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Ringe, Monde, Abenteuer
Cassini stirbt auf Saturn

Die Raumsonde Cassini veränderte unsere Vorstellung vom Saturn radikal: Auf seinen Monden sprudeln Geysire, es gibt flüssige Ozeane und Seen. Wenn Cassini nun in den wabernden Wolkenbändern des Planeten verglüht, dann lautet die wohl wichtigste Erkenntnis: Leben wäre dort möglich.

Von Karl Urban |
    Die Raumsonde Cassini-Huygens auf dem Weg zum Saturn (Grafik)
    Die Raumsonde Cassini-Huygens hat viele Jahre den Saturn umkreist (Grafik) (NASA / ESA)
    Nur wenig war bekannt über den Gasriesen mit den massivsten Ringen des Sonnensystems und mehreren Dutzend Monden. Deshalb entschied die NASA mit europäischer Hilfe, einen wahren Koloss in das Saturnsystem zu entsenden. Und die tonnenschwere Raumsonde Cassini-Huygens lieferte: Sie entdeckte auf den Monden Geysire, flüssige Ozeane und Seen aus Kohlenwasserstoffen.
    Cassini könnte die letzte Sonde ihrer Art gewesen sein
    In ihrer letzten Missionsphase nimmt sich Cassini die Ringe vor, deren Ursprung bis heute im Dunkeln liegt. Wenn Cassini am 15. September schließlich auf Saturn verglüht, endet zugleich ein Ära: Heute werden Sonden immer spezialisierter, die Budgets der Raumfahrtagenturen sind ohnehin klamm. Cassini könnte vorerst die letzte ihrer Art gewesen sein.

    Der gesamte Beitrag zum Nachlesen:
    Dies ist die Geschichte einer Entdeckerin.
    Eine Raumsonde, vollgestopft mit wissenschaftlichen Instrumenten, die so vielseitig ist wie heute kaum noch üblich in der Raumfahrt.
    Thomas Roatsch: "Cassini ist so groß wie ein Doppelstockbus. So was wird so schnell nicht wieder geben."
    Ulrich Köhler: "Cassini ist für mich der letzte Dinosaurier der Raumfahrt."
    Linda Spilker: "Cassini is a flagship mission."
    "And liftoff for the Cassini spacecraft on a billion mile track to Saturn!"
    Das Flaggschiff segelt nun seinem sicheren Ende entgegen. Am 15. September 2017 sinkt Cassini in die dichten Wolkenbänder des Saturns und verglüht. Und eine Ära geht zu Ende.
    "Vor unserer Ankunft am Saturn bestanden unsere besten Informationen über den Saturn noch von den Voyagersonden in den frühen 80er Jahren."
    Linda Spilker vom NASA Jet Propulsion Laboratory ist Cassinis Missionswissenschaftlerin und seit den 80er Jahren mit der Mission befasst. Damals durchstreifen Raumsonden der NASA das Sonnensystem. Pioneer ist an Jupiter und Saturn vorbeigeflogen, Voyager sogar an Uranus und Neptun. Pläne, dem Jupiter eine ganze Mission zu widmen, sind bereits weit gediehen. Das Juwel des Planetensystems ist dagegen noch unberührt.
    "Diese ersten zwei Vorbeiflüge von Voyager lieferten uns die ersten Nahaufnahmen der Ringe, der Monde und des Planeten. Und wie es meistens passiert, hatten wir deutlich mehr Fragen als zuvor."
    Flugbegleiter: Meine Damen und Herren. Bitte halten Sie sich bereit. Cassini-Huygens wird sich hoffentlich schon bald auf den Weg machen.
    Jahrelanges Tauziehen zwischen NASA, ESA und Italiens Raumfahrtagentur ASI
    Dem Start von Cassini geht ein jahrelanges Tauziehen zwischen NASA, ESA und Italiens Raumfahrtagentur ASI voraus. Mehrfach will der US-Kongress die Mission wegen wachsender Kosten streichen. Die europäischen Partner reagieren verschnupft, denn bei ihnen liegt Cassinis Beiboot längst im Trockendock: Die gut 300 Kilogramm schwere Landesonde Huygens, die auf Saturns größtem Mond Titan landen soll.
    Thomas Roatsch: "Die Europäer, die den Huygens gebaut haben, hatten natürlich immer wieder Angst, dass die ganze Mission wegfällt und dass sie ihn umsonst gebaut haben."
