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Rezession durch Coronakrise
"Für das Klima ist das nur kurzfristig eine Erholung"

Ein Einbruch der Weltwirtschaft würde für den Klimaschutz keinen strukturellen Wandel bringen, erklärte Jakob Graichen vom Öko-Institut im Dlf. Im Gegenteil: Danach müsste die Wirtschaft mit viel Energie wieder auf die Beine gebracht werden.

Jakob Graichen im Gespräch mit Stefan Römermann |
Eine Frau mit Mundschutz steht vor dem geschlossenen Markt in Wuhan.
In China standen wegen der Coronakrise Fabriken still und Geschäfte und Märkte blieben geschlossen. Die Emissionen im Februar gingen um ungefähr 200 Megatonnen zurück. (NOEL CELIS / AFP)
Die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Wirtschaft und das öffentliche Leben sind jetzt schon enorm. Viele Experten fürchten deshalb gar eine weltweite Rezession. Was das für das Klima und unsere CO2-Bilanz bedeutet, erklärt Jakob Graichen vom Öko-Institut.
Stefan Römermann: Herr Graichen, eine Rezession wünschen Sie sich vermutlich auch nicht. Aber zumindest fürs Weltklima wäre das vielleicht nicht das Schlechteste, oder?
Coronavirus
Coronavirus (imago / Science Photo Library)
Jakob Graichen: Eine Rezession können wir uns wirklich nicht wünschen. Aus vielen Gründen natürlich wollen wir ein schönes Leben haben und wir brauchen eine starke Wirtschaft dafür. Aber auch für das Klima ist das nur kurzfristig eine Erholung. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass während einer Rezession zwar die Emissionen heruntergehen, aber danach im Grunde genommen wieder so wachsen wie vorher. Das heißt, eine kurze Durchschnaufpause, aber den strukturellen Wandel, den wir für den Klimaschutz brauchen, den kriegen wir durch eine Rezession nicht. Im Gegenteil! Dann wird viel Energie, Geld und Kraft dafür verwendet, die Wirtschaft wieder auf die Beine zu bringen, die dann nicht für Klimaschutz zur Verfügung stehen.
Deutliche CO2-Reduktion in China im Februar
Römermann: Gibt es denn schon erste Zahlen, was diese Coronakrise für Auswirkungen auf den weltweiten CO2-Ausstoß hat?
Graichen: Es gibt ein paar erste Abschätzungen. In China sind die Emissionen im Februar um ungefähr 200 Megatonnen zurückgegangen. Das ist ein Viertel der chinesischen Emissionen in dem Monat. Das ist schon deutlich. Da standen aber auch die Fabriken still. Jetzt, wo die chinesische Wirtschaft langsam wieder anfängt, werden die Emissionen auch wieder hochgehen.
Römermann: Wenn man so was aufs Jahr rechnet, macht das dann überhaupt einen Unterschied, oder ist das auch nicht viel mehr als eine Kleinigkeit?
Graichen: Das hängt tatsächlich davon ab, wie es jetzt weitergeht. Wenn das, was in China passiert ist, jetzt global so weitergeht und mehr Länder wie Italien anfangen, Regionen abzuriegeln und wir tatsächlich in eine Rezession kommen, dann würde man das in den globalen Emissionen deutlich sehen. Wenn das mit der Coronakrise nicht so dramatisch wird, dann wahrscheinlich eher nicht, aber das hängt davon ab, wie der weitere Verlauf sein wird.
Die Erfahrungen mit anderen Krisen
Römermann: Da können wir jetzt im Zweifelsfall nur spekulieren. Das lassen wir aber. Wir schauen mal zurück: Es gab ja schon andere Krisenfälle, die auch Auswirkungen auf die Weltwirtschaft hatten. Da waren die Terroranschläge von 9.11 und die Lehman-Brothers-Krise. Wie lange halten denn solche Effekte tatsächlich an?
