Recherchestelle
Rias: Anstieg antisemitischer Vorfälle um über 80 Prozent im vergangenen Jahr

Die Zahl antisemitischer Vorfälle in Deutschland hat im vergangenen Jahr einen Höchststand erreicht. Wie der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus - kurz Rias - mitteilte, dokumentierte er rund 4.800 antisemitische Vorfälle. Dies war demnach eine Zunahme von über 80 Prozent im Vergleich zu 2022.

25.06.2024
    Daniel Botmann (l-r), Geschäftsführer des Zentralrats der Juden in Deutschland, Felix Klein, Antisemitismusbeauftragter, Bianca Loy, wissenschaftliche Referentin beim Bundesverband RIAS e.V., und Benjamin Steinitz, geschäftsführender Vorstand des Bundesverbands RIAS e.V.
    Vorstellung des Jahresberichts "Antisemitische Vorfälle in Deutschland 2023" (dpa / Kay Nietfeld)
    Deutlich mehr als die Hälfte der Vorfälle wurde laut Rias nach dem Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel und der darauf folgenden israelischen Reaktion im Oktober vergangenen Jahres registriert. Rund zwei Drittel der Fälle von extremer Gewalt, Angriffen und Bedrohungen hätten nach dem 7. Oktober stattgefunden.
    Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Klein, sprach in Berlin von katastrophalen Zahlen. Der Hamas-Angriff habe als "Brandbeschleuniger" für Antisemitismus gewirkt. Jüdisches Leben sei in Deutschland so stark bedroht wie noch nie seit Bestehen der Bundesrepublik, meinte Klein.

    Anfeindungen in allen Lebensbereichen

    Rias-Geschäftsführer Steinitz sagte, die Selbstverständlichkeit, dass Grundrechte auch für Jüdinnen und Juden gelten, sei bedroht. In allen Lebensbereichen würden Jüdinnen und Juden angefeindet, bedroht und angegriffen. Ein offenes jüdisches Leben sei seit dem 7. Oktober noch weniger möglich als zuvor. Der Normalisierung von Antisemitismus müsse Einhalt geboten werden.
    Gegen Jahresende hätten sich gewalttätige Vorfälle gehäuft. Rias erwähnt den versuchten Brandanschlag zweier Unbekannter auf eine Berliner Synagoge Mitte Oktober 2023 sowie zwei Brandanschläge auf das Haus einer jüdischen Familie im Ruhrgebiet wenige Tage später. Zugenommen hätten zudem Drohungen, jüdische Institutionen und Personen zu vernichten.
    Meist seien die gemeldeten Vorkommnisse auf antiisraelischen Aktivismus zurückzuführen gewesen, hieß es. Dieser habe besonders bei antiisraelischen Versammlungen eine Rolle gespielt. Die Ablehnung des jüdischen Staates habe unterschiedliche politische Strömungen mobilisiert. Häufig sei dabei die Schoah relativiert oder geleugnet worden.
    Diese Nachricht wurde am 25.06.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.