    Flugbegleiter: Wir sind schon in Kürze startklar.
    Bruce Gragnon: "We cannot allow nuclear power to be launched into space."
    Flugbegleiter: Nur Bruce Gragnon und Michiu Kaku und ihre Kampagne 'Cancel Cassini' hält uns leider gerade noch auf.
    Bruce Gragnon: "We cannot allow the space program to be used as a nuclear waste disposal program."
    32 Kilogramm Plutonium befinden sich an Bord von Cassini. Für eine Raumsonde so weit entfernt von der Sonne ist die Zerfallswärme des radioaktiven Elements die einzig mögliche Energiequelle.
    Michiu Kaku: "I would ask President Clinton to cancel the Cassini space mission."
    Flugbegleiter: Doch nachdem auch der Präsident der Vereinigten Staaten unseren Start genehmigt hat, kann es jetzt endlichlosgehen.
    "Three, two, one and lift off!"
    Flugbegleiter: Liebe Fluggäste, wir wünschen Ihnen einen angenehmen Flug. Die Reiseflugdauer beträgt voraussichtlich sechs Jahre, acht Monate und 17 Tage.
    Athena Coustenis: "Ich hatte gerade meine Doktorarbeit über den Titanen beendet und nicht mal gehofft, dass so bald eine Mission dorthin fliegen könnte."
    Cassini fliegt zweimal an der Venus vorbei, einmal an Erde und Jupiter, um Schwung zu holen.
    Nicolas Altobelli: "Ich habe meine Doktorarbeit während der Cruisephase geschrieben, während Vorbeiflug am Jupiter geschrieben, vor der Ankunft am Saturn."
    Luciano Iess: "I spent almost my entire scientific career on this mission."
    Flugbegleiter : Im Flug vergeht die Zeit wie im Flug
    Und langsam rückt er näher: Der Planet Saturn, mit seinen unzähligen Monden, vor allem aber mit seinen majestätischen Ringen: Feine Bänder aus Staub und Eis zu einer extrem dünnen Ebene aufgereiht. Noch ist er ein Mysterium.
    Flugbegleiter: Und da sind wir auch schon. Unsere Piloten sind gerade aber noch ziemlich konzentriert.
    "Im Juni 2004 ist die Sonde in einem Abstand von 1000 Kilometern an Phoebe vorbeigeflogen. Und das war insofern eine ziemlich schwierige Planung, weil zu dem Zeitpunkt der ganze Tank ja noch voll war, der fürs Abbremsen benötigt wurde. Und ich war verantwortlich für den ersten Vorbeiflug und war dann sehr froh, dass alles gut geklappt hatte."
    Cassini fliegt mit 24 Kilometern pro Sekunde in das Saturnsystem ein. Thomas Roatsch vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt konzentriert sich zunächst voll auf Phoebe, der direkt an der Flugbahn liegt. – Es ist der erste und einzige kurze Kontakt mit diesem Saturn-Mond: eine 200 Kilometer große Kartoffel aus losem Eis und Geröll.
    "Man konnte zum Glück ständig den Orbit ändern, weil Titan eine so große Masse hat, dass man bei jedem Vorbeiflug am Titan halt den Orbit ablenken konnte."
    Ralf Jaumann: "Man hat ihn benutzt um Gravity Assist zu machen, also um sein Schwerefeld auszunutzen, um damit den Orbit von Cassini zu ändern."
    Cassini surft von nun an von Mond zu Mond.
    "Titan ist das am häufigsten angeflogene Objekt gewesen"
    "Man hat ja alles geflogen: in der Äquatorebene, über die Pole und die Gravitationskraft von Titan immer wieder, um diese neuen Orbits zu stabilisieren. Zum Vorteil für die Wissenschaftler: Titan ist das am häufigsten angeflogene Objekt gewesen."
    Während der Runden um Saturn kommt Cassini immer wieder an einem Sonderling vorbei, an einer wahren Rarität: Titan – ein Mond größer als der Planet Merkur. Und auch sonst fällt er aus dem Raster. Athena Coustenis vom Observatorium Paris hatte den Titanen schon Jahrzehnte vor Cassini mit Teleskopen untersucht.
    "Titan wurde für die Wissenschaftler interessant, seit wir herausgefunden hatten, dass er eine Atmosphäre besitzt. Denn so etwas ist selten. Es schien schier unmöglich, dass ein Mond eine dichte Atmosphäre haben könnte."
