Die Autobahnmeisterei Bad Oldesloe liegt direkt an der A1, der Hauptverkehrsachse zwischen Hamburg und Lübeck. Weil hier immer mehr Autos und LKW unterwegs seien, steige auch die Unfallgefahr, sagt Stefan Klempau:
"In der Regel haben wir einmal die Woche schon einen etwas größeren Unfall."
Neben den Einsatzkräften von Polizei, Feuerwehr und anderen Rettungsdiensten werden meistens auch Klempau und seine Kollegen von der Autobahnmeisterei an die Unfallstelle gerufen, um Sperrungen aufzubauen. Doch häufig werden sie dabei behindert − von Gaffern. Das ist nicht nur für die Opfer entwürdigend, sondern auch für die Einsatzkräfte vor Ort, und letztendlich eine Gefahr für den gesamten Verkehr:
"In der Regel machen wir sehr oft damit die Erfahrung, dass viel gefilmt wird, fotografiert wird, dadurch natürlich langsamer gefahren wird an der Unfallstelle vorbei und es oft zu Hupkonzerten führt und Vollbremsungen und dann auch auf der Gegenfahrbahn Unfälle passieren."
Sichtschutz in 45 Minuten installiert
Doch seit wenigen Monaten steht hier am Standort in Bad Oldesloe Abhilfe bereit: Es ist ein Anhänger, auf dem Dutzende Bauzaunelemente aufgeladen sind. Jedes Element ist 2,20 Meter lang und zwei Meter hoch. Zusammengefügt lässt sich so ein Zaun von 100 Metern Länge errichten. Auf sämtlichen Zaunelementen ist eine graue Plane angebracht. Dieser Sichtschutz soll die dahinter liegenden Rettungskräfte schützen.
Das Konzept hat allerdings einen Haken: Für jeden Einsatz muss der Sichtschutz von der Autobahnmeisterei zur Unfallstelle gebracht werden. Und dann muss der Zaun aufgebaut werden. Insgesamt könnten so schnell mal 45 Minuten vergehen, schätzt Stefan Klempau. Trotzdem hält er den Zaun für eine gute Idee. Vor einem knappen Monat sei er erstmals nach einem schweren LKW-Unfall eingesetzt worden − und habe sich bewährt.
"Ich denke, das löst das Problem komplett. Ich denke, wenn jede Meisterei so was hätte, würde es Sinn machen, ja."
Ähnliche Gafferzäune wurden erstmals vor dreieinhalb Jahren in Nordrhein-Westfalen eingesetzt. Bis zum Februar 2018 gab es mehr als 100 Einsätze. Mit positivem Effekt, wie es beim nordrhein-westfälischen Straßenbetrieb heißt: Die Retter könnten ungestörter arbeiten. Und auch das Risiko von Auffahr- oder Stauenden-Unfällen nehme ab. Auch andere Bundesländer sind nachgezogen, so wie kürzlich Schleswig-Holstein.
Probleme bei starkem Wind
Neben Bad Oldesloe steht seit wenigen Monaten auch in Elmshorn nahe der A7 ein solcher Gafferzaun bereit. Bewähre sich der Zaun, würden voraussichtlich auch andere Autobahnmeistereien einen Anhänger mit den Sichtschutzelementen erhalten, sagt Torsten Conradt. Er leitet den schleswig-holsteinischen Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr. Das Geld steuere der Bund bei, der auch Eigentümer der Autobahnen ist:
"Also wir haben für die beiden Anhänger jetzt so in der Größenordnung 86.000 Euro bezahlt. Da sind jeweils 100 Meter Sichtschutzzaun drauf, aber es ist eben auch der Anhänger, dementsprechende Befestigungspunkte. Weil wir ja einen großen Diskussionspunkt hatten, wie diese Flächen, die dann entstehen, sich bei Wind verhalten."
Bis Windstärke 5 halte der Zaun aus, wie Erfahrungen aus Nordrhein-Westfalen gezeigt hätten.
Ein solcher Sichtschutz könne eine Hilfe sein, aber kein Patentrezept, heißt es vom schleswig-holsteinischen Feuerwehrverband mit Blick auf das Gafferproblem.
Gaffer beobachten sogar Reifenpannen
Ähnlich sieht es auch Rüdiger Schwarz. Er leitet das Revier der Autobahnpolizei an der A7 bei Neumünster. Das eigentliche Problem liege in den Köpfen:
"Das ist ich glaube menschliche Neugier. Wenn irgendwo was Besonderes ist, dann guckt man hin."
Bei fast jedem Unfall auf der Autobahn trete das Gafferproblem auf. Dafür reiche schon ein "harmloser" Anlass. Zum Beispiel, als kürzlich ein Wohnmobil auf der Autobahn eine Reifenpanne hatte und sich auf der Gegenseite ein Stau bildete. Weil auf der Autobahn eigentlich mit Höchstgeschwindigkeit gefahren wird, sei das besonders gefährlich, sagt Rüdiger Schwarz.
Was es bräuchte, sei ein Umdenken bei den Menschen. Jeder solle mal überlegen, was es bedeuten würde, wenn er das Unfallopfer sei, sagt der Polizist. Allerdings ist er skeptisch, ob das gelingt:
"Aber wenn jeder ein bisschen an sich arbeitet und einfach dran denkt, dass er damit letztendlich nicht nur Arbeit behindert und vielleicht auch verhindert und eigentlich Arbeit vor Ort stört und auch noch selber 'ne Gefahr darstellt – dann kann man vielleicht ein bisschen was bewegen."