"Als im letzten Akt des Dramas das Volk, von einem Verräter gestachelt, seinen Führer erschlägt, erheben sich spontan die 5000 Menschen, die Bühne ward zur Tribüne der Zeit."
Diese 5000 erlebten gerade die Uraufführung von Ernst Tollers "Maschinenstürmern" in einer ehemaligen Berliner Zirkushalle, die Max Reinhardt zum Großen Schauspielhaus hatte umbauen lassen. Ein paar Tage zuvor war Walther Rathenau von Rechtsextremisten erschossen worden.
Toller selbst musste sich von all dem berichten lassen, um später in seiner Autobiografie "Eine Jugend in Deutschland" darüber schreiben zu können, denn er saß wie weitere Mitstreiter für die Räterepublik im Festungsgefängnis Niederschönenfeld am Lech.
"Ich presse meine Stirn an Eisensäulen,
Die Hände rütteln ihre Unrast wund,
Ich bin viel ärmer als ein armer Hund,
Ich bin des angeschoss'nen Tieres Heulen."
Im Unterschied zum ersten sogenannten Gefängnisdrama "Masse-Mensch", das Toller innerhalb kürzester Zeit herunterschrieb, seine Erfahrungen mit der Installierung und Demontage der Räterepublik in München verarbeitend, entstanden die "Maschinenstürmer" als sorgfältig ausgearbeitete Botschaft. Am 27. Januar 1921 schrieb er aus der Haft an seine Freundin Netty Katzenstein:
"Ich habe mein Drama zum fünften Mal zerbrochen. Ich glaubte, was mich bewegte, in Worte geformt zu haben, blickte ich die Worte ein paar Tage später an, standen sie nackt da, nüchtern. Wie sehr kommt es in der Kunst auf die Gestaltung der Imponderabilien an. Sie sind die Seele des Werks.
Wie mein Stück wird, weiß ich noch nicht. Ich gehe für mich neue Wege."
Toller, der ehemalige Kriegsfreiwillige, zum Pazifisten gewandelte USPD-Funktionär und Schriftsteller, Zögling seines Kollegen Gustav Landauer wie des bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner, beide waren 1919 ermordet worden, verfocht eine "Revolution der Liebe", den gewaltlosen Kampf der unterdrückten Klasse mittels Geist und Vernunft. In den "Maschinenstürmern" ist er Jimmy Cobbett, der 1815 im frühindustriellen englischen Nottingham einen Weberaufstand gegen die Einführung neuer mechanischer Maschinen durch Verhandlungen beilegen, das heißt, dem Fabrikbesitzer bessere Bedingungen für die Arbeiter samt mitschuftenden Frauen und Kindern abtrotzen möchte. Cobbetts Credo: Nicht gegen die Maschine, gegen die Ausbeuter müsst ihr kämpfen. Nicht mit dem Knüppel, sondern mit dem Kopf.
"Es leben andere Feinde, gewaltiger als das Gerüst von Eisen, Schrauben, Drähten, Holz, das man Maschine nennt."
Die rebellierenden Weber, zunächst hin- und hergerissen zwischen dem Versprechen humanerer Beschäftigung und der Wut auf den Arbeitsplätze vernichtenden Webstuhl, entscheiden sich zuletzt für den "Krieg gegen den Tyrannen Dampf" und erschlagen den Sozialromantiker und Idealisten Cobbett als vermeintlichen Kollaborateur vor dem fauchenden Ungetüm.
"Was wollt Ihr?
Herrschen wie die Herren...Knechte!
Drücken wie die Herren...Knechte!
Wohlleben wie die Herren...Knechte!"
Der Stoff ist historisch verbrieft, Toller nennt sein Stück im Untertitel "ein Drama aus der Zeit der Ludditenbewegung in England in fünf Akten und einem Vorspiel". Ned Lud, Namensgeber dieser Aufständischen, ist der Gegenspieler Cobbetts, für dessen Agitationsmechanismen es damals noch reichlich früh war. 1815 konnte ihn kein Karl Marx auf die Zielgerade bringen. Der Dramatiker Toller freilich hatte seinen Theoretiker ausführlich studiert und arbeitete sich am Klassenbewusstsein des Proletariats ab, anders als ein Gerhard Hauptmann, dessen erbarmungswürdige Weber noch hauptsächlich von den "Verhältnissen" getrieben werden. Die "Maschinenstürmer" wechseln ständig die Spur zwischen Alltagsdialogen und griechischem Tragödienduktus, ein Shakespearscher Bettler philosophiert, das Vorspiel im britischen Oberhaus drängt zur Parabel. John Heartfield hatte ein bombastisches Räderwerk auf die Bühne gestellt; dem erprobten Toller-Regisseur Karl-Heinz Martin geriet die Uraufführung zur expressionistischen Stilübung: Die Nottinghamschen Massen zogen auf und wieder ab.
Ein konservativer Kritiker nannte die Inszenierung eine "Revolutionsposaune":
"Da wird das neue Arbeiterlied Tollers, die Nationalhymne seiner Majestät des roten Volkes, für zwei Mark in einem gut lesbaren Abdruck an alle Besucher zum Gleich-Mitsingen verteilt. Ich habe nachher Tollers Drama in Ruhe gelesen. Da erst habe ich auch seine unleugbaren Schönheiten erkannt. Dieser talentierte Wirrkopf kommt allmählich zur Besinnung, nachdem er sich selbst ins Unglück gestürzt hat. Im Theater spielt man ihn als Agitator. Er ist wirklich ein Dichter."
