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Rettungsanker für Island

Island steht kurz vor der Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen. Doch der Streit über Schulden aus dem Zusammenbruch der isländischen Internetbank Icesave mit Großbritannien und den Niederlanden trübt die sowieso nicht besonders EU-freundliche Stimmung auf der Insel.

Von Doris Simon |
    Das Wetter ist kalt in Island dieser Tage, aber längst nicht so rau wie die Zeiten, die die Isländer seit der Finanzkrise und dem Beinah-Bankrott ihres Landes durchleben: Der Crash der großen isländischen Banken hat viele Bürger um Arbeitsplatz und Erspartes gebracht, andere auf Jahrzehnte in Schulden getrieben, die isländische Inflationsrate ist inzwischen zweistellig.

    Die Rettung soll nun aus Brüssel kommen. Das hofft zumindest die isländische Regierung - mit einem starken Verbund im Rücken und dem Euro als isländischer Währung soll es der Insel im Nordatlantik schon bald wieder besser gehen. Und Brüssel spielt erst mal mit.

    Man werde schon bald die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen vorschlagen, sagte vor einer Woche ein Sprecher der EU-Kommission in Brüssel, heute ist es so weit. Ein dramatischer Schritt: Am Ende solcher Verhandlungen steht der EU-Beitritt und den haben die meisten Isländer seit jeher abgelehnt.

    Nach jahrhundertelanger dänischer Vorherrschaft hängen sie an der Unabhängigkeit, und ihre reichen Fischgründe wollen sie nicht mit Fangflotten aus Spanien und anderswo in der EU teilen müssen. So richtig möchte das auch jetzt noch kein Isländer: Der Botschafter bei der EU sprach deshalb kürzlich in einem Interview von kreativen Lösungen, die in den Verhandlungen mit der EU zur Fischerei gefunden werden müssten: Schließlich sei dies Islands wichtigster Wirtschaftszweig.

    Und 31 Prozent aller befragten Isländer fanden zuletzt in einer Umfrage, ihr Staat wahre seine Interessen am besten außerhalb der EU. Auch in isländischen Medien kommt die Europäische Union regelmäßig schlecht weg. Schlechte Aussichten für das erforderliche Ja der Isländer vor einem Eu-Beitritt. Trotzdem hoffen Islands regierende Sozialdemokraten schon für 2012 auf die Aufnahme.

    Island erfülle seit Langem die nötigen Anforderungen, findet der frühere Erweiterungs- und jetzige Wirtschaftskommissar Olli Rehn. Der Finne vergleicht Beitrittsgespräche gerne mit einem Marathon:

    "Island steht schon bei Kilometer 35 bis 40: Das Land gehört zum Europäischen Wirtschaftsraum EWR und zum gemeinsamen Schengenraum. Island wird in den Behandlungen nicht bevorzugt, es ist einfach schon sehr weitgehend europäisch integriert."

    Doch selbst die EU-Befürworter in Reykjavik kommen derzeit nicht dazu, sich über die Brüsseler Nachricht zu freuen: Island verhandelt mit Großbritannien und den Niederlanden, zu welchen Bedingungen sie die Schulden der bankrotten Icesave-Bank zurückzahlt. Es ist ein Spiel mit hohem Einsatz: Ohne Rückzahlung der 3,8 Milliarden Euro Spargelder bekommt Island nicht die dringend benötigten Kredite des Internationalen Währungsfonds und der skandinavischen Nachbarn. Die Summe entspricht zwei Dritteln des isländischen Staatshaushaltes. Die Regierung hat eine rasche Tilgung versprochen, sie verlangt dafür aber von den beiden EU-Ländern, dass diese auf Schuldzinsen verzichten. Inzwischen hat Reykjavik sogar die US-Regierung um Schützenhilfe gebeten. Doch Washington betrachtet den Icesave-Streit wie die EU als bilaterale Auseinandersetzung. EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle:

    "Die Sache mit Icesave ist eine Sache allein zwischen Island auf der einen und den Niederlanden und Großbritannien auf der anderen Seite."

    Sicher ist: Werden die Verhandlungen mit Großbritannien und den Niederlanden nicht rasch erfolgreich abgeschlossen, droht Islands Regierung am 6. März ein Referendum: Dann dürften die Isländer mit großer Mehrheit die Rückzahlungskonditionen für die Icesave-Schulden ablehnen.

    Das hätte mehrere Folgen: Die IWF-Milliarden für Reykjavik blieben blockiert und Großbritannien und die Niederlande könnten ins Grübeln kommen, ob sie EU-Beitrittsverhandlungen mit Island wirklich zustimmen wollen, solange die Icesave-Schulden ausstehen.