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Revolution oder quälende Langeweile?

Die Sinne verwirren und neue Handschriften setzen - das versucht das "Young Directors Project" in Salzburg. Es setzt weniger auf große Stars, als auf originelle Einfälle und junge Talente. Doch nicht immer gelingt das Experiment.

Von Sven Ricklefs |
    Wer von dieser Inszenierung von Angela Richter spricht, sollte und muss zunächst einmal von dem Bühnenraum von Katrin Brack sprechen, dieser magischen Lichtinstallation aus baumelnden Glühbirnen, die als leuchtendes Labyrinth schon bei der letzten gemeinsamen Produktion der beiden Frauen, dem "Fall Esra" nach Maxim Biller zur Verfügung stand.

    Dieser bunt aufleuchtende Raum, in dem sich der Blick wunderbar verlieren kann, weil er endlos wirkt, dieser Raum entfaltet eine ganz eigene Poesie, die eigentlich in einen guten Kontrast treten könnte zu Jon Fosses sehr reduziertem sehr strengen Text. Fosse hat mit seiner lakonischen und völlig pathosfreien Sprache den Mythos aus den drei Sophokles-Stücken "König Ödipus", Ödipus in Kolonos" und "Antigone" sprachlich behutsam in ein hier und heute geholt. Nur müsste man in diesem hier und heute damit auch etwas anzufangen wissen.
    "Ödipus: Zeus, was für ein Schicksal hast du mir auferlegt.
    Iokaste: Warum König Ödipus hast du solche Angst?
    Ödipus: Frag nicht!"

    Angela Richter stammt aus der Hamburger Kiez Subkultur der 90er-Jahre, aus der auch Künstler wie Daniel Richter oder Jonathan Messe stammen. Das heißt, die Regisseurin kommt eigentlich aus dem performativen und bildnerischen Kontext, darum verwundert es um so mehr, dass sie nun in Salzburg dem Text von Jon Fosse und dem Raum von Katrin Brack so wenig entgegenzusetzen hat.

    Was man spürt, ist der Wille der Regisseurin etwas anders zu machen, der Wille, das Bühnengeschehen auf jeden Fall auch zu entpsychologisieren. Doch dabei setzt die Regisseurin dann ganz auf Stellungstheater, d.h. ihre Schauspieler stehen halt zwischen den Glühbirnen meist starr herum, bedarfsweise darf man sich mal weiße antikisierende und durch Mund und Nasenlöcher anonymisierende Masken aufsetzen, und: Wer Großes zu sagen hat, muss aufs Kistchen steigen.
    "Chor: Warum haben sie ihren Sohn nach Delphi geschickt, wenn sie ihn doch zurück haben wollen. Die Mutter sollte davon ausgenommen sein, dass er seine seltsamen ins Leere gerichteten Triebe ausbildet. Sie haben ihm doch den Antrieb gegeben, Frau!"
    "Ödipus in Kolonos" spielt dann völlig im Dunklen, in dem nur noch die Glühbirnen irrlichtern, unglücklicherweise sind aber auch die Schauspieler nicht wirklich gut genug, um dieses reine Hörstück zu tragen. Und so weiß man leider am Schluss nicht wirklich, warum man sich gestern Abend den Ödipus-Mythos bei den diesjährigen Salzburger Festspielen nach Peter Steins lähmendem "Ödipus in Kolonos" nun schon zum zweiten Mal und diesmal als Avangarde-Anstrengung antun musste.

    Anstrengend auch eine weitere Produktion, die bereits vor einigen Tagen beim "Young Directors Project" zu Gast war: "Notre Terreur", bei der der Regisseur Sylvain Creuzevault mit seiner Pariser Gruppe "d'ores et déjà" versucht, die Schreckensherrschaft Robbespieres nach dem Tod des großen Beschwichtigers Danton darzustellen. Um dabei das Ambiente des Wohlfahrtsausschusses aufscheinen zu lassen, lässt Creuzevault an einem langen Tisch zwischen zwei Zuschauertribünen spielen, um so zugleich das Ringen um Politik und oftmals blutige Entscheidungen als gruppendynamischen Prozess zu zeigen.

    "Notre Terreur" ist auf der Basis einer historischen Recherche entstanden, soll wohl aber zugleich eine aktuelle politische Diskussion reflektieren, die sich nicht nur im Probenprozess sondern auch während der inzwischen über 50 Vorstellungen weiterentwickelt. Das allerdings vermittelte sich nun in Salzburg nicht mehr wirklich, "Notre Terreur" kommt dann doch daher als eine Art Zurschaustellung hochkomplexer politischer Verhältnisse, durchaus pathetisch heruntergebrochen auf die bekannten Protagonisten aus dem Wohlfahrtsausschuss. Und auch wenn die Inszenierung immer wieder versucht, durch Ansätze von Slapstick die eigene Ernsthaftigkeit zu brechen, so kann sie letztlich doch der Ermüdung, die sie hervorruft, nicht wirklich etwas entgegensetzen.