"Wir können, dürfen und werden unsere Automobilindustrie nicht einfach verschwinden lassen. Diese Industrie ist anders als alle anderen Branchen. Sie ist ein Aushängeschild des amerikanischen Geistes. Sie ist ein Grundpfeiler unserer Wirtschaft und hat die Träume von Millionen von Amerikanern am Leben erhalten."
Noch Ende März hatte US-Präsident Obama den Managern der beiden angeschlagenen Automobilkonzerne Chrysler und General Motors eine weitere Gnadenfrist für weitere Sanierungspläne eingeräumt. Für Chrysler ist diese Frist heute abgelaufen - und jetzt steht fest: Chrysler wird Insolvenz anmelden.
Ob diese Entscheidung auch Auswirkungen für General Motors haben wird, ist nicht klar. Noch hat der Konzern etwa einen weiteren Monat, sein Sanierungskonzept zu präsentieren. Dennoch schaut man auch in Deutschland interessiert auf die heutige Entwicklung. Denn an General Motors hängt die deutsche Traditionsmarke Opel, die sich so schnell wie möglich von ihrem Mutterkonzern abspalten will.
Seit Wochen sucht die Opel-Führung fieberhaft nach einem möglichen Investor. Denn nur mit einem neuen Geldgeber, da sind sich alle Experten weitgehend einig, hat der angeschlagene Autobauer überhaupt eine Chance, als halbwegs eigenständiger Konzern, der nur noch über eine Minderheitsbeteiligung mit der bisherigen Konzernmutter General Motors verbunden bleibt, zu überleben. Will Diez, Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft an der Hochschule Nürtingen Geislingen:
"Man muss eben sehen: Opel ist gemessen an seinen Stückzahlen allein nicht überlebensfähig. Man muss sehen - Opel hat über viele Jahre eben kein Geld verdient, und das eben nicht nur wegen den bösen Amerikanern, sondern weil man auch in Europa keinen besonders guten Job gemacht hat. Schwierigkeiten im Markt, hatte Qualitätsprobleme, das Image ist abgesunken. Natürlich ist Opel jetzt in einer Aufschwungsphase. Das ist sehr erfreulich. Aber man sollte das auch nicht überreizen. Denn schon das Jahr 2010 wird auch für Opel sehr viel schwieriger werden. Dann gibt es keine Abwrackprämie mehr und auch der Neuheiteneffekt beim Insignia wird dann weg sein."
Aber Opel ist auch aus einem anderen Grund dringend auf einen neuen Investor angewiesen. Die Bundesregierung hat eine mögliche staatliche Bürgschaft für den angeschlagenen Autobauer aus Rüsselheim an den Einstieg eines unabhängigen Geldgebers geknüpft. Insofern steht Opel auch von dieser Seite her unter enormen Druck - ohne Investor keine staatlichen Hilfen, ohne staatliche Hilfe droht die Insolvenz, so lautet die einfache Formel.
Immerhin gibt es inzwischen Hoffnung. Hatten viele Experten lange Zeit bezweifelt, dass sich für Opel angesichts der vielen Unwägbarkeiten und des schwierigen Marktumfeldes überhaupt ein Investor interessieren könnte, gibt es nun offenbar zwei ernsthafte Interessenten. Den österreichisch-kanadischen Zulieferer Magna und den italienischen Autobauer Fiat. Beide hätten bereits erste Überlegungen präsentiert, wie ein Einstieg aussehen könnte, freute sich jüngst Wirtschaftsminister Karl Theodor zu Guttenberg. Auch wenn man von einer Einigung natürlich noch meilenweit entfernt sei:
"Magna hat mir ein erstes interessantes Grobkonzept für ein Engagement bei Opel vorgelegt. Ich betone, dass es sich hier um ein grobes Konzept handelt, dass jetzt mit Fakten und mit Zahlen untermauert werden muss. Gleiches gilt im Übrigen auch für Fiat."
Ausgerechnet jener Fiat-Konzern, der im ersten Quartal 2009 Verluste von 410 Millionen Euro eingefahren hat und mit 14 Milliarden Euro verschuldet ist. Der seinen Werken in Italien wochenlang Kurzarbeit verordnete, um Kosten zu sparen, will sich an Opel beteiligen, um den deutschen Autobauer zu retten. Über Opel, sagen Kritiker, käme der Konzern nun zumindest an frisches Staatsgeld - in Deutschland.
Manager Sergio Marchionne selbst würde das freilich nie so sagen. Den Konzernchef mit dem Ruf eines eiskalten Rechners treibt vor allem eine Frage um: Wie viele Autos muss er bauen, um am hart umkämpften Automarkt bestehen zu können? Wer die Krise überleben wolle, sagte er jüngst, müsse fünf bis sechs Millionen Fahrzeuge im Jahr verkaufen. Fiat setzt weit weniger als die Hälfte ab, wäre nach Marchionnes Rechnung also dem Untergang geweiht. Eine Groß-Allianz könnte dem ambitionierten Manager zu einem Absatz von über fünf Millionen Autos verhelfen - und Fiat damit weltweit in die erste Reihe der Autohersteller katapultieren: Die europäischen Geschäfte der Opel-Mutter General Motors sollen dazugehören. Und auch mit Chrysler hatte Fiat kurz vor dessen Insolvenz verhandelt.
Sechs Hersteller würden langfristig am Markt überleben können, rechnet Marchionne vor. Fiat ist - natürlich - unter den Überlebenden. Mit allen Mitteln stemmt sich der Italo-Kanadier gegen den drohenden Niedergang. Beim Genfer Autosalon im März sah er seinen Konzern sogar trotz Krise wieder im Aufwind.