    Am Weihnachtstag 2004 dockt Huygens von seiner Muttersonde ab und macht sich auf den Weg zur dunstverschleierten Oberfläche. Es folgen drei Wochen bangen Wartens.
    Flugbegleiter: Der Titan zieht nun auf der rechten Seite vorbei. Die Crew nimmt noch Wetten an: Wird eine tote Geröllwüste unser Beiboot erwarten - oder ein exotischer Ozean aus flüssigem Methan?
    Am 14. Januar 2005 geht es zum ersten Mal überhaupt in die Atmosphäre des Titanen. Die besteht wie die der Erde zwar hauptsächlich aus Stickstoff. Am Grund aber ist sie zehn Mal dichter. Nicht nur das macht den Sinkflug aufregend.
    Ulrich Köhler: "Dass dort bei -170 Grad gewissermaßen Benzin aus den Wolken regnet, das ist schon ein Vergleich, den die Leute faszinierend finden und wir auch."
    Keiner der Forscher wagte zu hoffen, dass Huygens den Ritt durch die Atmosphäre überleben würde, weder Ulrich Köhler noch Ralf Jaumann vom DLR in Berlin.
    Ralf Jaumann: "Er sollte nur durch die Atmosphäre gehen und die Atmosphäre messen und vielleicht ein bisschen auf der Oberfläche."
    Athena Coustenis: "Ich war in Darmstadt im Kontrollzentrum der ESA. Wir warteten darauf, von der Sonde zu hören, ein Geräusch, ein Signal oder irgendwas. Es war extrem aufregend und zeitweise erschreckend, wenn wir darüber nachdachten, was wäre, würden wir die Sonde verlieren."
    Doch Huygens schwebt, getragen von einem Fallschirm – und setzt auf festem Grund auf.
    Ralf Jaumann: "Und er war auf der Oberfläche und es ging ihm gut."
    Athena Coustenis: "Als ich die ersten Bilder von Titans Oberfläche gesehen habe – ein Flussbett mit weißen Kieselsteinen und Wassereis darauf – da war ich überzeugt, es ist der Mars. Ich habe gesagt: "Ich möchte jetzt kein Marsbild sehen, tut das weg. Wir warten doch auf Titan." Dann sagte jemand: Das ist Titan." Es war wirklich anders als alles, was wir uns jemals vorgestellt hatten."
    Der Sender der kleinen Sonde war leistungsschwach
    Die erste und einzige Titanlandung gilt als Erfolg. Huygens übermittelt Daten und das sogar noch nach dem Aufsetzen. Einziger Wermutstropfen: Am Ende verschwindet ein Teil der Forschungsdaten im Äther. Denn der Sender der kleinen Sonde war leistungsschwach – und auf die lauschenden Ohren von Cassini angewiesen, die sich auf ihrer Bahn um Saturn zunehmend entfernt.
    Ralf Jaumann: "Wir wussten alle, dass er immer noch Daten sammelt und sendet, die wir aber nie mehr gesehen haben."
    Flugbegleiter: Bitte lehnen Sie sich jetzt zurück. Nach unserem Besuch am Titanen beginnt ein Rundflug – nennen wir sie: Cassinis Mondfahrt.
    Cassinis Bordkamera entdeckt in den ersten Jahren am Saturn sieben zuvor unbekannte Monde und erhöhte deren Zahl auf 62. Aber diese von der Erde aus unsichtbaren Klumpen sind nichts gegen die viel größeren und helleren Saturn-Monde, die Menschen bereits seit Jahrhunderten als feine Pünktchen beobachten.
    Flugbegleiter: Liebe Fluggäste, vor uns liegen nun märchenhaften Welten, so weiß wie Schnee. Und so schwarz wie kosmischer Staub.
    Elke Kersten: "Japetus: Weil er so speziell ist mit seinen hellen und dunklen Seiten."
    Flugbegleiter: Oder die zwergengleichen, mit ihren buckelig emporragenden Gebirgen.
    "Wenn man von den kleineren spricht, da gibt es Pan und Atlas, mit dem Wulst. Das ist ja total spannend."
    Außer Titan besitzt kein Saturmond eine Atmosphäre. Ihre zerklüfteten kraterübersähten Oberflächen liegen offen zu Tage – und werden nun zum ersten Mal überhaupt im Detail fotografiert.
    "Mein Name ist Elke Kersten ich bin studierte Kartografin und seit etwa 10 Jahren an DLR und hier für die Kartografie auch zuständig für Mosaikierung von Daten und Atlanten und Nomenklatur."
