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Retrospektive von Aldo Tambellini
Black Power is beautiful

Der inzwischen 86-jährige italo-amerikanische Künstler Aldo Tambellini war nicht nur Mitstreiter des Videokünstlers Nam June Paik, sondern auch Maler, Bildhauer, Zeichner, Dichter und vor allem ein sozial engagierter, politischer Mensch. Er vergaß nur eines: Karriere zu machen. Das Karlsruher ZKM zeigt nun eine Retrospektive seines Werk.

Von Christian Gampert |
    Das Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe
    Das Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe (imago / Enters)
    Yves Klein nutzte in den 1950iger-Jahren für seine Bilder nur Ultramarinblau; Aldo Tambellini dagegen malte ab den 1960iger-Jahren nur noch in Schwarz. Der amerikanische Künstler hatte in New York in einer Black Neighbourhood gewohnt und die Diskriminierung der Schwarzen miterlebt. Die Entscheidung, Schwarz zur wesentlichen Farbe seines Werks zu machen, ist also eine politische – aber, wie sich im Lauf der Ausstellung zeigt, natürlich auch eine ästhetische. Denn in der Reduktion auf den dunklen Grund liegt auch eine ungeheure Kraft.
    Die wesentlichen malerischen Werke Tambellinis, die gleich am Anfang gezeigt werden, sind kreisrunde, scheibenartige Formen, ähnlich wie die Farbfeld-Zielscheiben des Jasper Johns, aber eben in Schwarz. Allerdings sind Tambellinis schwarze Kreise eher Strudel, wilde Gesten, die aus dem Abstrakten Expressionismus stammen. Und schon da, in den 1960iger-Jahren, geht Tambellini hinaus in den Raum: Vor einer der schwarzen Scheiben hängt eine silbrige Kugel, ein Projektor beleuchtet in vorgegebenem Rhythmus das Bild, das uns nun abwechselnd schwarz und weiß erscheint – und den Rassenkonflikt als abstrakte Kunst darstellt.
    Performances gegen Vietnamkrieg und Rassenkonflikt
    Das Bild kann aber auch als Ganzes in den Raum hinein erweitert werden. Tambellini schaffte das, indem er Glas-Dias mit schwarzer Farbe besprühte und verwirbelten Formen in die Emulsion kratzte; vom Dach eines New Yorker Mietshauses projizierte er diese Bilder auf ein Gebäude der anderen Straßenseite – Hunderte dieser "Lumagramme" sind nun in Karlsruhe zu sehen. Der nächste Schritt ist folgerichtig das bewegte Bild: Filmmaterial wird ganz direkt bearbeitet und mit abstrakten Formen versehen, wild flackert die Symphonie der Schatten und Lichtzeichen. Andererseits hat Tambellini lautmalerische Lyrik geschrieben und Performances veranstaltet, die gegen Vietnamkrieg und Rassenkonflikt agitierten. Nur eines hat der Künstler vergessen: Karriere zu machen, sich selbst zu vermarkten.
    Aldo Tambellini ist mittlerweile fast 87 Jahre alt und kann nicht mehr reisen – aber seine Lebensgefährtin Anna Salomone kam zur Eröffnung ins ZKM.
    "Er bestand ganz aus Experimentierlust und Unangepasstheit. Wenn eine Tür zu war, versuchte er sie aufzumachen… Aber Aldo leidet heute daran, dass er nicht anerkannt ist. Er braucht Anerkennung."
    Ein subversiver Melting Pot
    Die Ausstellung verwirrt den Zuschauer - gezielt - durch eine Überfülle an Material und die labyrinthische Anordnung - große Räume und viele kleine Kabinette. Man braucht Geduld. Aber wer will, der kann mit Gewinn eintauchen diesen schwarzen New Yorker Underground der 1960iger- und 70iger-Jahre zwischen Pop-Art und Black Power, in dem Tambellini eine Integrationsfigur war.
    Aldo Tambellini gründete mit dem deutschen "Zero"-Kollegen Otto Piene das "Black Gate Theatre", einen experimentellen Raum in New York – selbst Piene malte dann ein Bild namens "Schwarze Sonne". Dichterinnen und Bildhauer, Maler und Theaterleute bildeten unter Tambellinis Anleitung einen subversiven Melting Pot, über allem schwebten Yoko Ono, Nam June Paik und der Drogenpapst Timothy Leary.
    Man hält sich im Karlsruher ZKM aber ganz asketisch an Tambellinis oft abstrakte Filmexperimente und weitet den Blick erst im letzten großen Raum auf das soziale Engagement dieses Künstlers, der über lange Zeit schwarze Kinder unterrichtete und das auch filmisch dokumentierte – hier zu sehen in einer großartigen Installation mit sechs Leinwänden. Die Ausstellung will an die aktuelle Situation in den USA nach der Wahl Trumps anschließen: Wieder sind die Rechte von Minderheiten bedroht, wieder machen Künstler mobil gegen den Staat. Die Ausdrucksmittel von Aldo Tambellini in den 1960iger-Jahren waren allerdings viel avancierter als der Empörungs-Pop der heutigen Demo-Kultur.