"Wir machen uns Sorgen so wie alle, die Nervosität ist international zu spüren. Wir müssen abwarten, bis diese Krise gelöst ist. Noch sind wir nicht am Ende der Unsicherheiten angekommen. Aber die Verkaufszahlen steigen wieder, in einigen Werken konnten wir die Produktion früher als erwartet wieder anlaufen lassen, die Abwrackprämie der Regierung unter Silvio Berlusconi hilft uns sehr."
Tatsächlich ging es Fiat schon mal weitaus schlechter. Es gab Zeiten, da war das Autobauen in Turin fast schon eine Nebensache. Erst in den letzten Jahren konnte das Unternehmen mit Kleinwagen wie dem neuen Cinquecento wieder punkten. Selbst seine ärgsten Kritiker müssen Marchionne heute daher zugute halten, dass er den Konzern aus seiner schlimmsten Krise herausgesteuert hat.
Für eine Beteiligung an Opel muss allen klar sein: Der Italiener wird keine Milliardenmitgift über die Alpen bringen, nur um Opel zu heiraten. Im Angebot hat er einen Wechsel auf die Zukunft - und eine klare Vision: Aus mehreren mehr oder weniger Kranken soll ein Gesunder wird. Ob das funktioniert, ist fraglich. Die Meinungen gehen auseinander.
Der Autoanalyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler hält Fiat für "ein solides Unternehmen mit einem guten Vorstand". Opel sei allein nicht lebensfähig. Turin und Rüsselsheim - gemeinsam könnten sie Motoren entwickeln und ihre Forschungs- und Entwicklungskosten teilen und einen gemeinsamen Vertrieb nutzen. Das würde beide stärken. Einerseits. Anderseits brauchen die Kritiker wenig Fantasie, um die mögliche negative Folgen einer solchen Zusammenarbeit auszuloten. Wo sich zwei Konzerne zusammentun, die das gleiche Marktsegment bedienen, die um die gleichen Kunden werben und sich im Grunde Konkurrenz machen, fallen Entwicklungszentren und Komponentenfabriken weg, werden irgendwann vielleicht sogar Werke geschlossen, könnten in großem Stil Stellen gestrichen werden. Zuletzt hieß es, Fiat garantiere den Erhalt der deutschen Opel-Fabriken, nicht aber deren "Kapazitäten". Das könnte durchaus bedeuten, dass weniger Autos in Deutschland, dafür aber mehr woanders, zum Beispiel in Italien, produziert werden.
Bei General Motors hat man übrigens schon Erfahrung mit Fiat. Beide hatten im Jahr 2000 eine Kooperation zur gemeinsamen Entwicklung von Motoren und Getrieben in Europa unter Dach und Fach gebracht. Damals hatte GM zehn Prozent von Fiat übernommen - dazu kam eine Option, die die Amerikaner verpflichtete, das Autogeschäft von Fiat später zu übernehmen. Rasch war klar, dass die Zusammenarbeit der beiden nicht vom Erfolg gekrönt war. Am Ende zahlte GM 1,55 Milliarden Euro. Einzig und allein, um Fiat nicht übernehmen zu müssen.
Diese schlechte Erfahrung ist bei der Belegschaft in Rüsselsheim noch immer präsent. Und so war es auch kein Zufall, dass der Name Fiat als möglicher Investor schnell publik wurde - und mit einer klaren Absage aus Belegschaftskreisen bedacht wurde. Opel-Betriebsratschef Klaus Franz:
"Die Modellpalette ist viel zu identisch. Die Überkapazitäten sind viel zu groß. Wenn eine kurzfristige Lösung gefunden wird, wird Fiat versuchen, Fabriken in Deutschland zu schließen und Arbeitsplätze in Deutschland zu zerstören. Das kann nicht zugelassen werden, schon gar nicht mit deutschen Steuergeldern."
Eine klare Kampfansage also, die das Management von Fiat nicht unbeeindruckt lassen dürfte, zumal auch von deutschen Spitzenpolitikern durchaus Vorbehalte formuliert worden sind. Aber es gibt auch andere Stimmen: Der hessische Ministerpräsident Roland Koch:
"Fiat ist selbstverständlich ein potenzielles Angebot, das nicht alleine steht. Aber ich würde es auch für unverantwortlich halten, ein Angebot eines großen Automobilunternehmens auszuschließen."
Auch Experten finden durchaus Argumente, die für einen Einstieg Fiats bei Opel sprechen. So gäbe es bei den Modellpaletten faktisch nur wenig Überschneidungen. Den derzeit äußerst erfolgreichen Opel-Modellen Insignia und Astra hätten die Italiener kaum etwas entgegenzusetzen. Und bis auf das Segment der Klein- und Kleinstwagen würden sich die beiden Autobauer nicht ins Gehege kommen.
Gleichzeitig könnte sich der Vectra eine Plattform mit dem neuen Fiat Punto teilen und so zu erheblichen Kosteneinsparungen führen. Aber Willi Diez vom Institut für Automobilwirtschaft verweist noch auf einen anderen möglichen Vorteil:
"Fiat könnte Opel auch Zugang zu neuen Märkten verschaffen. Fiat ist stark in Lateinamerika, in Brasilien beispielsweise. Einem der wichtigsten Wachstumsmärkte, die mittelfristig bis langfristig da sind. Fiat ist in China, zwar nur schwach, aber auch das wäre natürlich auch eine Chance für Opel, möglicherweise in diesen Markt zu kommen - in neue Märkte mit Fiat zu kommen."
