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Richard A. Clarke et al.: Gegen die Krieger des Dschihad. Der Aktionsplan

Es war gewiss eine der unangenehmeren Begebenheiten im Leben der Condoleezza Rice: Der öffentliche Auftritt vor dem Untersuchungsausschuss zum 11. September 2001 im April vergangenen Jahres. Mehrere Stunden lang musste Rice der 9-11-Kommission Rede und Antwort stehen. Hätte der Terrorangriff vom 11. September verhindert werden können? Der ehemalige Regierungsberater und Terrorismusexperte Richard Clarke hatte genau das behauptet. So brachte er Rice und Bush in Bedrängnis. Schon in seinem ersten Bestseller "Against All Enemies" hat Clarke Fehler der amerikanischen Anti-Terror-Politik angeprangert. Nun analysiert er in einer neuen Publikation das weltweite Bedrohungspotential durch den islamistischen Terror. Gleichzeitig legt er mit seinen zahlreichen Co-Autoren einen "Aktionsplan" für eine neue, globale Politik vor. Nicht mehr und nicht weniger. "Gegen die Krieger des Dschihad" – Marcel Pott hat das Buch für uns gelesen:

Von Marcel Pott | 07.02.2005
    Richard A. Clarke steht mit seinem Namen für ein amerikanisches Autorenkollektiv, das sich seit Jahren mit den Strukturen der global vernetzten islamistischen Terrorszene befasst. Diese Task Force hat im Auftrag der Century Foundation eine Gefahren-Analyse erstellt und einen vielschichtigen Aktionsplan entwickelt, der den USA im Kampf gegen den Terror der sogenannten Dschihadisten, also der selbsternannten Glaubenskrieger, tiefgreifend und langfristig Erfolg bringen soll. Clarke selbst hat als Terrorismusexperte unter George Bush sen., Bill Clinton und auch George W. Bush gedient. Davor war er neunzehn Jahre im Pentagon und im State Department tätig. Der jetzt auf deutsch erschienene Clarke-Bericht fährt schon im ersten Kapitel eine volle Breitseite gegen Präsident Bush:

    Niemand wird leugnen können, dass der Irak-Krieg in höchsten Maße kontraproduktiv war. Er entfremdete wichtige Bündnispartner im Kampf gegen den Terrorismus, ließ freundlich gesinnte Muslime zu Skeptikern werden und Skeptiker zu Radikalen, und er schuf ein neues Schlachtfeld für nomadisierende islamistische Aufrührer. Der Irak war in keiner Weise Teil der uns bedrohenden Terrorgefahr, und die Absetzung Saddam Husseins hat nicht dazu beigetragen, die Gefahr zu verringern, die von al-Qaida und den Dschihadisten ausgeht; dafür spricht schon allein die Tatsache, dass mehr als anderthalb Jahre nach Saddams Sturz in Amerika immer noch erhöhte Alarmbereitschaft herrscht und allgemein ein großer Terroranschlag von al-Qaida erwartet wird. Tatsache ist: Selbst wenn sich der Irak eines Tages auf wundersame Weise in eine stabile, sichere Demokratie verwandeln sollte, könnten die USA oder andere Staaten dennoch am nächsten Tag einen Anschlag vom Kaliber des 11. September erleiden.

    In ihrer Bedrohungsanalyse erklärt das Clarke-Team mit erfreulicher Klarheit, mit wem wir es zu tun haben. Bei den Dschihadisten handelt es sich um eine sehr kleine Minderheit innerhalb der islamischen Welt. Diese gewalttätigen Extremisten verkünden eine pervertierte Interpretation des Islam. Ihr völlig verzerrtes Bild des Islam ist die Grundlage ihres Fanatismus, der sie dazu antreibt, "feindliche", weil vom "wahren Islam" abgefallene Regierungen zu stürzen. Prägnant und übersichtlich beschreibt der Clarke-Bericht die Entstehung und Ausbreitung des Terrornetzwerks in den letzten 25 Jahren seit der sowjetischen Invasion in Afghanistan. Hier verschweigen die Autoren allerdings schamhaft, dass Amerika damals im Bunde mit Saudi-Arabien und Pakistan kräftig dabei mitwirkte, aus unzufriedenen jungen Männern aus der ganzen islamischen Welt ausgebildete "Heilige Krieger" für den Guerilla-Kampf zu machen. Die USA tragen eine erhebliche Mitverantwortung dafür, dass aus diesen gewaltbereiten Glaubenskämpfern gegen die "gottlosen Sowjets" später so schlagkräftige Terroristen wurden.