Ob der Mann wusste, dass die Tantiemen des Dichters an die Internationale Arbeiterhilfe gingen?
Diese 5000 erlebten gerade die Uraufführung von Ernst Tollers "Maschinenstürmern" in einer ehemaligen Berliner Zirkushalle, die Max Reinhardt zum Großen Schauspielhaus hatte umbauen lassen. Ein paar Tage zuvor war Walther Rathenau von Rechtsextremisten erschossen worden.
Toller selbst musste sich von all dem berichten lassen, um später in seiner Autobiografie "Eine Jugend in Deutschland" darüber schreiben zu können, denn er saß wie weitere Mitstreiter für die Räterepublik im Festungsgefängnis Niederschönenfeld am Lech.
"Ich presse meine Stirn an Eisensäulen,
Die Hände rütteln ihre Unrast wund,
Ich bin viel ärmer als ein armer Hund,
Ich bin des angeschoss'nen Tieres Heulen."
Im Unterschied zum ersten sogenannten Gefängnisdrama "Masse-Mensch", das Toller innerhalb kürzester Zeit herunterschrieb, seine Erfahrungen mit der Installierung und Demontage der Räterepublik in München verarbeitend, entstanden die "Maschinenstürmer" als sorgfältig ausgearbeitete Botschaft. Am 27. Januar 1921 schrieb er aus der Haft an seine Freundin Netty Katzenstein:
"Ich habe mein Drama zum fünften Mal zerbrochen. Ich glaubte, was mich bewegte, in Worte geformt zu haben, blickte ich die Worte ein paar Tage später an, standen sie nackt da, nüchtern. Wie sehr kommt es in der Kunst auf die Gestaltung der Imponderabilien an. Sie sind die Seele des Werks.
Wie mein Stück wird, weiß ich noch nicht. Ich gehe für mich neue Wege."
Toller, der ehemalige Kriegsfreiwillige, zum Pazifisten gewandelte USPD-Funktionär und Schriftsteller, Zögling seines Kollegen Gustav Landauer wie des bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner, beide waren 1919 ermordet worden, verfocht eine "Revolution der Liebe", den gewaltlosen Kampf der unterdrückten Klasse mittels Geist und Vernunft. In den "Maschinenstürmern" ist er Jimmy Cobbett, der 1815 im frühindustriellen englischen Nottingham einen Weberaufstand gegen die Einführung neuer mechanischer Maschinen durch Verhandlungen beilegen, das heißt, dem Fabrikbesitzer bessere Bedingungen für die Arbeiter samt mitschuftenden Frauen und Kindern abtrotzen möchte. Cobbetts Credo: Nicht gegen die Maschine, gegen die Ausbeuter müsst ihr kämpfen. Nicht mit dem Knüppel, sondern mit dem Kopf.
"Es leben andere Feinde, gewaltiger als das Gerüst von Eisen, Schrauben, Drähten, Holz, das man Maschine nennt."
Die rebellierenden Weber, zunächst hin- und hergerissen zwischen dem Versprechen humanerer Beschäftigung und der Wut auf den Arbeitsplätze vernichtenden Webstuhl, entscheiden sich zuletzt für den "Krieg gegen den Tyrannen Dampf" und erschlagen den Sozialromantiker und Idealisten Cobbett als vermeintlichen Kollaborateur vor dem fauchenden Ungetüm.
"Was wollt Ihr?
Herrschen wie die Herren...Knechte!
Drücken wie die Herren...Knechte!
Wohlleben wie die Herren...Knechte!"
Der Stoff ist historisch verbrieft, Toller nennt sein Stück im Untertitel "ein Drama aus der Zeit der Ludditenbewegung in England in fünf Akten und einem Vorspiel". Ned Lud, Namensgeber dieser Aufständischen, ist der Gegenspieler Cobbetts, für dessen Agitationsmechanismen es damals noch reichlich früh war. 1815 konnte ihn kein Karl Marx auf die Zielgerade bringen. Der Dramatiker Toller freilich hatte seinen Theoretiker ausführlich studiert und arbeitete sich am Klassenbewusstsein des Proletariats ab, anders als ein Gerhard Hauptmann, dessen erbarmungswürdige Weber noch hauptsächlich von den "Verhältnissen" getrieben werden. Die "Maschinenstürmer" wechseln ständig die Spur zwischen Alltagsdialogen und griechischem Tragödienduktus, ein Shakespearscher Bettler philosophiert, das Vorspiel im britischen Oberhaus drängt zur Parabel. John Heartfield hatte ein bombastisches Räderwerk auf die Bühne gestellt; dem erprobten Toller-Regisseur Karl-Heinz Martin geriet die Uraufführung zur expressionistischen Stilübung: Die Nottinghamschen Massen zogen auf und wieder ab.
Ein konservativer Kritiker nannte die Inszenierung eine "Revolutionsposaune":
"Da wird das neue Arbeiterlied Tollers, die Nationalhymne seiner Majestät des roten Volkes, für zwei Mark in einem gut lesbaren Abdruck an alle Besucher zum Gleich-Mitsingen verteilt. Ich habe nachher Tollers Drama in Ruhe gelesen. Da erst habe ich auch seine unleugbaren Schönheiten erkannt. Dieser talentierte Wirrkopf kommt allmählich zur Besinnung, nachdem er sich selbst ins Unglück gestürzt hat. Im Theater spielt man ihn als Agitator. Er ist wirklich ein Dichter."
Ob der Mann wusste, dass die Tantiemen des Dichters an die Internationale Arbeiterhilfe gingen?