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Rettet Linda!

Sieglinde, Nicola und Linda - viele Kartoffelsorten tragen - warum auch immer - Frauennamen. Eine dergestalt benannte Sorte wird wohl demnächst von der Bildfläche verschwinden. So will es der Zuchtbetrieb Europlant aus Lüneburg, dem Erfinder von Kartoffel Linda. Europlant hat die Zulassung für diese Sorte jetzt zurückgezogen, ein Anbau ist nur noch in diesem Jahr erlaubt. Sehr zum Unwillen von Bauern, Köchen und Verbrauchern, die deshalb die Kampagne "Rettet Linda!" gestartet haben.

Von Katrin Höcherl | 14.01.2005
    Zugegeben, die Sache ist kompliziert. Bauern dürfen nur solche Kartoffelsorten anbauen, die zugelassen sind; damit stellt das Bundessortenamt sicher, dass auch wirklich nur geprüfte Qualitätskartoffeln auf den Markt kommen. Auf der anderen Seite gibt es den Sortenschutz für Kartoffeln. Der greift, wenn ein Kartoffelanbauer eine neue Kartoffelsorte gezüchtet hat. Das ist wie ein Patent; 30 Jahre lang müssen alle Bauern, die diese Kartoffelsorte anbauen, Lizenzgebühren bezahlen. Bei der Kartoffelsorte Linda ist jetzt dieser 30-jährige Schutz abgelaufen; nichts Ungewöhnliches; eigentlich hätten jetzt alle Bauern Linda anbauen dürfen, ohne Gebühren zu zahlen; doch der Lüneburger Kartoffelzüchter Europlant machte den Bauern einen Strich durch die Rechnung: Er zog Ende des Jahres die Zulassung von Linda zurück; das darf er, solange der Sortenschutz noch läuft, damit gibt es die Sorte Linda nicht mehr. Georg Janssen von der Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft ist sauer:

    Das sind reine Profitinteressen von Europlant. Europlant will die neuen Sorten auf den Markt bringen und deswegen wollen sie, dass Linda nicht mehr angeboten wird. Europlant hat 30 Jahre lang Sortenschutz auf diese Sorte gehabt und 30 Jahre mächtig verdient.

    Europlant begründet diesen Schritt natürlich ganz anders. Der Markt soll geschützt werden, so Geschäftsführer Jörg Renatus. Denn wenn jeder Landwirt Linda anbauen darf, wären Menge und Qualität nicht mehr zu kontrollieren:

    Wir sehen es, dass dann sehr schnell Preisdruck kommt und diese Sorten dann zu einem Billigartikel verkommen, der letztlich dem Erzeuger keinen Nutzen mehr bringt und der dann letztlich in der Qualität nicht mehr das bringt, was der Verbraucher sich erwartet, und dementsprechend sind wir der Überzeugung, dass der Gesamtmarkt, sowohl Anbieter als auch Verbraucher geschädigt werden, und so haben wir uns entschlossen, den Schritt zu gehen.

    Außerdem sei Linda überholt - die Forschung habe in den vergangenen 30 Jahren neue, bessere Kartoffelsorten entwickelt, die mindestens genauso gut schmecken und die sollten jetzt auf dem Markt eine Chance bekommen, sagt Renatus:

    Das können Sie vergleichen mit einem Auto, wenn Sie sich einen modernen PKW von heute anschauen und stellen dagegen ein Modell von vor 30 Jahren hin, dann können Sie sofort erkennen, wie sich der Stand der Technologie entwickelt hat und das Gleiche findet ja auch in Züchtung statt. Das heißt, Linda ist schon lange nicht mehr auf der Höhe der Zeit.

    Ob Linda auf der Höhe der Zeit ist oder nicht, das ist Michael Röhm, Chefkoch eines Lüneburger Sternerestaurants ziemlich egal. Er kocht fast nur mit Linda, aus guten Gründen:

    Weil wir heute ganz selten Kartoffelsorten finden, wo ich sage, damit bin ich zufrieden. Wir probieren aufs Jahr 20, 25 Sorten aus, die wir zurückgehen lassen, weil es keinen Sinn hat, weil die völlig überzüchtet sind, ich will eine Kartoffel haben, die nach Kartoffel riecht, die nach Kartoffel schmeckt, die gelb ist, die nicht hochgezüchtet, eine wie Linda eben.

    Michael Röhm steht nicht alleine da. Landwirte und Verbraucher haben jetzt eine Initiative gegründet: "Rettet Linda". Ein Antrag auf Neuzulassung von Linda ist beim Bundessortenamt schon eingereicht. Doch bis der durch ist, vergehen mindestens zwei Jahre. Bis dahin wird Linda auf dem Markt knapp. Deswegen sollen jetzt Anwälte prüfen, ob es nicht noch andere Möglichkeiten gibt, die Kartoffelsorte Linda am Markt zu halten. Landwirt Karsten Ellenberg aus dem niedersächsischen Barum ist zuversichtlich:

    Wir wollen die Linda retten, es geht nicht an, dass wir uns das verbieten lassen, sie anzubauen, in welchem Land leben wir eigentlich, und da müssen wir Bauern und Verbraucher uns einfach zusammenschließen, und ich denke, da haben wir eine Basis.