Ein Opel-Einstieg von Fiat würde also durchaus auch Chancen bieten. Doch offenbar favorisieren auch Teile des europäischen GM-Managements inzwischen einen Einstieg des österreichisch-kanadischen Autozulieferers Magna - von der deutlichen Positionierung der Belegschaft ganz zu schweigen.
Magna ist, neben Bosch, Denso, Delphi und Bridgestone einer der ganz Großen Autozulieferer. Der Konzern zählt inzwischen 82.000 Beschäftigte in 22 Ländern, davon 11.000 allein in Deutschland. Und machte zuletzt 24 Milliarden Euro Umsatz. Magna brächte aus Opel-Sicht vor allem zwei Vorteile mit: Kapital - angeblich verfügt das Unternehmen über Barreserven von rund 1,5 Milliarden Dollar - und technisches Know-how.
Denn der österreichisch-kanadische Konzern produziert nicht einfach Blechteile. Magna entwickelt beispielsweise selbst Antriebstechnologien und baut auch Autos, etwa für BMW, Chrysler, Daimler oder Saab. Freilich ist auch der erfolgreiche Konzern - wie die gesamte Branche - in einen gefährlichen Abwärtsstrudel geraten, gibt Autoexperte Diez zu bedenken:
"Magna leidet derzeit unter der Wirtschaftskrise. Magna ist als kanadischer Konzern natürlich sehr eng mit der amerikanischen Automobilindustrie verwoben und leidet dort natürlich auch sehr stark unter den massiven Absatzeinbrüchen, gerade der nordamerikanischen Hersteller. Also auch dort ist die finanzielle Situation natürlich nicht so, dass man sagen kann, das Unternehmen ist auf Rosen gebettet. Sondern: Auch Magna muss kämpfen."
Und doch macht der Einstieg bei Opel auch industriepolitisch durchaus Sinn: Magna versucht schon seit geraumer Zeit, seine Abhängigkeit als Zulieferer von den Autokonzernen zu reduzieren. Denn im Zuge der Wirtschafts- und Absatzkrise holen die Konzerne inzwischen verstärkt extern vergebene Aufträge zurück. Eine Praxis, die den Zulieferer und Kabriospezialist Karmann bereits in die Insolvenz getrieben hat.
In den letzten Jahren hatte Magna schon zwei Mal versucht, seine Unabhängigkeit zu stärken: Doch sowohl der Griff nach Chrysler als auch der nach dem russischen Autobauer AvtoVAZ scheiterten. Jetzt also ein neuer Anlauf, den Magna allerdings nicht allein unternehmen wolle, sondern zusammen mit einem russischen Partner, wie es Anfang der Woche in Berichten hieß.
Denen zufolge sollten rund 20 Prozent einer neu zu gründenden Opel-Holding an Magna gehen - das Unternehmen würde auch die unternehmerische Führung übernehmen. 30 Prozent wiederum würden von einer russischen Investorengruppe übernommen, die sich aus dem Autobauer Gaz und der kremelnahen Sberbank zusammensetzt. Der russische Konzern dürfte vor allem an der modernen Technologie von Opel interessiert sein, gilt doch gerade die heimische Autoindustrie als hochgradig veraltet - der russische Markt, der zugleich als äußerst wachstumsstark gilt, wird deshalb bislang von westlichen Modellen dominiert.
Schließlich würde nach diesem Planspiel der bisherige 100-prozentige Anteil von General Motors unter 50 Prozent sinken. GM hat immer wieder betont, an einer Minderheitsbeteiligung festhalten zu wollen - dies wäre nach dem derzeit diskutierten Modell sichergestellt. Zumal auch Opel an einer vollständigen Loslösung kein Interesse haben kann - dazu sind beide Unternehmen zu eng miteinander verzahnt, nicht zuletzt bei Forschung und Entwicklung. Bei Experten wird diese Variante durchaus positiv beurteilt. Zumindest würden sich Magna und Opel keine direkte Konkurrenz machen. Trotzdem bleiben Zweifel - Hans-Peter Wodniak, Analyst von Fair Research:
"Können das die Russen derzeit finanziell noch stemmen? Und von daher: der Optimismus, der hier vorherrscht, dass man insgesamt fünf Milliarden Euro an frischem Kapital in Opel reinstecken könnte - also die Beträge sind so groß, da würde ich mal sagen, in der momentanen Lage ist das eher nicht vorstellbar."
Inzwischen ließ Magna-Chef Frank Stronach in einem Zeitungsinterview allerdings wissen, man plane ohnehin keine direkte Beteiligung an Opel. Vielmehr gehe es darum, einem wichtigen Kunden von Magna zu helfen. Details, wie diese Hilfe konkret aussehen könnte, ließ Stronach jedoch offen.
Die Lage bleibt also unübersichtlich. Erschwerend kommt hinzu, dass die laufenden Verhandlungen ohnehin höchst kompliziert sind. Da ist zunächst der amerikanische Mutterkonzern, vom dem letztlich alles abhängt. Bis Ende Mai hat GM Zeit, um sich nicht zuletzt mit seinen Gläubigern zu einigen und ein belastbares Sanierungskonzept vorzulegen. Erst dann ist die US-Regierung bereit, neue Kredite zur Verfügung zu stellen, ohne die GM nicht überleben kann.
Doch der jüngste Vorschlag - die Umwandlung von Schulden in eine zehnprozentige Unternehmensbeteiligung - wurde von den Gläubigern bereits mit großer Skepsis bewertet. Die Zukunft von GM hängt also weiter in der Schwebe - und damit auch die von Opel, meint Autoexperte Diez:
"Solange die Existenz von GM selber nicht gesichert ist, ist das alles auf Sand gebaut, sind alle Konstruktionen - da ein Anteil GM, da ein Anteil die Opel-Händler, da ein Anteil vielleicht der deutsche Staat oder zumindest von Bürgschaften, da noch ein industrieller Partner - das ist alles auf Sand gebaut, solange man nicht weiß, wie es bei GM weitergeht. Insofern die Vorstellung bei Opel, man kann jetzt unabhängig von GM agieren, die ist natürlich auch ein Stück weit naiv - noch gehört Opel General Motors."
