Der Jude an sich sei "unfähig", sich künstlerisch auszudrücken, weder durch seine äußere Erscheinung noch durch seine Sprache und am allerwenigsten durch seinen Gesang, hält Richard Wagner in seiner Schrift "Das Judenthum in der Musik" fest, die erstmals 1850 erschien.
Wagners Antisemitismus hat in Israel dazu geführt, dass sein Werk dort nicht aufgeführt wird. Dieser Bann wurde schon 1938 nach den Novemberpogromen ausgesprochen, zu einer Zeit, da der israelische Staat noch gar nicht existierte – und er hält bis heute an. Eine Ausnahme gab es 2001, als der Dirigent Daniel Barenboim bei einem Konzert in Jerusalem als Zugabe ein Stück von Wagner spielte. Vorher allerdings ließ er das Publikum darüber abstimmen. Der Versuch dagegen, ein abendfüllendes Programm mit Werken Wagners in Israel durchzuführen, ist erst im letzten Jahr abermals gescheitert.
In Deutschland wie im Rest der Welt ist das ganz anders. Der deutsche Schlagzeuger Eric Schäfer wagt sich zum Wagner-Jahr an eine ganz und gar ungewöhnliche Interpretation, respekt- und furchtlos. Dementsprechend nennt er sein Album "Who is Afraid of Richard W.?" - Wer hat Angst vor Richard W.?
"Es ist ein heißes Thema, sich mit Wagner auseinanderzusetzen. Es gibt viel geschichtlich gewordene Tabus, die auch ihre Berechtigung haben. Trotzdem finde ich, dass die Musik so wunderbar ist, dass man sich trotzdem unbefangen damit auseinandersetzen kann. Barenboim hat das gesagt: Wagner war als Mensch Antisemit, aber seine Musik ist unpolitisch und das ist ein interessanter Satz, auch gewichtig. Ohne den Satz hätte ich es auch gemacht … Es gibt so ein paar Stellen, die Adorno rausgestellt hat, da könnte man von solchen Andeutungen reden, aber man muss es nicht. Rüdiger Safranzki sagt auch: Er war klug genug, seinen Antisemitismus aus seinen Bühnenwerken rauszulassen und man kann es lesen, wie man will, aber es nicht explizit aufzufinden."
Dass Richard Wagner Antisemit war, ist unbestritten. Lassen sich die Überzeugungen des Autors aber von seinem Werk trennen? Der Kulturwissenschaftler und Wagnerexperte Jens Fischer hat gerade das Buch "Richard Wagner und seine Wirkung" veröffentlicht. Für ihn ist der Antisemitismus auch in Wagners Werk ein Faktum:
"Es gibt von Mahler, der selber jüdischer Herkunft war, der tollste Wagnerianer seiner Zeit, der beste Wagner-Dirigent, der hat mal den ‚Siegfried‘ von Wagner dirigiert, als er Ende des 19. Jahrhunderts Chef in Wien war. Er hat zur Aufführung gesagt: 'Das war alles ganz toll, nur der Sänger des Mime hat furchtbar übertrieben. Obwohl ich der Meinung bin, dass diese Figur die genialste Persiflage eines Juden ist, die es auf der Bühne gibt, da darf man es nicht übertreiben.' Das ist für mich der Beweis, dass jemand wie Mahler, der unter Antisemitismus gelitten hat, der Wagnerfan war, ganz klar sagt, das ist für uns völlig einsichtig, das braucht man nicht zu diskutieren, dieser Mime ist eine Judenpersiflage oder Karikatur. Er benennt den jüdischen Zug ganz deutlich."
Figuren wie Mime in der Oper "Siegfried" oder Beckmesser in "Die Meistersinger aus Nürnberg" trügen antijüdische Züge, sagt der Kulturwissenschaftler und Wagner-Experte Jens Fischer. Er findet verschiedene Belege dafür, dass der Antisemitismus des großen deutschen Komponisten nicht nur dessen private Sicht war, sondern sich auch in dessen Bühnenwerken zeigt. Das sei heute allerdings nicht mehr leicht nachzuvollziehen.
"Die Menschen waren durchtränkt vom antisemitischen Code. Man wusste, wenn ein Schauspieler eine bestimmte Bewegung macht oder wenn einer plattfüßig geht, dass das antijüdisch gemeint ist, mal harmlos, mal nicht, wenn man das übertreibt, dieser Code fehlt uns heute aus guten Gründen, weil Antisemitismus tabuisiert ist. Wir lesen nicht einmal die Woche einen antisemitischen Ausfall in einer Zeitschrift, sehen nicht im Fernsehen antijüdische Karikaturen. Das ist uns fremd, aber dadurch haben wir Sensibilität für Anspielungen in Wagners Werk verloren."
