Die Coronakrise hat die Geschäfte der Lufthansa mit Ausnahme der Fracht fast zum Erliegen gebracht. Erst langsam fährt sie ihr Angebot wieder hoch. Das Unternehmen macht jeden Tag Millionenverluste. Wochenlang war über eine staatliche Rettung spekuliert worden, jetzt steht fest: Die Bundesregierung wird der Lufthansa mit einem Finanzpaket im Gesamtumfang von neun Milliarden Euro unter die Flügel greifen.
Im Gegenzug muss das Unternehmen auf künftige Dividendenzahlungen verzichten, und es soll eine Beschränkung der Management-Vergütungen geben. Außerdem verpflichtet sich der Konzern, seine Flotte mit Flugzeugen zu erneuern, die weniger Sprit verbrauchen. Die EU-Kommission, der Aufsichtsrat der Lufthansa und die Hauptversammlung müssen der Einigung zwischen Regierung und Unternehmen noch zustimmen.
Nach der Rettung durch den deutschen Staat haben bei der Lufthansa harte Verhandlungen über Einsparungen beim Personal begonnen. Die Gewerkschaft Verdi verlangt für die rund 35.000 von ihr vertretenen Beschäftigten einen besseren Schutz vor Jobverlusten und warnt vor einer Zerschlagung des Konzerns. Verdi verhandelt als eine von drei Gewerkschaften über Sparbeiträge der Beschäftigten zur Bewältigung der Corona-Flaute. Sie vertritt vor allem das Boden- und Technikpersonal.
Lufthansa-Aktionäre stimmen zu Rettungspaket ab
Kurz vor der Hauptversammlung signalisierte der Großaktionär Heinz Hermann Thiele, dass er das mit der Bundesregierung ausgehandelte Sanierungspaket trotz anfänglicher Bedenken nicht blockieren werde.
Die Aktionäre der Lufthansa haben am Donnerstag (25. Juni) mit deutlicher Mehrheit (98,04 Prozenz) für eine Kapitalerhöhung gestimmt, mit der der Bund mit 20 Prozent bei der Fluggesellschaft einsteigt, wie Aufsichtsratschef Karl-Ludwig Kley sagte. Auf einer außerordentlichen Hauptversammlung schufen sie damit die Voraussetzung für ein neun Milliarden schweres staatliches Rettungspaket. Davon sollen 5,7 Milliarden Euro als Stille Einlagen eingebracht werden.
Die zur Lufthansa-Gruppe gehörende österreichische Austrian Airlines erhält ebenfalls ein Rettungspaket von ingesamt 600 Millionen Euro. Davon kommen 450 Millionen von der Österreich und 150 Millionen vom Mutterkonzern Lufthansa. Bei der vom Staat zur Verfügung gestellten Hilfe handelt es sich den Angaben zufolge um einen 300 Millionen Euro schweren staatlich garantierten Bankkredit sowie 150 Millionen Euro Direktzuschuss. Die Hilfen sind an Bedingungen geknüpft: Zum einen sollen Klimaziele erreicht werden und Flugtickets sollen einen Mindestpreis von 40 Euro kosten.
Wie viel staatliche Mitsprache ist angebracht?
Konkret soll der Wirtschaftsstabilisierungsfonds der Regierung 20 Prozent der Lufthansa-Aktien im Wert von 300 Millionen Euro erwerben, dazu kommen zwei stille Beteiligungen im Wert von 5,7 Milliarden Euro. Drei Milliarden Euro trägt die Förderbank KfW. Außerdem wird der Bund über zwei Mandate im Aufsichtsrat vertreten sein, wobei die Mandate an unabhängige Experten vergeben werden sollen.
Eine Sperrminorität, mit der wichtige Entscheidungen blockiert werden könnten, hat der Bund damit noch nicht. Der dafür nötige Aktienanteil von 25 Prozent plus einer weiteren Aktie soll als Option erst im Notfall hinzugekauft werden, falls zum Beispiel eine feindliche Übernahme droht. Dies ist durch eine sogenannte Wandelschuldverschreibung über die fehlenden fünf Prozent plus Aktie abgesichert.
Das ausgehandelte Paket ist löste unterschiedliche Reaktionen aus. Thomas Lutze (Die Linke) begrüßt zwar das Hilfspaket, er fordert jedoch weitere staatliche Mitsprache.