Zudem hat GM offenbar noch immer keine belastbaren Zahlen für Opel geliefert, auf die aber wiederum die möglichen Investoren dringend angewiesen sind. Entsprechend verärgert reagierte deshalb der deutsche Wirtschaftsminister, der unbedingt einen ersten großen Erfolg in seiner noch kurzen Amtszeit vorweisen will:
"Natürlich ist es gelegentlich ermüdend, wenn wir seit Monaten auf die belastbaren Zahlen immer wieder warten. Und jetzt macht eine ähnliche Erfahrung eine Gruppe von potenziellen Investoren und Interessenten, dass auch sie diese Zahlen jenen zäh aus der Nase ziehen müssen, die sie aber bekommen müssen, um ihr Engagement selbst bemessen zu können."
Doch damit nicht genug: Opel ist dringend auf die Herausgabe von Patenten angewiesen, die wiederum die Konzernmutter GM an die US-Regierung im Gegenzug für weitere Staatshilfen verpfänden musste. Zwar hat sich Opel mit GM inzwischen auf ein Tauschgeschäft geeinigt - Schuldenerlass gegen die Rückgabe der Patente- doch die abschließende Zustimmung der US-Regierung zu diesem Deal steht noch immer aus, auch wenn sich alle Beteiligten relativ zuversichtlich zeigen.
Aber an einer Rettung von Opel sind noch mehr Akteure und Mitspieler beteiligt. Die Regierungen in Spanien und Großbritannien etwa verfolgen die Verhandlungen mit großer Aufmerksamkeit, schließlich hat GM in beiden Ländern weitere Produktionsstandorte.
Und dann sind da noch die Ministerpräsidenten in Thüringen, Hessen und Nordrhein Westfalen, die ebenfalls hinter den Kulissen eifrig mitmischen, um die Opel-Standorte in ihren Bundesländern zu erhalten. Eine Vorgabe, die auch die Bundesregierung für mögliche Bürgschaften gestellt hat und die deshalb auch von Fiat und Magna berücksichtigt worden sei, erklärte jüngst der Wirtschaftsminister:
"Was die Standorte anbelangt, so kann man soviel sagen, dass im Grobrahmen beider Konzepte die Standortsicherung eine wesentliche Rolle spielt."
Eine Aussage, die natürlich auch dem laufenden Bundestagswahlkampf geschuldet ist. Keine Bundesregierung wird einem Konzept zustimmen, dass von vorneherein auf einen massiven Stellenabbau sowie die Schließung von Fabriken abzielt. Freilich, viele Experten sind da deutlich skeptischer - auch die Zusage einer Standortsicherung sei unter dem Strich wenig belastbar, heißt es.
Denn auch ohne Absatzkrise leidet die Autobranche schon seit geraumer Zeit unter massiven Überkapazitäten. Gerade der europäische Markt gilt als gesättigt, die Fabriken sind nicht mehr ausgelastet. Der Produktionsüberhang wird dabei auf mindestens 20 Prozent geschätzt, Tendenz weiter steigend.
Zudem gibt es bei den bestehenden vier deutschen Opelstandorten Bochum, Kaiserslautern, Rüsselheim und Eisenach mit ihren rund 25.000 Beschäftigten große Unterschiede. Während Eisenach und Rüsselsheim als effizient und modern gelten - gerade in Rüsselsheim wurde zuletzt viel Geld für neue Fertigungskapazitäten investiert - sind die Perspektiven für die anderen Werke eher düster. Bochum beispielsweise gilt auch opelintern schon seit Jahren als Wackelkandidat und auch der Standort Kaiserslautern, vor allem ein Zulieferwerk, könnte schnell ersetzt werden.
Unter dem Strich, so Autoexperte Diez, müssten sich deshalb die Beschäftigten auf harte Einschnitte einstellen, unabhängig davon, ob nun Fiat oder Magna den Zuschlag erhalten sollten:
"Die Erfahrungen zeigen, dass natürlich kann man mit Lohnverzicht die Kosten schon zurückfahren. Aber wirklich signifikante Absenkung der Kostenstrukturen bekommt man letztlich nur durch komplette Standortschließungen. Das ist traurig, aber das ist eben eine betriebswirtschaftliche Erfahrung."
Insofern bleiben die Aussichten für Opel weiter unsicher, selbst nach einem Einstieg eines potenziellen Investors. Gerade in der Automobilindustrie gibt es spektakuläre Beispiele für gescheiterte Übernahmen. BWM etwa musste für den Einstieg bei Rover milliardenschweres Lehrgeld bezahlen - am Ende war der bayerische Konzern froh, die ungeliebte englische Tochter wieder loszuwerden.
Auch Daimler erlebte bei Chrysler ein einzigartiges Debakel. Die Ehe, die 1998 angeblich im Himmel geschlossen wurde, so die damaligen Lobeshymnen, wurde erst in dieser Woche endgültig geschieden. Schätzungen zufolge hat Daimler der misslungene Ausflug über den Atlantik einen zweistelligen Milliardenbetrag gekostet - genaue Zahlen liegen bis heute nicht vor.
