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Rhein in den Römer?

Schafft es CDU-Mann Boris Rhein in den Frankfurter Römer? Oder gelingt dem unbekannteren SPD-Bewerber Peter Feldmann der Überraschungssieg bei der OB-Stichwahl am Sonntag? Beide hoffen auf Stimmen der Grünen. Doch auf Favorit Rhein lastet der Streit um den Flughafenausbau tonnenschwer.

Von Anke Petermann |
    "Sein Vater war mein Dezernent bei der Brandschutzdirektion."

    Wo auch immer der hessische Innenminister Boris Rhein im Straßenwahlkampf auftaucht, finden sich Anhänger, die ihn als Politiker in zweiter Generation erkennen. Rheins Vater Peter war als Sozialdemokrat zunächst Frankfurter Schuldezernent, nach seinem Übertritt zur CDU für Sport und Gesundheit zuständig. Rhein junior stieg während der langen Amtszeit seiner Parteifreundin Petra Roth zum Ordnungs- und Wirtschaftsdezernenten auf, außerdem zum Frankfurter CDU-Chef. Deshalb trägt der schwarzgrüne Koalitionsvertrag seine Unterschrift. Und deswegen geht Rhein davon aus:

    "Dass die Grünen zu ihrer Koalition stehen, und es ist eine erfolgreiche Koalition, und deshalb spricht eigentlich nichts dagegen, wenn die Grünen sagen, jawoll, wir wollen mit einem schwarzen Oberbürgermeister weitermachen."

    Die grünen Dezernenten sagen das auch brav. Vielleicht, weil sie um ihre Posten fürchten, wenn Peter Feldmann von der SPD gewinnt. Aber ob sich Grünen-Anhänger bei einer OB-Wahl auf Koalitionsdisziplin festnageln lassen? Eine offizielle Wahlempfehlung will der Kreisvorstand nicht abgeben. Aber ausgerechnet der wohl prominenteste Frankfurter Grüne spricht sich strikt gegen Boris Rhein als Oberbürgermeister aus. Daniel Cohn-Bendit, Europaabgeordneter und früher Dezernent für Multikulturelles, bringt die Vorbehalte des gesamten linken Spektrums gegen den schwarzen Innenminister auf den Punkt.

    "Ich will nicht Boris Rhein wählen, weil ich mit Boris Rhein mir einen Mann vorstelle, der doppelzüngig ist. Hier ist er der liberalkonservative, in Wiesbaden ist er der Hardliner, der hart Konservative in der Tradition von Koch und Bouffier."

    Aus grüner Sicht Repräsentanten einer rigiden Sicherheits- und einer restriktiven Ausländerpolitik. Cohn-Bendit empfiehlt zwar auch nicht, den linken Sozialdemokraten Peter Feldmann zu wählen. Immerhin aber bietet er dem Politologen mit einer gemeinsamen Pressekonferenz eine schöne Wahlkampfbühne. Für Feldmann begann das Buhlen um die mutmaßlich 14 Prozent grünes Wählerpotenzial noch am Abend des ersten Wahlgangs am 11. März. Da feierte er den sechs Prozentpunkte kleinen Abstand zum Favoriten Rhein als Überraschungssieg und erklärte:

    "Ich bin jemand, der auch für die ökologische Erneuerung dieser Stadt steht. Ich bin dafür, dass Frankfurt Solarhauptstadt wird, und das kann ich auch nur mit den Wählern und Wählerinnen der Grünen."

    Die dürfen jetzt rätseln, ob sich der rote Stadtverordnete das grüne Mäntelchen nur zum Zweck des Stimmenfangs umhängt. Bis dahin hob der Sozialpolitiker Feldmann nämlich weniger die Sonnen- als die Schattenseiten der reichen Bankenstadt hervor, unter anderem Wohnungsnot und Kinderarmut, die er bekämpfen will. "Wenn die Frankfurter satt sind und keine Veränderung wünschen, dann wählen sie Boris Rhein", prognostiziert Peter Feldmann. Für den sozialen Aufbruch aber sei er der richtige Oberbürgermeister. Einer, der - wenn man grünen Amtsinhabern glaubt – als erstes die Dezernenten entmachten, das schwarzgrüne Bündnis sprengen und auf eine Große Koalition im Römer hinarbeiten würde. Der SPD-Kandidat selbst dementiert das.

    "Ich unterstelle jedem Dezernenten, auch grünen und CDU-Dezernenten, dass sie kooperationswillig sind und ich werde mich hinsetzen und mit jedem einzelnen eine Zielvereinbarung treffen, ich will dass die Leute hinterher anfassen können, was wir gemeinsam versprechen."

    Ob Feldmann nun immer schon für erneuerbare Energien eintrat oder nicht - ein gravierenderes Glaubwürdigkeitsproblem hat in jedem Fall Boris Rhein. Und zwar bei einem wichtigen Thema: dem Ausbau des Frankfurter Flughafens. Im HR-Fernsehduell mit seinem SPD-Konkurrenten bekommt der christdemokratische Innenminister von einer Fluglärmbetroffenen und dem Chefredakteur des Hessischen Rundfunks Folgendes zu hören:

    Frau: "Ich lebe seit 40 Jahren im Rhein-Main-Gebiet und würde Herrn Rhein gern fragen, ob er nach der Wahl, wenn er Oberbürgermeister wäre, auch noch zum Nachtflugverbot steht."

    Mann: "Herr Rhein, wir hatten mehrere Fragen an Sie, ob das bei Ihrer neuen Haltung zum Nachtflugverbot bleibt, denn Sie gehören ja, wie Herr Feldmann sagte, einer Landesregierung an, die gegen das absolute Nachtflugverbot klagt. Noch läuft ja der Prozess, und das Urteil kommt ja am 4. April. Wie sicher ist denn, dass Sie nach der Wahl bei Ihrer neu gewonnen Haltung bleiben?"

    Boris Rhein: "Nein, das ist keine neu gewonnene Haltung, das ist die Haltung der Frankfurter CDU seit jeher … "

    So kontert Rhein. Allerdings wird er in dieser Frage von erbosten Betroffenen nicht als Frankfurter wahrgenommen, sondern als Minister aus Wiesbaden. Das macht sich sein Konkurrent Peter Feldmann zunutze. Der Sozialdemokrat übernachtete im Wahlkampf öffentlichkeitswirksam bei Fluglärmgeplagten im Frankfurter Süden. Wie die Bürgerinitiativen aber anders als die Landes-SPD fordert er ein erweitertes Nachtflugverbot zwischen 22 und 6 Uhr früh. Morgen Vormittag wollen die Flughafenausbaugegner, kurz FAG, eine Wahlempfehlung abgeben. Ihre eigene Kandidatin fuhr im ersten Wahlgang satte vier Prozent ein, mehr als die Kandidaten von Linkspartei und Piraten. Dass sich die Flughafenausbaugegner für Boris Rhein starkmachen, ist unwahrscheinlich.