Doch wie kam es überhaupt zu Wagners ausgeprägtem Hass auf Juden? Kulturwissenschaftler Jens Fischer:
"Es gibt mehrere Gründe. Als junger Mann schon hat er mit jüdischen Wucherern schlechte Erfahrungen gemacht. Und dann in Paris ist er beinahe am Musikbetrieb gescheitert, den er von Juden geregelt sah. Und er hat gesehen, dass Giacomo Meyerbeer, ein Jude, der größte Opernkomponist war, der hat damals mit seiner Grand Opera die Welt der Oper beherrscht. Obwohl Meyerbeer Wagner geholfen hat mit Geld, er ist mit ihm zu Intendanten gelaufen. Wagner hätte ihm dankbar sein müssen, aber für ihn verkörpert Meyerbeer das Jüdische in der Musik."
In der Gegenwart nähern sich viele Künstler dem Phänomen Wagner mit einer Mischung aus Faszination und Abscheu, was auch für viele jüdische Künstler gilt. Einer von ihnen ist der US-amerikanische Pianist Uri Caine. Er hat die Musikszene 1997 mit einer Wagner-Adaption überrascht, indem er die monumentalen Werke nicht in großer Besetzung, sondern im Stile eines Kaffeehausorchesters einspielte.
"Ich habe mich lange mit Wagner und seiner dunklen Seite befasst. Es ist doch naiv zu glauben, dass große Kunst nur von unfehlbaren Menschen kommen kann. So ist es eben nicht. Und am Ende komme ich immer wieder auf die Faszination zurück, die ich als 15-Jähriger hatte, als ich das erste Mal Wagner hörte: Das war eine Musik, die ich noch nicht kannte, sein Umgang mit Harmonien ist unglaublich. Und was für ein tatkräftiger Geist das war. Er hat ja nicht nur die Musik komponiert, sondern sie auch gestaltet, er hat immerzu Pläne entworfen und gearbeitet. Er war ein energiegeladener Musiker."
Der Genius Wagners ist bis heute unbestritten. Sein Werk zu boykottieren kommt daher für die wenigsten Künstler infrage. Auch der Wagner-kritische Kulturwissenschaftler Jens Fischer sieht das so:
"Man soll die Musik weiter spielen, aber man soll sich dieser Dinge bewusst sein. Und ich beschäftigte mich weiter mit ihm, aber vielleicht doch mit einem Haken, der einem nicht mehr aus dem Fleisch geht."
Wagners Antisemitismus hat in Israel dazu geführt, dass sein Werk dort nicht aufgeführt wird. Dieser Bann wurde schon 1938 nach den Novemberpogromen ausgesprochen, zu einer Zeit, da der israelische Staat noch gar nicht existierte – und er hält bis heute an. Eine Ausnahme gab es 2001, als der Dirigent Daniel Barenboim bei einem Konzert in Jerusalem als Zugabe ein Stück von Wagner spielte. Vorher allerdings ließ er das Publikum darüber abstimmen. Der Versuch dagegen, ein abendfüllendes Programm mit Werken Wagners in Israel durchzuführen, ist erst im letzten Jahr abermals gescheitert.
In Deutschland wie im Rest der Welt ist das ganz anders. Der deutsche Schlagzeuger Eric Schäfer wagt sich zum Wagner-Jahr an eine ganz und gar ungewöhnliche Interpretation, respekt- und furchtlos. Dementsprechend nennt er sein Album "Who is Afraid of Richard W.?" - Wer hat Angst vor Richard W.?
"Es ist ein heißes Thema, sich mit Wagner auseinanderzusetzen. Es gibt viel geschichtlich gewordene Tabus, die auch ihre Berechtigung haben. Trotzdem finde ich, dass die Musik so wunderbar ist, dass man sich trotzdem unbefangen damit auseinandersetzen kann. Barenboim hat das gesagt: Wagner war als Mensch Antisemit, aber seine Musik ist unpolitisch und das ist ein interessanter Satz, auch gewichtig. Ohne den Satz hätte ich es auch gemacht … Es gibt so ein paar Stellen, die Adorno rausgestellt hat, da könnte man von solchen Andeutungen reden, aber man muss es nicht. Rüdiger Safranzki sagt auch: Er war klug genug, seinen Antisemitismus aus seinen Bühnenwerken rauszulassen und man kann es lesen, wie man will, aber es nicht explizit aufzufinden."