Für Opel - das im internationalen Vergleich nur ein Mittelgewicht mit einigen wenigen erfolgreichen Modellen ist - sind die Herausforderungen deshalb ungleich größer. Es geht um das Überleben der Marke - nicht nur kurzfristig, sondern wohl auch in den nächsten Jahren.
Noch Ende März hatte US-Präsident Obama den Managern der beiden angeschlagenen Automobilkonzerne Chrysler und General Motors eine weitere Gnadenfrist für weitere Sanierungspläne eingeräumt. Für Chrysler ist diese Frist heute abgelaufen - und jetzt steht fest: Chrysler wird Insolvenz anmelden.
Ob diese Entscheidung auch Auswirkungen für General Motors haben wird, ist nicht klar. Noch hat der Konzern etwa einen weiteren Monat, sein Sanierungskonzept zu präsentieren. Dennoch schaut man auch in Deutschland interessiert auf die heutige Entwicklung. Denn an General Motors hängt die deutsche Traditionsmarke Opel, die sich so schnell wie möglich von ihrem Mutterkonzern abspalten will.
Seit Wochen sucht die Opel-Führung fieberhaft nach einem möglichen Investor. Denn nur mit einem neuen Geldgeber, da sind sich alle Experten weitgehend einig, hat der angeschlagene Autobauer überhaupt eine Chance, als halbwegs eigenständiger Konzern, der nur noch über eine Minderheitsbeteiligung mit der bisherigen Konzernmutter General Motors verbunden bleibt, zu überleben. Will Diez, Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft an der Hochschule Nürtingen Geislingen:
"Man muss eben sehen: Opel ist gemessen an seinen Stückzahlen allein nicht überlebensfähig. Man muss sehen - Opel hat über viele Jahre eben kein Geld verdient, und das eben nicht nur wegen den bösen Amerikanern, sondern weil man auch in Europa keinen besonders guten Job gemacht hat. Schwierigkeiten im Markt, hatte Qualitätsprobleme, das Image ist abgesunken. Natürlich ist Opel jetzt in einer Aufschwungsphase. Das ist sehr erfreulich. Aber man sollte das auch nicht überreizen. Denn schon das Jahr 2010 wird auch für Opel sehr viel schwieriger werden. Dann gibt es keine Abwrackprämie mehr und auch der Neuheiteneffekt beim Insignia wird dann weg sein."
Aber Opel ist auch aus einem anderen Grund dringend auf einen neuen Investor angewiesen. Die Bundesregierung hat eine mögliche staatliche Bürgschaft für den angeschlagenen Autobauer aus Rüsselheim an den Einstieg eines unabhängigen Geldgebers geknüpft. Insofern steht Opel auch von dieser Seite her unter enormen Druck - ohne Investor keine staatlichen Hilfen, ohne staatliche Hilfe droht die Insolvenz, so lautet die einfache Formel.
Immerhin gibt es inzwischen Hoffnung. Hatten viele Experten lange Zeit bezweifelt, dass sich für Opel angesichts der vielen Unwägbarkeiten und des schwierigen Marktumfeldes überhaupt ein Investor interessieren könnte, gibt es nun offenbar zwei ernsthafte Interessenten. Den österreichisch-kanadischen Zulieferer Magna und den italienischen Autobauer Fiat. Beide hätten bereits erste Überlegungen präsentiert, wie ein Einstieg aussehen könnte, freute sich jüngst Wirtschaftsminister Karl Theodor zu Guttenberg. Auch wenn man von einer Einigung natürlich noch meilenweit entfernt sei:
"Magna hat mir ein erstes interessantes Grobkonzept für ein Engagement bei Opel vorgelegt. Ich betone, dass es sich hier um ein grobes Konzept handelt, dass jetzt mit Fakten und mit Zahlen untermauert werden muss. Gleiches gilt im Übrigen auch für Fiat."
Ausgerechnet jener Fiat-Konzern, der im ersten Quartal 2009 Verluste von 410 Millionen Euro eingefahren hat und mit 14 Milliarden Euro verschuldet ist. Der seinen Werken in Italien wochenlang Kurzarbeit verordnete, um Kosten zu sparen, will sich an Opel beteiligen, um den deutschen Autobauer zu retten. Über Opel, sagen Kritiker, käme der Konzern nun zumindest an frisches Staatsgeld - in Deutschland.
Manager Sergio Marchionne selbst würde das freilich nie so sagen. Den Konzernchef mit dem Ruf eines eiskalten Rechners treibt vor allem eine Frage um: Wie viele Autos muss er bauen, um am hart umkämpften Automarkt bestehen zu können? Wer die Krise überleben wolle, sagte er jüngst, müsse fünf bis sechs Millionen Fahrzeuge im Jahr verkaufen. Fiat setzt weit weniger als die Hälfte ab, wäre nach Marchionnes Rechnung also dem Untergang geweiht. Eine Groß-Allianz könnte dem ambitionierten Manager zu einem Absatz von über fünf Millionen Autos verhelfen - und Fiat damit weltweit in die erste Reihe der Autohersteller katapultieren: Die europäischen Geschäfte der Opel-Mutter General Motors sollen dazugehören. Und auch mit Chrysler hatte Fiat kurz vor dessen Insolvenz verhandelt.
Sechs Hersteller würden langfristig am Markt überleben können, rechnet Marchionne vor. Fiat ist - natürlich - unter den Überlebenden. Mit allen Mitteln stemmt sich der Italo-Kanadier gegen den drohenden Niedergang. Beim Genfer Autosalon im März sah er seinen Konzern sogar trotz Krise wieder im Aufwind.
