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Revolutionäre Medien

Die Tageszeitung "die taz" lädt an diesem Wochenende zum Zukunftslabor ein. Auf dem Medienkongress wird darüber diskutiert, wie ausschlaggebend das Internet für die Entstehung und den Erfolg der revolutionären Bewegungen im Iran oder in Nordafrika war.

Von Vera Linß |
    Eigentlich sollte es um ganz andere Themen gehen im taz-Zukunftslabor. Diskutieren wollte man die Aussichten der eigenen Zunft, sprich: der Qualitätspresse, angesichts der Herausforderungen durch das Internet. Doch dann kam alles anders, erklärt taz-Chefredakteurin Ines Pohl.

    "Als wir den Kongress geplant haben vor einem halben Jahr, haben wir überhaupt nicht wissen können, was sich in Arabien abspielt. Wir haben wirklich an die Medienrevolution gedacht. Wir haben aber angesichts der Entwicklung nachjustiert und werden die Bedeutung, die das Internet bei der arabischen Revolution gespielt hat, zu 'nem Schwerpunkt dieses Kongresses machen."

    Und der begann am gestrigen Abend gleich mit einem ernüchternden Statement des weißrussischen Internetkritikers Ewgeni Morozow. Statt die Möglichkeiten des Netzes für demokratische Bewegungen zu feiern, warnte der Medienwissenschaftler vor dem gefährlichen Potenzial des Internets.

    "Das war in den 90ern sehr populär zu sagen: Das Internet zerstört alle Grenzen, bringt Demokratie und unterstützt die Globalisierung. Aber das hat sich nicht erfüllt. Wir schreiben dem Internet Qualitäten zu, die es nicht hat."

    Im Gegenteil. Zwar anerkennt auch Morozow, dass demokratische Umwälzungen durch das Netz befördert werden. Gleichzeitig könne man jedoch beobachten, dass Regierungen durch die Neuen Medien auch neue Instrumente der Kontrolle entwickelten. Wie etwa in China, wo die sogenannte 50-Cent-Armee gezielt Blogs unterwandert und regierungsfreundliche Kommentare postet. Für Morozow ist klar: Das Internet macht es Regierungen sogar leichter, ihre Politik anzupassen, wie er am Beispiel Russlands erklärt.

    "Sie können in Echtzeit beobachten, was passiert. Wenn man ein Land wie Russland nimmt, das riesig groß ist, da war es in der Vergangenheit schwer herauszufinden, was in Sibirien passiert ist. Jetzt hat man Blogger, die decken Missstände auf, die zeigen, welche Bürokraten korrupt sind. Und dadurch weiß natürlich die Regierung, was schief läuft, kann effektiver handeln und korrupte Leute rausschmeißen. Aber das führt nicht zu einer größeren Demokratisierung. Vorher wurden Gelder im lokalen Bereich verschoben, jetzt passiert das eben auf nationaler Ebene."

    Die Bloggerin Mona Saif hat die Wirkung des Internets aus einer anderen Perspektive erlebt. Saif war Teil der sogenannten Facebook-Revolution in Ägypten, wo vor allem junge Leute online Informationen ausgetauscht und Aktionen organisiert hatten. Die Wissenschaftlerin von der Uni Kairo demonstrierte nicht nur auf dem Tahrir-Platz. Über Twitter hatte sie auch offen zu Protesten aufgerufen. Durch das Internet fühlt sich Saif geschützt.

    "Denn du und auch das Regime, gegen das du kämpfst, weiß: Wenn sie dich festnehmen oder dich auf irgendeine Weise attackieren, bekommst du mehr öffentliche Unterstützung, als andere."

    Auch die tunesische Bloggerin Lina Ben Mhenni sieht vor allem die Chancen, die das Internet bietet. Ohne das Netz, glaubt Mhenni, wäre der Umbruch in Tunesien anders verlaufen.

    "2008 gab es im Süden des Landes eine Protestbewegung, die nicht erfolgreich verlief, da die Regierung die Medien kontrollierte. Informationen konnten nicht verbreitet werden. Ich denke, wenn das Internet nicht gewesen wäre, hätte die Revolution nicht gesiegt oder es hätte viel länger gedauert."

    Anders verlaufen wäre auch die Zukunft Karl-Theodor zu Guttenbergs, hätte es das Internet nicht gegeben. Erst durch das Netz habe sich der Frust multipliziert, der zum Rücktritt des Ministers geführt habe, sagt Johannes Staemmler. Für den Politikwissenschaftler aus Berlin ist das Internet ein Multiplikationsmedium, …

    "... in dem potenziell jedes Thema, die Chance hat, ganz große zu werden. Das merkt man auch in den Ländern, die tatsächlich dieses revolutionäre Moment erleben, aber eben auch in einer Demokratie, wie hier, dass man das gängige politische Geschäft dadurch befruchtet."

    Die dunklen Seiten des Internets, wie sie Ewgeni Morozow beschrieben hat, müsse man akzeptieren und gegenhalten, meint Staemmler. Wie das geht, bewies denn auch die kubanische Bloggerin Yahoni Sanchez, der die Ausreise verweigert worden war. Sie nahm per Videobotschaft an der Konferenz teil.