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Retter aus dem Volk

Richard Wagners Revolutionsoper "Rienzi" am Teatro dell’Opera war eine echte Premiere für die Römer. 45 Jahren nach der bisher ersten und einzigen Inszenierung in italienischer Sprache gab es in Rom nun die deutschsprachige Erstaufführung des Werks in Italien.

Von Michael Horst |
    Eigentlich ist es schon erstaunlich, dass Wagners "Rienzi" nicht häufiger in Rom aufgeführt wird. Denn in keiner anderen Oper – Puccinis "Tosca" inklusive – geht es so direkt um die Stadt Rom und eine Person ihrer Geschichte, nirgendwo sonst werden die Römer so oft und direkt angesprochen, wenn etwa Rienzi, der letzte der Tribunen, sein Wort an das Volk richtet:

    "Seid mir gegrüßt, ihr Römer all,
    Ha, welch ein Anblick beut sich mir dar!
    Der Friede hoch! Lang lebe Rom!"

    Insofern war es eigentlich ein naheliegender Schritt, das Wagner-Jahr zu nutzen und "Rienzi" in Rom auf die Bühne zu bringen. Andererseits bedeutete die Premiere am Teatro dell’Opera tatsächlich die deutschsprachige Erstaufführung des Werkes in Italien! Vor fast 45 Jahren erlebte Rom die erste und bisher einzige Produktion an der römischen Oper, einige Jahre zuvor hatte sich auch Mailand an die Herausforderungen dieses monumentalen Werkes gewagt – aber immer in einer italienischen Fassung, deren Verse noch von dem großen Verdi-Librettisten Arrigo Boito stammten.

    Nun also "Rienzi" am Schauplatz der Handlung selbst: die Geschichte eines charismatischen Emporkömmlings, der die Kämpfe zwischen verfeindeten Adelsfamilien nutzt, um das neue Rom auszurufen und damit den Glanz des antiken Roms neu erstrahlen zu lassen.

    Zuerst versteht er es geschickt das Volk auf seine Seite zu ziehen, dann überzieht er in seiner Machtgier mehr und mehr den Bogen, bis die Zahl der Opfer immer höher steigt. Von der Kirche wird er mit dem Bann belegt – das ist der Wendepunkt, das Volk beschimpft ihn als Verräter, zum Schluss kommt Rienzi in den Flammen des Kapitols um.

    Man hätte also durchaus Parallelen zwischen dem Aufstieg und Fall Rienzis und demjenigen des Duce Benito Mussolini ziehen können, der am Ende seines Lebens auch von Partisanen erschossen, kopfüber aufgehängt und öffentlich zur Schau gestellt wurde. Man hätte überhaupt die politische Rezeption des "Rienzi", der von Hitler zu seiner Lieblingsoper erkoren wurde, zum Thema machen können - wie es zumeist in den deutschen Inszenierungen der letzten Jahre geschehen ist.

    Aber vielleicht wollte der Regisseur Hugo de Ana den Römern bei einer so römischen Geschichte einfach nicht zu nahe treten. Stattdessen ging er direkt auf die literarische Vorlage des Engländer Edward Bulwer-Lytton zurück, die in den 1830er Jahren in ganz Europa für Furore gesorgt hatte. Rienzi als antiker Held, gesehen durch die romantische Brille, attraktiv auch noch für Diktatoren wie Hitler und Mussolini - so weit die sehr historistisch gefärbte These Hugo de Anas, der überhaupt gerne historische Spektakel in großem Rahmen inszeniert.

    Es geht ihm also um Wirkung, und suggestiv sind in der Tat seine Bühnenbilder, zumeist eine einzelne große Requisite wie etwa die Trajanssäule, als Blickfang auf die Bühne gestellt und perfekt ausgeleuchtet. Dazu ein transparenter Zwischenvorhang, auf den jene lateinische Inschrift aus der Zeit Vespasians projiziert wird, mit der Rienzi einst seine Herrschaft legitimiert hatte.

    Das Sendungsbewusstsein Rienzis, das immer mehr in Selbstüberschätzung umschlägt, stellt Hugo de Ana besonders heraus. Das kommt dem Protagonisten, dem österreichischen Tenor Andreas Schager sehr zugute. Er stürzt sich mit vollem Elan in die vielen flammenden Ansprachen und hält bis zum bitteren Ende bewundernswert durch, ohne nach Heldentenor-Art stemmen und drücken zu müssen. Das durchgehend deutschsprachige Ensemble wird durch zwei weitere Rienzi-erfahrene Sängerinnen gestützt: Angela Denoke in der Hosenrolle des Adriano Colonna und Manuela Uhl als Rienzis unglückliche Schwester Irene.

    Der Chor der römischen Oper schlug sich mit der sprachlichen und musikalischen Herausforderung der riesigen Partie achtbar. Das Orchester hatte in Stefan Soltesz, dem Essener Generalmusikdirektor, einen erfahrenen Dirigenten, der weiß, wie man Wagner unter Spannung halten muss, ohne die Temperaturen zu hoch zu kochen.


    Das römische Premierenpublikum zeigte sich am Ende von dem ungewohnten Blick auf die eigene Historie aus der Sicht eines Teutonen sehr angetan und applaudierte heftig.