Dass Richard Wagner Antisemit war, ist unbestritten. Lassen sich die Überzeugungen des Autors aber von seinem Werk trennen? Der Kulturwissenschaftler und Wagnerexperte Jens Fischer hat gerade das Buch "Richard Wagner und seine Wirkung" veröffentlicht. Für ihn ist der Antisemitismus auch in Wagners Werk ein Faktum:
"Es gibt von Mahler, der selber jüdischer Herkunft war, der tollste Wagnerianer seiner Zeit, der beste Wagner-Dirigent, der hat mal den ‚Siegfried‘ von Wagner dirigiert, als er Ende des 19. Jahrhunderts Chef in Wien war. Er hat zur Aufführung gesagt: 'Das war alles ganz toll, nur der Sänger des Mime hat furchtbar übertrieben. Obwohl ich der Meinung bin, dass diese Figur die genialste Persiflage eines Juden ist, die es auf der Bühne gibt, da darf man es nicht übertreiben.' Das ist für mich der Beweis, dass jemand wie Mahler, der unter Antisemitismus gelitten hat, der Wagnerfan war, ganz klar sagt, das ist für uns völlig einsichtig, das braucht man nicht zu diskutieren, dieser Mime ist eine Judenpersiflage oder Karikatur. Er benennt den jüdischen Zug ganz deutlich."
Figuren wie Mime in der Oper "Siegfried" oder Beckmesser in "Die Meistersinger aus Nürnberg" trügen antijüdische Züge, sagt der Kulturwissenschaftler und Wagner-Experte Jens Fischer. Er findet verschiedene Belege dafür, dass der Antisemitismus des großen deutschen Komponisten nicht nur dessen private Sicht war, sondern sich auch in dessen Bühnenwerken zeigt. Das sei heute allerdings nicht mehr leicht nachzuvollziehen.
"Die Menschen waren durchtränkt vom antisemitischen Code. Man wusste, wenn ein Schauspieler eine bestimmte Bewegung macht oder wenn einer plattfüßig geht, dass das antijüdisch gemeint ist, mal harmlos, mal nicht, wenn man das übertreibt, dieser Code fehlt uns heute aus guten Gründen, weil Antisemitismus tabuisiert ist. Wir lesen nicht einmal die Woche einen antisemitischen Ausfall in einer Zeitschrift, sehen nicht im Fernsehen antijüdische Karikaturen. Das ist uns fremd, aber dadurch haben wir Sensibilität für Anspielungen in Wagners Werk verloren."
Doch wie kam es überhaupt zu Wagners ausgeprägtem Hass auf Juden? Kulturwissenschaftler Jens Fischer:
"Es gibt mehrere Gründe. Als junger Mann schon hat er mit jüdischen Wucherern schlechte Erfahrungen gemacht. Und dann in Paris ist er beinahe am Musikbetrieb gescheitert, den er von Juden geregelt sah. Und er hat gesehen, dass Giacomo Meyerbeer, ein Jude, der größte Opernkomponist war, der hat damals mit seiner Grand Opera die Welt der Oper beherrscht. Obwohl Meyerbeer Wagner geholfen hat mit Geld, er ist mit ihm zu Intendanten gelaufen. Wagner hätte ihm dankbar sein müssen, aber für ihn verkörpert Meyerbeer das Jüdische in der Musik."
In der Gegenwart nähern sich viele Künstler dem Phänomen Wagner mit einer Mischung aus Faszination und Abscheu, was auch für viele jüdische Künstler gilt. Einer von ihnen ist der US-amerikanische Pianist Uri Caine. Er hat die Musikszene 1997 mit einer Wagner-Adaption überrascht, indem er die monumentalen Werke nicht in großer Besetzung, sondern im Stile eines Kaffeehausorchesters einspielte.
"Ich habe mich lange mit Wagner und seiner dunklen Seite befasst. Es ist doch naiv zu glauben, dass große Kunst nur von unfehlbaren Menschen kommen kann. So ist es eben nicht. Und am Ende komme ich immer wieder auf die Faszination zurück, die ich als 15-Jähriger hatte, als ich das erste Mal Wagner hörte: Das war eine Musik, die ich noch nicht kannte, sein Umgang mit Harmonien ist unglaublich. Und was für ein tatkräftiger Geist das war. Er hat ja nicht nur die Musik komponiert, sondern sie auch gestaltet, er hat immerzu Pläne entworfen und gearbeitet. Er war ein energiegeladener Musiker."
Der Genius Wagners ist bis heute unbestritten. Sein Werk zu boykottieren kommt daher für die wenigsten Künstler infrage. Auch der Wagner-kritische Kulturwissenschaftler Jens Fischer sieht das so:
"Man soll die Musik weiter spielen, aber man soll sich dieser Dinge bewusst sein. Und ich beschäftigte mich weiter mit ihm, aber vielleicht doch mit einem Haken, der einem nicht mehr aus dem Fleisch geht."