    Abgesehen davon macht die Beschreibung der nationalen und internationalen Ziele der Dschihadisten plausibel, dass die Terroristen Amerika und andere westliche Länder bekämpfen, um letztlich die islamische Welt zu gewinnen.

    Die empfohlene Strategie der Autoren geht weit über den operativen militärischen und sicherheitsdienstlichen Bereich hinaus und konzentriert sich auf politische Maßnahmen, um den Dschihadisten in der islamischen Welt ideologisch das Wasser abzugraben. Es gehe darum, über den "Wettstreit der Ideen" die Anziehungskraft der Werte zu unterstreichen, die der Westen mit den Muslimen teilt. Nur so könne man die Unterstützungsbasis der Terroristen in der islamischen Welt erschüttern. Im Rahmen der Darstellung von detaillierten Länderstrategien, die die Stabilität in Schlüsselstaaten wie Ägypten, Saudi-Arabien, Pakistan, Iran und Irak erhöhen sollen, werden die inneren Probleme dieser autoritär regierten Länder ungeschminkt und illusionslos benannt. Dabei wird deutlich, dass die Autoren die Chancen auf eine Demokratisierung besonders in Ägypten und in Saudi-Arabien als gering erachten. Die Lage im Irak wird eingehend behandelt. Trotz aller Fehler sei Amerika im Irak zum Erfolg verdammt. Es müsse eine Kampagne starten, um die Iraker davon zu überzeugen, dass es nicht beabsichtige, dauerhaft Truppen im Irak zu stationieren und es auch nicht auf irakisches Öl abgesehen habe. Schließlich müssten die USA auf die wichtigen europäischen Staaten zugehen:

    Wenn wir uns, wie 2004 geschehen, darauf beschränken, den Europäern Forderungen zu übermitteln, werden wir kaum Unterstützung erhalten. Wenn wir allerdings unseren europäischen Freunden in Fragen, die ihnen teuer und wichtig sind, entgegenkommen, können wir unsere Glaubwürdigkeit zurückgewinnen.

    Die Autoren schlagen vor, Amerika solle den Europäern in der Umwelt- und der alternativen Energiepolitik positive Signale geben. Außerdem fordern sie Washington auf, die internationale Kooperation bei der Jagd auf die Terroristen auszuweiten:

    Terroristen zu jagen und auszuschalten ist wichtig, aber genauso wichtig ist es, sich dabei an die rechtstaatlichen Regeln zu halten.

    Bemerkenswert ist, wie rückhaltlos der Clarke-Bericht feststellt, dass Amerika seine Glaubwürdigkeit in der arabischen Welt weitgehend eingebüßt hat. Der feindselige Antiamerikanismus der meisten Araber, beruhe vor allem auf der amerikanischen Politik in der Region und der Wahrnehmung, dass Amerika Israel immer bevorzuge und die "Araber nicht ernst nehme":

    Die Haltung der USA im israelisch-palästinensischen Konflikt und die langjährige Unterstützung von westlich orientierten Regimen ungeachtet ihrer oft unpopulären und repressiven Herrschaft haben den Antiamerikanismus in der Region verstärkt.

    Wenn Amerika die Bewegung der Dschihadisten zerschlagen wolle, müsse es zeigen, dass es Partner der islamischen Welt sein möchte. Dazu reiche allein aber auch eine überzeugende Öffentlichkeitsarbeit nicht aus:

    Die Public Diplomacy kann jedoch nur Erfolg haben, wenn sie von einer Neuorientierung der amerikanischen Außenpolitik in den für die arabische Welt wichtigsten Feldern begleitet wird: dem israelisch-palästinensischen Konflikt, der amerikanischen Unterstützung repressiver, aber dem Westen zugewandter Regime und dem Konflikt im Irak.

    Nur ein solcher Politikwechsel – so bekräftigen die Autoren mehrfach- wirke sich auf die allgemeine öffentliche Meinung in der islamischen Welt aus und würde so die Basis der Dschihadisten untergraben, ihnen die Sympathisanten, die Geldgeber und den Nachwuchs entziehen. Der Clarke-Bericht ist ein flüssig geschriebenes, sehr informatives und lesenswertes Buch. Es besticht durch die differenzierte Auseinandersetzung mit dem Problem und liefert eine in vielen Punkten überzeugende Strategie, um den Dschihadismus an der Wurzel zu bekämpfen.

    Marcel Pott stellte das neue Buch von Richard Clarke et alii vor: Gegen die Krieger des Dschihad. Der Aktionsplan, lautet der Titel. Erschienen ist es bei Hoffmann und Campe in Hamburg. 240 Seiten kosten 14,95 Euro.