"Wir machen uns Sorgen so wie alle, die Nervosität ist international zu spüren. Wir müssen abwarten, bis diese Krise gelöst ist. Noch sind wir nicht am Ende der Unsicherheiten angekommen. Aber die Verkaufszahlen steigen wieder, in einigen Werken konnten wir die Produktion früher als erwartet wieder anlaufen lassen, die Abwrackprämie der Regierung unter Silvio Berlusconi hilft uns sehr."
Tatsächlich ging es Fiat schon mal weitaus schlechter. Es gab Zeiten, da war das Autobauen in Turin fast schon eine Nebensache. Erst in den letzten Jahren konnte das Unternehmen mit Kleinwagen wie dem neuen Cinquecento wieder punkten. Selbst seine ärgsten Kritiker müssen Marchionne heute daher zugute halten, dass er den Konzern aus seiner schlimmsten Krise herausgesteuert hat.
Für eine Beteiligung an Opel muss allen klar sein: Der Italiener wird keine Milliardenmitgift über die Alpen bringen, nur um Opel zu heiraten. Im Angebot hat er einen Wechsel auf die Zukunft - und eine klare Vision: Aus mehreren mehr oder weniger Kranken soll ein Gesunder wird. Ob das funktioniert, ist fraglich. Die Meinungen gehen auseinander.
Der Autoanalyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler hält Fiat für "ein solides Unternehmen mit einem guten Vorstand". Opel sei allein nicht lebensfähig. Turin und Rüsselsheim - gemeinsam könnten sie Motoren entwickeln und ihre Forschungs- und Entwicklungskosten teilen und einen gemeinsamen Vertrieb nutzen. Das würde beide stärken. Einerseits. Anderseits brauchen die Kritiker wenig Fantasie, um die mögliche negative Folgen einer solchen Zusammenarbeit auszuloten. Wo sich zwei Konzerne zusammentun, die das gleiche Marktsegment bedienen, die um die gleichen Kunden werben und sich im Grunde Konkurrenz machen, fallen Entwicklungszentren und Komponentenfabriken weg, werden irgendwann vielleicht sogar Werke geschlossen, könnten in großem Stil Stellen gestrichen werden. Zuletzt hieß es, Fiat garantiere den Erhalt der deutschen Opel-Fabriken, nicht aber deren "Kapazitäten". Das könnte durchaus bedeuten, dass weniger Autos in Deutschland, dafür aber mehr woanders, zum Beispiel in Italien, produziert werden.
Bei General Motors hat man übrigens schon Erfahrung mit Fiat. Beide hatten im Jahr 2000 eine Kooperation zur gemeinsamen Entwicklung von Motoren und Getrieben in Europa unter Dach und Fach gebracht. Damals hatte GM zehn Prozent von Fiat übernommen - dazu kam eine Option, die die Amerikaner verpflichtete, das Autogeschäft von Fiat später zu übernehmen. Rasch war klar, dass die Zusammenarbeit der beiden nicht vom Erfolg gekrönt war. Am Ende zahlte GM 1,55 Milliarden Euro. Einzig und allein, um Fiat nicht übernehmen zu müssen.
Diese schlechte Erfahrung ist bei der Belegschaft in Rüsselsheim noch immer präsent. Und so war es auch kein Zufall, dass der Name Fiat als möglicher Investor schnell publik wurde - und mit einer klaren Absage aus Belegschaftskreisen bedacht wurde. Opel-Betriebsratschef Klaus Franz:
"Die Modellpalette ist viel zu identisch. Die Überkapazitäten sind viel zu groß. Wenn eine kurzfristige Lösung gefunden wird, wird Fiat versuchen, Fabriken in Deutschland zu schließen und Arbeitsplätze in Deutschland zu zerstören. Das kann nicht zugelassen werden, schon gar nicht mit deutschen Steuergeldern."
Eine klare Kampfansage also, die das Management von Fiat nicht unbeeindruckt lassen dürfte, zumal auch von deutschen Spitzenpolitikern durchaus Vorbehalte formuliert worden sind. Aber es gibt auch andere Stimmen: Der hessische Ministerpräsident Roland Koch:
"Fiat ist selbstverständlich ein potenzielles Angebot, das nicht alleine steht. Aber ich würde es auch für unverantwortlich halten, ein Angebot eines großen Automobilunternehmens auszuschließen."
Auch Experten finden durchaus Argumente, die für einen Einstieg Fiats bei Opel sprechen. So gäbe es bei den Modellpaletten faktisch nur wenig Überschneidungen. Den derzeit äußerst erfolgreichen Opel-Modellen Insignia und Astra hätten die Italiener kaum etwas entgegenzusetzen. Und bis auf das Segment der Klein- und Kleinstwagen würden sich die beiden Autobauer nicht ins Gehege kommen.
Gleichzeitig könnte sich der Vectra eine Plattform mit dem neuen Fiat Punto teilen und so zu erheblichen Kosteneinsparungen führen. Aber Willi Diez vom Institut für Automobilwirtschaft verweist noch auf einen anderen möglichen Vorteil:
"Fiat könnte Opel auch Zugang zu neuen Märkten verschaffen. Fiat ist stark in Lateinamerika, in Brasilien beispielsweise. Einem der wichtigsten Wachstumsmärkte, die mittelfristig bis langfristig da sind. Fiat ist in China, zwar nur schwach, aber auch das wäre natürlich auch eine Chance für Opel, möglicherweise in diesen Markt zu kommen - in neue Märkte mit Fiat zu kommen."
Ein Opel-Einstieg von Fiat würde also durchaus auch Chancen bieten. Doch offenbar favorisieren auch Teile des europäischen GM-Managements inzwischen einen Einstieg des österreichisch-kanadischen Autozulieferers Magna - von der deutlichen Positionierung der Belegschaft ganz zu schweigen.