Graichen: Im Flugverkehr war das tatsächlich immer ein einjähriger Rückgang um ein paar Prozent und im Jahr darauf wurde dann dieser Rückgang wieder kompensiert und ab dem zweiten Jahr nach der Krise waren die Emissionen wieder höher als vor der Krise. Es ist tatsächlich nur ein kleines Versetzen des Wachstums, aber es hat keinen grundlegenden Einfluss auf das Wachstum gehabt.
Grafik zeigt: Coronavirus senkt globales Wirtschaftswachstum
Coronavirus senkt globales Wirtschaftswachstum (Deutschlandradio)
Es tut sich was in der Arbeitswelt
Römermann: Sie haben gesagt, die sind dann auch tatsächlich danach noch höher gewesen. Aber es ist nicht so, dass deswegen noch ein sprunghafter Anstieg danach war?
Graichen: Nein, den sieht man nicht. Das Neue jetzt vielleicht bei der Coronakrise könnte schon sein, dass viele Firmen gerade anfangen mit Home Office und Videokonferenzen zu experimentieren und zu arbeiten. Das merke ich deutlich in meinem Arbeitsumfeld, dass das viel mehr zunimmt. Insofern besteht schon eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass es auch zu einer gewissen Verhaltensänderung kommt, aber vermutlich wird der Luftverkehr in den nächsten Jahren dann wieder so wachsen, wie er es auch ohne die Krise getan hätte, halt um ein Jahr oder zwei zurückgesetzt.
Römermann: Die FDP fordert jetzt, die Luftverkehrssteuer auszusetzen, um die Flugunternehmen zu entlasten, die durch diese Krise möglicherweise in Bedrängnis kommen könnten. Ist das denn dann eine sinnvolle Idee?
Graichen: Der Flugverkehr ist ja sowieso minimalst besteuert im Vergleich zu allen anderen Sektoren und die Fluggesellschaften profitieren gerade vom Rückgang des Ölpreises. Der ist jetzt auf 20 bis 30 Dollar pro Barrel gefallen und der Ölpreis macht ungefähr ein Viertel der Ticketkosten aus. Das ist deutlich mehr als die Luftverkehrssteuer. Insofern sind die Fluggesellschaften gerade weniger belastet als vor der Krise, aber natürlich gehen die Passagierzahlen zurück. Gleichzeitig ist das wie in allen Sektoren: Ein gesundes Unternehmen wird auch die Coronakrise überstehen und für Fluggesellschaften, die eh schon angeschlagen sind, kann Corona tatsächlich schwierig werden.
Fluggesellschaften sollen Emissionszuwächse kompensieren
Römermann: Es gibt ja eine Regelung, das ist ein bisschen kompliziert, dass der CO2-Ausstoß in diesem Jahr und im vergangenen Jahr für die Flugindustrie in Sachen Klimaschutz eine bestimmte Bedeutung hat. Ohne da jetzt zu weit auszuholen – was muss ich mir darunter vorstellen und kann das im Zweifelsfall was für den Klimaschutz bedeuten?
Graichen: Da geht es um CORSIA. Das ist ein System von der UN-Organisation für die Luftfahrt (ICAO). Da sollen oder müssen Fluggesellschaften ihr Wachstum gegenüber den aktuellen Emissionen kompensieren. Das heißt, allen Emissionszuwachs gegenüber dem Mittelwert von 2019/2020 müssen sie dann über Zertifikate, durch Minderungsprojekte kompensieren. Und natürlich, wenn jetzt in 2020 die Emissionen runtergehen oder weniger wachsen als erwartet, dann müssen Fluggesellschaften mehr kompensieren. Gleichzeitig ist CORSIA nur ein Offset des Wachstums und nicht der gesamten Emissionen und die Qualität dieser Offsets ist fragwürdig. Im Grunde genommen kauft dann die Fluggesellschaft eine Minderung woanders, sagt, ich finanziere einen Windpark in irgendeinem Land und die Reduktion darf ich mir dann anrechnen.
Römermann: Sie müssen im Zweifelsfall nur etwas mehr sich freikaufen.
Graichen: Genau. Aber die Qualität dieser Offsets ist auch sehr umstritten und wahrscheinlich bringen die fürs Klima, so wie es gerade angelegt ist, sehr wenig.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.