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Rettungsoperationen nach Erdbeben
Einsatz nur nach internationalem Hilfsersuchen

I.S.A.R. Germany ist eine kleine Hilfsorganisation, die auf die Suche und die Rettung von Erdbebenopfern spezialisiert ist. Man sei von den Vereinten Nationen zertifiziert und könne sich zehn Tage autark versorgen, sagte Pressesprecher Stefan Heine im DLF. Das sei wichtig, um den Ländern in den Katastrophengebieten nicht zusätzlich zur Last zu fallen.

Stefan Heine im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 28.04.2015
    Ein Helfer trägt nach dem Erdbeben in Nepal Heiligenfiguren aus den Trümmern eines Tempels.
    Ein Helfer trägt nach dem Erdbeben in Nepal Heiligenfiguren aus den Trümmern eines Tempels. (Imago / Xinhua)
    Dirk-Oliver Heckmann: I.S.A.R. Germany, das steht für International Search and Rescue, eine Hilfsorganisation, die auf die Suche und die Rettung von Erdbebenopfern spezialisiert ist. 52 Helfer aus neun Bundesländern sind gerade mit einer Sondermaschine in diesen Minuten in Kathmandu gelandet, unter ihnen Stefan Heine. Wir versuchen, mit ihm zu sprechen über sein Mobiltelefon. Herr Heine, welches Bild ergibt sich für Sie jetzt, kurz nach der Landung?
    Stefan Heine: Momentan ist hier alles noch sehr überschaubar. Wir haben auf dem Herflug aus dem Flugzeug gesehen, dass mehrere Ortschaften anscheinend schwer beschädigt sind, andere wiederum fast überhaupt nicht. Das deckt sich mit dem, was auch viele unserer Partnerorganisationen hier berichtet haben. Es ist total unterschiedlich. Und hier am Flughafen selbst, man könnte denken, es ist nichts passiert. Der Flughafen ist nicht weiter zerstört, es geht eigentlich alles seinen gewohnten Gang. So unterschiedlich sind die Bilder, die man hier erlebt.
    Heckmann: Was haben Sie denn an Hilfsgütern dabei und was sind Ihre ersten Schritte?
    Heine: Wir sind, Sie haben es schon gesagt, 52 Mann, die spezialisiert sind auf die Suche und Rettung von Verschütteten. Wir haben sieben Rettungshunde-Teams dabei. Man muss da immer dazu sagen, dass die Leistung der Hunde, die Hundenase von nichts übertroffen werden kann, auch heute nicht mit modernster Technik. Das ist eigentlich das effizienteste Mittel, um Verschüttete unter den Trümmern zu finden. Aber es gibt noch Ortungstechnik, die wir auch einsetzen, Horchgeräte zum Beispiel. Wenn jemand unter den Trümmern ist und noch rufen kann und klopfen kann, weint oder irgendwie anders auf sich aufmerksam machen kann, dann können mit diesen Ortungsgeräten, mit diesen Schallortungsgeräten, diese Schallwellen um bis zu eine Million Mal verstärkt werden und man kann dann genau orten, wo unter den Trümmern eine verschüttete Person liegt. Man kann aber auch Suchkameras einsetzen, auch das tun wir.
    Dann haben wir natürlich auch Experten dabei, die wir genau dann einsetzen, wenn eine Person unter den Trümmern geortet wurde, nämlich dann muss sie aus den Trümmern befreit werden. Das ist wirklich eine besondere Aufgabe, weil man sich durch sehr instabile Konstruktionen durchkämpfen muss, um an die Person ranzukommen, und dafür braucht man die Spezialisten. Und wir haben auch Ärzte dabei, Sanitäter, Krankenschwestern, die in einem Feldlazarett arbeiten, um die Vielzahl an Verletzten, die es hier gibt, dann auch adäquat mit versorgen zu können. Wir werden da unseren Beitrag zu leisten, auf allen Ebenen zumindest mitzuhelfen, dass es hier wieder besser wird.
    Einsatz nach bestimmten Spielregeln
    Heckmann: Herr Heine, die Tonqualität dieser Handy-Verbindung ist relativ schlecht. Trotzdem noch zwei letzte Fragen. Hier in Deutschland, Herr Heine, gibt es hinter vorgehaltener Hand Kritik an kleineren Hilfsorganisationen wie der Ihren. Der Vorwurf lautet, sie reisten los, ohne genau zu wissen, wo Sie eingesetzt werden. Wissen Sie das, wo Sie eingesetzt werden?
    Heine: Diese Kritik taucht immer wieder auf. Das mag bei der einen oder anderen Organisation sicherlich auch berechtigt sein, ohne da jetzt ein abschließendes Urteil zu fällen. I.S.A.R. Germany gehört zu den zwei Organisationen, die durch die Vereinten Nationen zertifiziert sind für solche Einsätze, und um zertifiziert zu werden, muss man verschiedene Anforderungen und Kriterien erfüllen. Das heißt auch, dass man sich zum Beispiel an die Spielregeln der Vereinten Nationen hält. Da gehört zum einen dazu, dass, wenn man in solche Katastrophengebiete fährt, man sich zehn Tage autark versorgen können muss. Man darf sozusagen den ja schon gebeutelten Ländern in der Katastrophenregion nicht mehr auf der Tasche liegen. Das heißt, wir bringen Wasser mit, wir bringen Nahrungsmittel mit, wir haben alles mit dabei für mindestens zehn Tage. Und bevor wir hier herfahren, ist eines ganz wichtig: Wir brauchen ein internationales Hilfsersuchen des jeweiligen Landes. Das gab es am Samstagmittag und deshalb sind wir auch zum Einsatz gekommen. Dass wir hier in dieser Krisenregion zum Einsatz kommen, auch das ist im Vorfeld mit den Vertretern der Vereinten Nationen hier vor Ort geklärt worden. Ich stehe jetzt hier gerade in diesem Moment vor dem Empfangszentrum der Vereinten Nationen am Flughafen von Kathmandu und hier wird man von den Mitarbeitern in Empfang genommen und bekommt dann schon erste Aufträge, beziehungsweise man bekommt Hinweise, wo man sich hinwenden kann, man kann mit örtlichen Behörden Verbindung aufnehmen.
    Das sind die Spielregeln, nach denen alle, die professionell in diesem Bereich arbeiten, tätig werden und das tun wir auch. Aber es stimmt: Es ist immer wieder so, dass es auch Organisationen gibt, die aus blauem Dunst, wie man so schön sagt, losfahren, und da sind die Erfahrungen aus der Vergangenheit, dass es so nicht kommen soll, und deshalb gibt es diese Spielregeln. Aber wie gesagt, manche halten sich da nicht dran.
    Heckmann: Stefan Heine war das, live vom Flughafen Kathmandu, Stefan Heine von der Hilfsorganisation I.S.A.R. Germany. Ich danke Ihnen für das Gespräch und viel Erfolg bei Ihrer Arbeit.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.