Magna ist, neben Bosch, Denso, Delphi und Bridgestone einer der ganz Großen Autozulieferer. Der Konzern zählt inzwischen 82.000 Beschäftigte in 22 Ländern, davon 11.000 allein in Deutschland. Und machte zuletzt 24 Milliarden Euro Umsatz. Magna brächte aus Opel-Sicht vor allem zwei Vorteile mit: Kapital - angeblich verfügt das Unternehmen über Barreserven von rund 1,5 Milliarden Dollar - und technisches Know-how.
Denn der österreichisch-kanadische Konzern produziert nicht einfach Blechteile. Magna entwickelt beispielsweise selbst Antriebstechnologien und baut auch Autos, etwa für BMW, Chrysler, Daimler oder Saab. Freilich ist auch der erfolgreiche Konzern - wie die gesamte Branche - in einen gefährlichen Abwärtsstrudel geraten, gibt Autoexperte Diez zu bedenken:
"Magna leidet derzeit unter der Wirtschaftskrise. Magna ist als kanadischer Konzern natürlich sehr eng mit der amerikanischen Automobilindustrie verwoben und leidet dort natürlich auch sehr stark unter den massiven Absatzeinbrüchen, gerade der nordamerikanischen Hersteller. Also auch dort ist die finanzielle Situation natürlich nicht so, dass man sagen kann, das Unternehmen ist auf Rosen gebettet. Sondern: Auch Magna muss kämpfen."
Und doch macht der Einstieg bei Opel auch industriepolitisch durchaus Sinn: Magna versucht schon seit geraumer Zeit, seine Abhängigkeit als Zulieferer von den Autokonzernen zu reduzieren. Denn im Zuge der Wirtschafts- und Absatzkrise holen die Konzerne inzwischen verstärkt extern vergebene Aufträge zurück. Eine Praxis, die den Zulieferer und Kabriospezialist Karmann bereits in die Insolvenz getrieben hat.
In den letzten Jahren hatte Magna schon zwei Mal versucht, seine Unabhängigkeit zu stärken: Doch sowohl der Griff nach Chrysler als auch der nach dem russischen Autobauer AvtoVAZ scheiterten. Jetzt also ein neuer Anlauf, den Magna allerdings nicht allein unternehmen wolle, sondern zusammen mit einem russischen Partner, wie es Anfang der Woche in Berichten hieß.
Denen zufolge sollten rund 20 Prozent einer neu zu gründenden Opel-Holding an Magna gehen - das Unternehmen würde auch die unternehmerische Führung übernehmen. 30 Prozent wiederum würden von einer russischen Investorengruppe übernommen, die sich aus dem Autobauer Gaz und der kremelnahen Sberbank zusammensetzt. Der russische Konzern dürfte vor allem an der modernen Technologie von Opel interessiert sein, gilt doch gerade die heimische Autoindustrie als hochgradig veraltet - der russische Markt, der zugleich als äußerst wachstumsstark gilt, wird deshalb bislang von westlichen Modellen dominiert.
Schließlich würde nach diesem Planspiel der bisherige 100-prozentige Anteil von General Motors unter 50 Prozent sinken. GM hat immer wieder betont, an einer Minderheitsbeteiligung festhalten zu wollen - dies wäre nach dem derzeit diskutierten Modell sichergestellt. Zumal auch Opel an einer vollständigen Loslösung kein Interesse haben kann - dazu sind beide Unternehmen zu eng miteinander verzahnt, nicht zuletzt bei Forschung und Entwicklung. Bei Experten wird diese Variante durchaus positiv beurteilt. Zumindest würden sich Magna und Opel keine direkte Konkurrenz machen. Trotzdem bleiben Zweifel - Hans-Peter Wodniak, Analyst von Fair Research:
"Können das die Russen derzeit finanziell noch stemmen? Und von daher: der Optimismus, der hier vorherrscht, dass man insgesamt fünf Milliarden Euro an frischem Kapital in Opel reinstecken könnte - also die Beträge sind so groß, da würde ich mal sagen, in der momentanen Lage ist das eher nicht vorstellbar."
Inzwischen ließ Magna-Chef Frank Stronach in einem Zeitungsinterview allerdings wissen, man plane ohnehin keine direkte Beteiligung an Opel. Vielmehr gehe es darum, einem wichtigen Kunden von Magna zu helfen. Details, wie diese Hilfe konkret aussehen könnte, ließ Stronach jedoch offen.
Die Lage bleibt also unübersichtlich. Erschwerend kommt hinzu, dass die laufenden Verhandlungen ohnehin höchst kompliziert sind. Da ist zunächst der amerikanische Mutterkonzern, vom dem letztlich alles abhängt. Bis Ende Mai hat GM Zeit, um sich nicht zuletzt mit seinen Gläubigern zu einigen und ein belastbares Sanierungskonzept vorzulegen. Erst dann ist die US-Regierung bereit, neue Kredite zur Verfügung zu stellen, ohne die GM nicht überleben kann.
Doch der jüngste Vorschlag - die Umwandlung von Schulden in eine zehnprozentige Unternehmensbeteiligung - wurde von den Gläubigern bereits mit großer Skepsis bewertet. Die Zukunft von GM hängt also weiter in der Schwebe - und damit auch die von Opel, meint Autoexperte Diez:
"Solange die Existenz von GM selber nicht gesichert ist, ist das alles auf Sand gebaut, sind alle Konstruktionen - da ein Anteil GM, da ein Anteil die Opel-Händler, da ein Anteil vielleicht der deutsche Staat oder zumindest von Bürgschaften, da noch ein industrieller Partner - das ist alles auf Sand gebaut, solange man nicht weiß, wie es bei GM weitergeht. Insofern die Vorstellung bei Opel, man kann jetzt unabhängig von GM agieren, die ist natürlich auch ein Stück weit naiv - noch gehört Opel General Motors."
