Sich selbst sieht Klöckner als Oppositionsführerin im neuen Landtag in Mainz. Sie sei für fünf Jahre als Fraktionschefin der CDU gewählt. Es sei der Wunsch der Fraktion gewesen, dass sie die Partei zusammenhalte. Jetzt müsse man eine ordentliche Arbeit im Landtag machen. Die CDU werde zwischen der Ampel und der AfD stabil in der Mitte stehen, betonte Klöckner.
Kritik an ihrer Haltung in der Flüchtlinskrise wies Klöckner zurück: "Ohne unsere eigenständige Position hätten wir noch mehr an die AfD verloren." Den Erfolg der SPD könne man auch nicht als Zustimmung zur Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Merkel verstehen. Ministerpräsidentin Dreyer habe Merkels Poltik nicht unterstützt, sondern sei ihr durch die Blockade des Asylpakets und die Ablehnung bei den sicheren Herkunftsstaaten in den Rücken gefallen, betonte die CDU-Politikerin.
Das Interview in voller Länge:
Christine Heuer: Im Wahlkampf in den Umfragen, da schien sie es schon fast geschafft zu haben. Die Christdemokratin Julia Klöckner galt als sehr aussichtsreiche Kandidatin, um die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz abzulösen. Am Ende hat es nicht gereicht. Woran lag es und auch wie geht es weiter mit der CDU-Politikerin Julia Klöckner, die nicht nur, aber vor allem auch in der eigenen Partei als neue große Hoffnung gilt? Ich frage sie jetzt selbst. Guten Morgen, Frau Klöckner, und zuerst einmal herzlichen Glückwunsch zur einstimmigen Wiederwahl als Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion in Mainz.
Julia Klöckner: Hallo! Guten Morgen, Frau Heuer, und herzlichen Dank dazu.
Heuer: Bleiben Sie denn jetzt in Mainz?
Klöckner: Ja! Ich bin gewählt für fünf Jahre. Gestern hatten wir Fraktionssitzung gehabt. Ich wollte eigentlich mir noch ein bisschen Zeit geben zu überlegen, was wir machen. Denn ich finde, nach einem solchen Ergebnis, das man sich ja anders gewünscht hat, ist es eigentlich nicht so gut, wenn ein Vorsitzender sich gleich wieder alle Posten schnappen würde. Aber der Wunsch meiner Fraktion, aber auch des Landesvorstandes war enorm groß und auch die Hoffnung, dass ich die Partei zusammenhalte. Und na ja, man reift mit den schweren Tagen, nicht mit den einfachen.
"Es ist jetzt nicht die Zeit, Ansprüche zu stellen"
Heuer: Wohl wahr! - Malu Dreyer, die SPD-Kandidatin, die jetzt Ministerpräsidentin bleibt, die schließt eine Große Koalition in Mainz nicht ganz aus. Würden Sie denn in Mainz mitregieren? Würde die CDU das machen?
Klöckner: Ach, ich glaube, Frau Heuer, das ist gar nicht die Frage, mit der wir uns jetzt beschäftigen sollten als CDU.
Heuer: Doch, Frau Klöckner. Das ist die Frage, mit der wir uns beschäftigen.
Klöckner: Sie schon als Journalistin, natürlich. Aber ich sage es einfach für uns: Als CDU oder als CDU-Fraktion, glaube ich, muss man jetzt auch ein bisschen demütig sein. Es ist jetzt nicht die Zeit, Ansprüche zu stellen. Jetzt liegt der Ball erst mal im Feld von Frau Dreyer und Frau Dreyer muss jetzt erreichen, dass sie eine stabile Regierung hinbekommt. Sie hat gesagt, dass sie eine Ampel favorisiert, und das nehme ich so hin, und deshalb ist es mit Ansprüchen stellen oder sagen, man wäre in Lauer- oder Wartestellung - - Wir müssen jetzt eine stabile Partei, eine stabile Fraktion im Landtag bilden. Da sehe ich überhaupt kein Problem. Ich glaube, wir sind ja eigentlich die einzige Stabilität, wenn eine Ampel kommt, die alles andere als einfach sein wird, und wenn die AfD als neue Fraktion reinkommt, glaube ich, ist es gut, dass wir stabil in der Mitte stehen.
