Archiv


Rhetorik der Hoffnungslosigkeit

Die Geschichte vom frommen Hiob beschäftigt seit über 2000 Jahren die Menschen. Hiobs Glaube wird schwer geprüft und doch hält er Gott die Treue. Auf der Konferenz "Hiobs Botschaften" wurden Aspekte des Buches aus philosophischer, literarischer, religiöser und künstlerischer Perspektive betrachtet.

Von Frank Hessenland |
    Das Buch Hiob handelt von einer Wette, die Gott mit dem Teufel abschließt. Danach meint der Teufel, dass selbst der beste Mensch vom Glauben an Gott abfällt, wenn ihm nur ausreichend Böses passiert. Gott lässt daraufhin dem strenggläubigen Hiob alles erdenklich Grausame widerfahren. Er macht ihn bettelarm, krank und in der Gesellschaft aussätzig. Schließlich tötet er sogar seine Kinder. Hiob rast. Im Buch Hiob finden sich die ausgedehntesten Flüche der religiösen Literaturgeschichte, wie Susan Neiman, Moralphilosophin und Direktorin des Potsdamer Einstein-Forums auf der Konferenz "Hiobsbotschaften – Reflektionen über das Buch Hiob" vortrug

    "Gott verdamme den Tag, an dem ich geboren wurde und aus dem Mutterschoss herausgezwungen worden bin. Hätte er mich nur niemals erschaffen. Hätte er lieber der Sonne das Licht abgedreht."

    Weiter konstituierend für das Buch ist, dass Hiob und seine getöteten Kinder unschuldig an seinem Schicksal sind und es eigentlich nicht verdienen.

    "Wenn ich jemals die Armen zurückgestoßen habe oder die Unschuldigen leiden ließ, nicht mit den Hungrigen teilte, wenn ich je die Armen ausbeutete, dann soll mein Arm abfallen und mein Ellbogen aus dem Gelenk gedreht werden."

    Damit behandelt das Buch Hiob, einer der ältesten Texte der Bibel, nicht nur ein Grundproblem der monotheistischen Religionen, sagt Neiman.

    "Wieso gibt es Ungerechtigkeit auf der Welt wieso passiert es, dass unschuldige oder gar rechtschaffende Menschen Leid erfahren, wieso passiert es dass bösartige Menschen Glück haben, wie ist es dann um die Gerechtigkeit bestellt? Soll der Mensch das einfach akzeptieren? Das sind die Fragen die im Buch Hiob so klar dargestellt sind, wie nirgendwo sonst."

    Es löst sie auch auf überraschende und den gängigen Glaubenssätzen der großen monotheistischen Religionen durchaus widersprechende Weise. Die Antworten jedenfalls, die die biblischen Texte nach der Lektüre durch Neiman und 14 weitere renommierte Theologen, Philosophen und Sozialwissenschaftler geben, sind religionstheoretisch erfrischend: Wenn es einen Gott gibt und die Bibel sein Buch sei, dann könne dieser Gott nun nicht der liebe, gute und allumsorgende sein, als der er gemeinhin bei Juden, Christen und Muslimen gilt. Eher im Gegenteil: Gott tritt bei Hiob eher als ein amoralischer, skrupelloser Spieler auf. Hätte er sonst Hiob aus einer Wettlaune mit dem Teufel heraus quälen und dessen vollkommen unschuldige Kinder töten lassen können nur um einen Glauben zu prüfen, von dem er doch hätte wissen müssen? Das Gute, so Neiman ist eben eine rein menschliche Kategorie, keine göttliche. Darum können es auch nur Menschen sehen, wollen und umsetzen, nicht aber Gott, der in seinen Dialogen mit Hiob zu allem Überfluss noch eher labil und ignorant wirkt. Der Theologe Gerhard Begrich ging im Einstein-Forum noch weiter. Möglicherweise sei aus dem Ursprungstext der Bibel nicht einmal herauszulesen, dass die Welt gut sei, wie man gemeinhin Gott nach der Schöpfung in den Mund legt. Friedrich Schlegels "Lucinde" und andere von Hiob beeindruckte Romantiker zitierend, glaubt er hierbei vielmehr an eine Fehlübersetzung:

    ""Die Welt ist nicht die Beste aller Möglichen und auch gar nicht gut. Das ist ja ein Protest gegen Leibniz und Kirche. Sie ist aber schön! Die Schönheit der Welt ist es was bleibt. Und die Romantik der Welt versteigt sich dazu das zu sagen, was Hiob ständig schreit: Die Welt ist nicht gut und sie war es nicht und von Anfang an war sie nicht gut.Ine tov me od. Siehe es ist alles sehr gut. Hat nach Meinung von Hiob immer nur schön gemeint. Das Wörtchen tov kann auch schön heißen."

    Gott launisch, die Welt nicht gut. Bei so viel theologischen "Hiobsbotschaften" auf der gleichnamigen Konferenz im Einstein-Forum spielte es fast keine Rolle mehr, dass Islamwissenschaftler Michael Ebstein auch noch mit der Vorstellung aufräumte, dass Gott der Einzige sei. Im Prolog von Hiob, wies er nach, ist schon von einer Reihe von "Gottessöhnen" die Rede. Fast würde man dem Altphilologen Glen Most folgen wollen, der den polytheistischen Ansatz der Griechen als einer chaotischen, amoralischen Welt irgendwie angemessener darstellte als den Glauben an den lieben Gott.