Es sei zwar richtig, dass der deutsche Staat der Lufthansa mit neun Milliarden Euro aushelfe,
sagte der Linken-Politiker Thomas Lutze
im Dlf. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier habe aber einen entscheidenden Fehler gemacht, so Lutze. Die Bundesrepublik Deutschland müsse als Anteilseigener am Unternehmen der Lufthansa automatisch eine Sperrminorität haben - nicht nur im Notfall, wie es die jetzige Regelung vorsehe. Das werde auch in der freien Wirtschaft so gehandhabt. Michael Theurer (FDP) hingegen sieht in der Einigung die Gefahr einer Teilverstaatlichung oder Verstaatlichung des Konzerns, die zu einer Wettbewerbsverzerrung führen könnte.
Zigtausende Arbeitsplätze müssten gesichert werden
Die Linksfraktion sorge sich vor allem um die Beschäftigten, betonte Lutze. 35.000 Menschen seien direkt bei Lufthansa beschäftigt, noch einmal so viele im Umfeld des Konzerns. In das Rettungspaket müsse darum eine Bedingung aufgenommen werden, dass der Bund als Gesellschafter die Möglichkeit hat - in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften, den Betriebsräten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern - Arbeitsplätze zu sichern.
Der zweite Kritikpunkt betrifft die Rückerstattung von Tickets, die aufgrund der Coronakrise nicht eingelöst wurde. Einige Kunden warteten schon seit März auf ihr Geld, kritisiert Lutze. Die Lufthansa habe für eine Rückerstattung auch ohne das Rettungspaket ausreichend Mittel zur Verfügung.
Gefahr für Eingriff ins Tagesgeschäft nicht gegeben
In beiden Fällen - bei der Sicherung von Arbeitsplätzen und bei der Rückerstattung von Tickets - müsse der Anteilseigner Bund auch die Möglichkeit haben, seinen Einfluss geltend zu machen, forderte Lutze.
Die Gefahr eines Eingriffs in das operative Geschäft sieht Lutze durch die Einigung zwischen Regierung und Lufthansa nicht. Für das operative Geschäft "braucht man letztendlich Manager und auch Personalräte, die dort ordentliche Arbeit machen, damit die Firma läuft". Der Konzern müsse privatrechtlich bleiben, nur so könne er im internationalen Wettbewerb mit meist privatrechtlichen Konkurrenten bestehen.
Theurer (FDP): "Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer"
Der
FPD-Politiker Michael Theurer
warnte hingegen vor einer "Verstaatlichungsserie", zu der die Einigung zwischen Lufthansa und der Bundesregierung den Einstieg bilden könnte. "Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds darf nicht zu einer Treuhand 2.0 werden, weil das negative Auswirkungen auf den Wettbewerb hat", so Theurer im Dlf.
Eine direkte Beteiligung von 20 Prozent und weiteren fünf Prozent über eine Wandelanleihe - das sei keine Finanzhilfe mehr, damit werde der Staat "strategischer Investor", warnte Theurer. Das Argument, man müsse feindliche Übernahmen verhindern können, lässt Theurer nicht gelten: "Die Bundesregierung selbst hat auf eine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion erklärt, dass überhaupt keine feindlichen Übernahmen im Moment im Raum stehen."
Klimaschutzziele nicht nur für die Lufthansa
Die FDP fordert "einen festen und verbindlichen Wiederausstiegszeitpunkt" der Bundesrepublik aus dem Unternehmen. Sie lehnt auch die Forderungen nach einer Berücksichtigung von Klimaschutzzielen oder Standortinteressen ab. Dafür brauche es einen Ordnungsrahmen für alle, keine "staatlichen Einzeleingriffe in unternehmerische Entscheidungen", betonte Theurer. "Wir wollen einen strikten CO2-Deckel über einen funktionierenden Emissionshandel in Europa."
EU genehmigt Rettungpaket - aber nicht ohne Bedingungen
Die Wettbewerbshüter der EU-Kommission haben das Lufthansa-Rettungspaket freigegeben. Die EU-Kommission hat ihre Zustimmung aber an Bedingungen geknüpft. Die Freigabe der Rekapitalisierungshilfen in Höhe von sechs Milliarden Euro unterliegt der Bedingung, dass die größte deutsche Fluggesellschaft Verpflichtungen zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen einhält. Zu diesen zählt, dass die Lufthansa Start- und Landerechte an den Hauptstandorten Frankfurt am Main und München abgeben muss. Dies soll es der Konkurrenz ermöglichen, eine Basis mit bis zu vier Flugzeugen an den Standorten aufzubauen.