"Ich mache mir darüber wirklich keine Gedanken"
Heuer: Journalisten machen das so, Frau Klöckner. Ich schließe jetzt mal aus dem, was Sie gerade geantwortet haben: Ganz ausschließen würden Sie es nicht, dass die CDU in eine Große Koalition in Mainz eintritt. - Nächste Frage, ich probiere es einfach mal: Würden Sie denn ausschließen, persönlich in ein Kabinett Malu Dreyer einzutreten?
Klöckner: Noch mal: Ich mache mir darüber wirklich keine Gedanken. Ich glaube, es wäre jetzt auch unangebracht, von meiner Seite aus, nicht von Ihrer Seite, aber von meiner Seite aus solche Gedankenspiele selbst durchzuspielen, denn es steht jetzt gar nicht an. Jetzt steht an, dass ich meine Fraktion, dass wir den Fraktionsvorstand dann neu zusammensetzen, dann nachher schauen, welche Ausschüsse wie besetzt werden. Und deshalb: Man soll sich als Betroffene mal mit dem beschäftigen, was jetzt gerade vor einem liegt.
Heuer: Sie bleiben in Mainz, haben Sie gesagt. Haben Sie denn gar keine Lust, sich ganz der Bundespolitik zu widmen?
Klöckner: Ach, ich war ja neun Jahre lang in Berlin, als Staatssekretärin, als Bundestagsabgeordnete, und ich habe mich ja bewusst für Rheinland-Pfalz entschieden. Ich glaube, man soll nicht immer dahin greifen, wo man gerade nicht ist, sondern wo man jetzt auch steht.
"Wir haben ja auch ein Wählervotum"
Heuer: Wo Sie gerade nicht sind, aber wo Sie vielleicht noch hin wollen?
Klöckner: Nein. Wissen Sie, wir haben jetzt gerade Tag drei nach einer Landtagswahl. Die Pläne waren andere gewesen, dass wir die Regierung übernehmen. Das hat nicht geklappt. Jetzt, glaube ich, muss man auch ein bisschen - ich habe es vorhin gesagt - demütig sein. Mir fällt kein besseres Wort ein. Aber jetzt habe ich die Aufgabe, dass wir mit den neuen Kolleginnen und Kollegen, die in den Landtag gewählt worden sind, auch in unsere Fraktion gewählt worden sind, dass wir da eine ordentliche Arbeit machen. Und wir haben ja auch ein Wählervotum. Wir haben ja in absoluten Zahlen mehr Stimmen bekommen als 2011, und das ist mir natürlich auch ein Auftrag.
Heuer: Aber ich bleibe mal bei der Demut, Frau Klöckner. Woran sind Sie dieses Mal bei der Wahl eigentlich genau gescheitert?
Klöckner: So genau, glaube ich, kann man das auf einen Punkt gar nicht nennen. Jeder wird irgendeinen Punkt finden. Aber am meisten gescheitert sind wir natürlich an einer neuen Partei. Die AfD ist von null Prozent auf über zwölf Prozent gekommen und hat von uns enorme Stimmen bekommen. Das heißt, wenn man sich mal die Wählerwanderung genauer anschaut, dann sieht man, dass wir als CDU aus dem Nichtwählerlager sogar mehr Stimmen mobilisieren konnten als die Kollegen der SPD. Es trennen uns und die SPD 100.000 Stimmen. 90.000 davon sind von den Grünen gekommen. Wenn Grüne von 15 auf fünf Prozent runterschmelzen und die Stimmen zur SPD wandern, dann sieht man natürlich, dass der Abstand von uns zur SPD enorm dann auch gestiegen ist. Aber der andere Punkt ganz klar: Die FDP hat ein bisschen was von uns bekommen, aber die AfD ist es gewesen, Frau Heuer.
"Man gewinnt gemeinsam, man verliert auch gemeinsam"
Heuer: Aber wenn es die AfD war, dann war es eigentlich Angela Merkel, denn ohne deren Flüchtlingspolitik wäre die AfD ja nicht so groß geworden am Sonntag.
Heuer: Na ja, mir ist nicht bekannt, dass sich Flüchtlingskrisen und Flüchtlingswanderungen nach Landtagswahlterminen richten.
Heuer: Aber davon gehen ja nun alle aus, dass das ein Plebiszit über die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung war, Frau Klöckner.