Zudem hat GM offenbar noch immer keine belastbaren Zahlen für Opel geliefert, auf die aber wiederum die möglichen Investoren dringend angewiesen sind. Entsprechend verärgert reagierte deshalb der deutsche Wirtschaftsminister, der unbedingt einen ersten großen Erfolg in seiner noch kurzen Amtszeit vorweisen will:
"Natürlich ist es gelegentlich ermüdend, wenn wir seit Monaten auf die belastbaren Zahlen immer wieder warten. Und jetzt macht eine ähnliche Erfahrung eine Gruppe von potenziellen Investoren und Interessenten, dass auch sie diese Zahlen jenen zäh aus der Nase ziehen müssen, die sie aber bekommen müssen, um ihr Engagement selbst bemessen zu können."
Doch damit nicht genug: Opel ist dringend auf die Herausgabe von Patenten angewiesen, die wiederum die Konzernmutter GM an die US-Regierung im Gegenzug für weitere Staatshilfen verpfänden musste. Zwar hat sich Opel mit GM inzwischen auf ein Tauschgeschäft geeinigt - Schuldenerlass gegen die Rückgabe der Patente- doch die abschließende Zustimmung der US-Regierung zu diesem Deal steht noch immer aus, auch wenn sich alle Beteiligten relativ zuversichtlich zeigen.
Aber an einer Rettung von Opel sind noch mehr Akteure und Mitspieler beteiligt. Die Regierungen in Spanien und Großbritannien etwa verfolgen die Verhandlungen mit großer Aufmerksamkeit, schließlich hat GM in beiden Ländern weitere Produktionsstandorte.
Und dann sind da noch die Ministerpräsidenten in Thüringen, Hessen und Nordrhein Westfalen, die ebenfalls hinter den Kulissen eifrig mitmischen, um die Opel-Standorte in ihren Bundesländern zu erhalten. Eine Vorgabe, die auch die Bundesregierung für mögliche Bürgschaften gestellt hat und die deshalb auch von Fiat und Magna berücksichtigt worden sei, erklärte jüngst der Wirtschaftsminister:
"Was die Standorte anbelangt, so kann man soviel sagen, dass im Grobrahmen beider Konzepte die Standortsicherung eine wesentliche Rolle spielt."
Eine Aussage, die natürlich auch dem laufenden Bundestagswahlkampf geschuldet ist. Keine Bundesregierung wird einem Konzept zustimmen, dass von vorneherein auf einen massiven Stellenabbau sowie die Schließung von Fabriken abzielt. Freilich, viele Experten sind da deutlich skeptischer - auch die Zusage einer Standortsicherung sei unter dem Strich wenig belastbar, heißt es.
Denn auch ohne Absatzkrise leidet die Autobranche schon seit geraumer Zeit unter massiven Überkapazitäten. Gerade der europäische Markt gilt als gesättigt, die Fabriken sind nicht mehr ausgelastet. Der Produktionsüberhang wird dabei auf mindestens 20 Prozent geschätzt, Tendenz weiter steigend.
Zudem gibt es bei den bestehenden vier deutschen Opelstandorten Bochum, Kaiserslautern, Rüsselheim und Eisenach mit ihren rund 25.000 Beschäftigten große Unterschiede. Während Eisenach und Rüsselsheim als effizient und modern gelten - gerade in Rüsselsheim wurde zuletzt viel Geld für neue Fertigungskapazitäten investiert - sind die Perspektiven für die anderen Werke eher düster. Bochum beispielsweise gilt auch opelintern schon seit Jahren als Wackelkandidat und auch der Standort Kaiserslautern, vor allem ein Zulieferwerk, könnte schnell ersetzt werden.
Unter dem Strich, so Autoexperte Diez, müssten sich deshalb die Beschäftigten auf harte Einschnitte einstellen, unabhängig davon, ob nun Fiat oder Magna den Zuschlag erhalten sollten:
"Die Erfahrungen zeigen, dass natürlich kann man mit Lohnverzicht die Kosten schon zurückfahren. Aber wirklich signifikante Absenkung der Kostenstrukturen bekommt man letztlich nur durch komplette Standortschließungen. Das ist traurig, aber das ist eben eine betriebswirtschaftliche Erfahrung."
Insofern bleiben die Aussichten für Opel weiter unsicher, selbst nach einem Einstieg eines potenziellen Investors. Gerade in der Automobilindustrie gibt es spektakuläre Beispiele für gescheiterte Übernahmen. BWM etwa musste für den Einstieg bei Rover milliardenschweres Lehrgeld bezahlen - am Ende war der bayerische Konzern froh, die ungeliebte englische Tochter wieder loszuwerden.
Auch Daimler erlebte bei Chrysler ein einzigartiges Debakel. Die Ehe, die 1998 angeblich im Himmel geschlossen wurde, so die damaligen Lobeshymnen, wurde erst in dieser Woche endgültig geschieden. Schätzungen zufolge hat Daimler der misslungene Ausflug über den Atlantik einen zweistelligen Milliardenbetrag gekostet - genaue Zahlen liegen bis heute nicht vor.
Für Opel - das im internationalen Vergleich nur ein Mittelgewicht mit einigen wenigen erfolgreichen Modellen ist - sind die Herausforderungen deshalb ungleich größer. Es geht um das Überleben der Marke - nicht nur kurzfristig, sondern wohl auch in den nächsten Jahren.