches Lächeln:
"Die Zukunftsfähigkeit ist eher angesiedelt im holografischen Denken der Menschen und Wegkommen von dem perspektivischen Denken. Das heißt, ein multidimensionales Weltbild und Gesellschaftsbild zu schaffen."