Klöckner: Ja gut. Wenn alle davon ausgehen, muss ja nicht jeder davon ausgehen, zumindest nicht ich. Das wäre auch viel zu einfach, es jetzt dem einen oder dem anderen in die Schuhe zu schieben. Man gewinnt gemeinsam, man verliert auch gemeinsam, und wenn man sich einfach, Frau Heuer, mal alle drei Landtagswahlen unterschiedlich anschaut oder mit der gleichen Brille anschaut, sieht man, dass doch sehr unterschiedliche Erklärungen oder Muster vorliegen. Die sind ja gar nicht so zu vergleichen, die drei Landtagswahlen. Herr Haseloff ist Ministerpräsident, wir haben als CDU in Rheinland-Pfalz die höchste Prozentzahl für die CDU bekommen, der Kollege Wolf in Baden-Württemberg hat ein anderes Phänomen. Ich sage nur: Hätten wir nicht unsere eigenständige Position so entwickelt, wie wir es getan haben, mit Flüchtlingsgipfel, mit Verteilung auf Kommunen etc., ich glaube, dann hätten wir als CDU Rheinland-Pfalz noch mehr Stimmen an die AfD verloren.
Heuer: War es falsch, sich mit Ihrem Plan A2 von Merkel zu distanzieren? So herum kann man das ja auch fragen, denn Malu Dreyer hat das nicht gemacht, Winfried Kretschmann erst recht nicht und beide haben die Wahl gewonnen.
Klöckner: Das wäre zu einfach. Natürlich ist Frau Dreyer auch Frau Merkel in den Rücken gefallen. Das ist vorher schon bekannt geworden, dass sie das Asylpaket II blockiert hat, dass sie beim Familiennachzug eine andere Position eingenommen hat, dass sie keine sicheren Herkunftsländer wollte. Und heute kommt raus, dass die rot-grüne Regierung, die noch im Amt ist in Rheinland-Pfalz, die weiteren sicheren Herkunftsländer nicht mittragen wird. Das ist kein Unterstützen von Angela Merkels Politik. Ein Fehler ist gewesen, dass so viele Menschen, so viele Wähler zur AfD gegangen sind, aus dem Nichtwählerlager, aber auch aus unserem Lager.
"Ich bin ja nicht die Erziehungsberechtigte von Horst Seehofer"
Heuer: Das kommt ja aber irgendwo her und viele Beobachter sagen, dass Sie sich so halb distanziert haben von Angela Merkel, das hat zu diesem Ergebnis beigetragen. Entschuldigung, Frau Klöckner. Heute trifft Angela Merkel Horst Seehofer, der sich noch viel deutlicher von ihrer Flüchtlingspolitik distanziert und das auch weiter tun will. Auf wessen Seite stehen Sie jetzt, wo die Wahlen vorbei sind?
Klöckner: Das ist zu einfach. Das Leben und auch politische Fragen sind viel zu komplex, um sie zu beantworten, auf wessen Seite man steht. Ich stehe auf beiden Seiten. Wir sind eine Union. Und wenn es in der Union nur eine Stimme gäbe, die morgens in Berlin ausgerufen wird und abends in jedem Wahlkreis gesprochen werden würde, dann wären wir keine Partei. Es gab und gibt schon immer in der CDU verschiedene Stimmen. Schauen Sie mal: Ich habe zum Beispiel mit meinem Team ein Integrationspflichtgesetz entworfen und entwickelt. Das ist jetzt Beschlusslage der Bundes-CDU. Deshalb ist es auch wichtig gewesen, dass wir andere Impulse mit einbringen. Um es noch mal deutlich zu sagen: Schauen wir mal in die Reihen der Grünen. Da gibt es einen Herrn Palmer und da gibt es aber auch eine Frau Lemke. Die sind so weit auseinander, wie man sich das kaum vorstellen kann. Insofern passen einfache Erklärungsmuster hier wirklich nicht.
Heuer: Empfehlen Sie Horst Seehofer eine Mäßigung im Ton?
Klöckner: Ich habe keinem was zu empfehlen. Ich kann nur sagen, dass ich einen anderen Ton habe. Ich bin ja nicht die Erziehungsberechtigte von Horst Seehofer.
Heuer: Wohl wahr! - Julia Klöckner, CDU-Spitzenkandidatin war sie bei den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz. Sie ist gerade wiedergewählt, einstimmig zur Fraktionsvorsitzenden im Mainzer Landtag und sie hat uns ein Interview gegeben. Frau Klöckner, vielen Dank dafür.
Klöckner: Sehr gerne. Auf Wiederhören.
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