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"Rigoletto"-Premiere in Berlin

Der designierte Intendant der Komischen Oper Berlin, Barrie Kosky, inszeniert die Gilda aus Verdis "Rigoletto" als eine Art weiblicher Kaspar Hauser - angesiedelt im Zirkusmilieu.

Von Georg-Friedrich Kühn |
    Einer wie der sogenannte "Inzestvater" Josef Fritzl und Kollegen ist er nicht, dieser Rigoletto. Seine Tochter Gilda hält er nicht unter Verschluss für eine heimliche Parallelehe. Gilda will er vielmehr "rein" erhalten vor den Anfechtungen ihres eigenen Körpers.

    Aber Gilda ist längst auf einem anderen Stern, hat sich beim sonntäglichen Kirchgang – so viel muss sein – in einen attraktiven jungen Mann verliebt, der allerdings zufällig der Chef ihres Vaters ist, ein Schwerenöter von Geblüt.

    Durchaus überraschend das Bild, mit dem Regisseur Barrie Kosky und seine Ausstatterin Alice Babidge jetzt die Neuinszenierung des Verdischen "Rigoletto" an der Komischen Oper beginnen.

    Man sieht auf einer Arena-ähnlichen lindgrünen Bühne eine Figur mit Grand-Guignol-artigem Riesenkopf in einem pfauenartigen weißen Glitzerrock von rund vier Meter Durchmesser, unter dem immer neue Comic-Figuren hervor krabbeln.

    Auf- und Abtritte in diesem hermetischen Raum geschehen hier immer nur durch Bodenklappen. Die gluckenartige Figur entpuppt sich allmählich als der rotlockige Narr Rigoletto. Statt Buckel als Zeichen seiner geistigen Verkrümmungen hat er hier ein Hüftproblem, das ihm das Gehen erschwert.

    Die Tochter hat er verschlossen in einer schrankartigen Kiste, aus der sie, frei gesperrt, im kanariengelben Kleidchen hüpft wie ein munteres Rehlein. Offenbar hat sie ihren heimlichen Fitnesstrainer in diesem bunten Sarg immer dabei.

    Und der Liebhaber aus der Kirche schleicht auch schon wieder, herbei gelotst von der Zofe, um die Kiste.

    Barrie Kosky, der Regisseur und designierte Intendant des Hauses, ist ein Regisseur der kurzen Wege. Im Programmheft äußert er zwar Kluges wie, diese Gilda sei für ihn eine Art weiblicher Kaspar Hauser. Das Ganze inszeniert er aber in einer Art Zirkusmilieu.

    Die herzogliche Dienerschar verpflanzt er wie einst Doris Dörrie auf einen Planeten der Affen, lässt sie unter einem schwarzen Sternentuch immer neue Verwandlungen herbeizaubern. Selbst der Trick mit der zersägten Frau darf nicht fehlen.

    Eine Beleidigung fürs Auge sind die schuhplattelnd stampfenden Tänze. Aber so kommt es, wenn man an einem Haus, das einmal ein Zentrum zeitgenössischen Tanztheaters war, den Tanz hinaus eskamotiert.

    Andererseits gibt man sich traditionsbewusst. Gesungen wird nach wie vor in wenn auch kaum verständlichem Deutsch. Dabei kann man auf einer neu installierten Übersetzungsanlage in den Stuhllehnen den Text mitlesen.

    Warum man dann nicht gleich in die Originalsprache schwenkt und dafür unter einem breiteren Sängerangebot wählen kann? Es ist halt an der Behrenstraße so Sitte, wie der Intendant auf Nachfrage meint.

    Nach gut zwei Stunden ist der Theaterabend vorbei. Kosky lässt ohne Pause durchspielen – wegen der angeblichen Dramatik seiner Inszenierung. Das Publikum dankt es ihm mit einem Schwall von Buhrufen.

    Den Sängern geht es sehr viel besser. Den meisten Applaus bekommt zurecht die quirlige Russin Julia Novikova als Gilda. Der Mexikaner Hector Sandoval kämpft als Herzog tapfer mit der deutschen Sprache und sauberen Tönen. Der italienstämmige Bruno Caprani gibt einen stämmigen Rigoletto.

    Patrick Lange am Pult legt es vor allem auf Kontraste an, vernachlässigt die klangliche Differenzierung. Volkstheater, wie die Komische Oper es gern will, wird es dennoch nicht, trotz des melodramatischen Schlusses mit einer blutüberströmten Gilda, die mit Babybauch in den Armen des Vaters stirbt.

    Da hat sich es der gedungene Mörder in Weiß, Sparafucile, doch etwas zu leicht gemacht.