    Vor Elke Kersten auf dem Tisch liegen Karten der vielen Eismonde. Am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin fügt sie die vielen tausend detaillierten Mondbilder von Cassini zusammen – und fertigt Atlanten daraus. Die ersten für Saturns Eismonde überhaupt.
    "Dione war der erste Mond, von dem ich einen Atlas erstellen durfte und das war natürlich eine aufregende Zeit. Denn im Studium habe ich mich mehr mit der Erde beschäftigt und hier ging es dann auf einmal ins All."
    Während ihre Kollegen vor Jahrhunderten noch unbekannte Landstriche auf der Erde durchwanderten, vermaßen und beschrieben – darf Elke Kersten am Ende zumindest die vielleicht edelste Aufgabe eines Kartografen übernehmen ...
    "Wir haben hier auch noch die Odyssee von Homer."
    … und für jeden noch so kleinen Krater, jedes Gletschergebirge und jede erkennbare Furche…
    "Da haben wir das Thema Tausend und eine Nacht."
    … einen Namen finden.
    "Da gibt es ein paar schöne Bücher, die man lesen kann. Da sind natürlich die Namen drin, die man so kennt: Aladin, Alibaba und Sindbad."
    Heute weiß man: Fast alle Monde haben ein Gesicht, das unserem eigenen Mond ähnelt: Das von lange erkalteten, toten Welten. Ein Mond aber ist anders.
    Linda Spilker: "Wenn er so alt wie das Sonnensystem ist, sollte ein so kleiner Mond eigentlich hartgefroren sein."
    Gabriel Tobie: "Es gab keine Messungen: nur ein paar Daten von Voyager, die andeuteten, die Oberfläche könnte ungewöhnlich aktiv sein. Aber keiner glaubte wirklich daran."
    Augenscheinlich keine tiefgefrorene Welt, sondern eine geologisch aktive
    Jetzt zeigt sich: Er ist augenscheinlich keine tiefgefrorene Welt, sondern eine geologisch aktive. Den Namen dieses Mondes nennt jeder der zu Saturn befragten Planetologen ziemlich schnell: "Enceladus"
    Flugbegleiter: Liebe Gäste: Wenn Sie ein Faible für Vulkane haben und für empor schießenden Dampf – oder sollten Sie gar Lust auf einen Tauchurlaub haben: Dieser Mond wird Ihnen gefallen.
    Am 17. Februar 2005 fliegt Cassini erstmals an Enceladus vorbei. Es ist der zweitkleinste der Eismonde mit einer runden Form. Aus ersten Indizien wird nur wenige Monate später Gewissheit: in einer Region rund um den Südpol von Enceladus
    Athena Coustenis: "Dieser kleine, 500 Kilometer durchmessende Mond, über den niemand wirklich nachgedacht hatte, wurde plötzlich interessanter als alles andere. Denn hier gab es lebensfreundliche Bedingungen sehr weit weg von der Sonne."
    Linda Spilker: "Die Entdeckung von Geysiren an Enceladus ließ uns Cassinis Tour verändern. Wir hatten dort vier Vorbeiflüge geplant und machten bis zum Ende der Mission 19 weitere. Enceladus wurde zu unserem wichtigsten Ziel."
    Flugbegleiter: Wenn Sie jetzt die Zunge hinausstrecken könnten, würden Sie auch die ausgespuckten Salzkristalle schmecken.
    Linda Spilker: "Wir mussten eigentlich nur hindurchfliegen, Messungen machen und nachsehen, was wir dabei finden. Das war natürlich vor allem Wasser. Aber es gab auch andere interessante Bestandteile, darunter Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff."
    Allein die Existenz der Geysire lässt die Planetologen allerdings rätseln: Wo kommt das Wasser her?
    Luciano Iess: "Die Frage klingt kompliziert, aber letztlich gibt es diese zwei wichtigsten Bestandteile: Silikatische Gesteine und dann Wasser in flüssiger und fester Form."
    Der Physiker ist spezialisiert darauf, unter die Oberflächen der Monde zu blicken.
    "My name is Luciano Iess. I am a professor of space engineering at Scienza University of Rome."
    Luciano Iess und seine Kollegen verwenden eine Messmethode, die zuvor nirgendwo so exakt eingesetzt worden ist wie bei Cassini. Die Physiker nutzen das Radiosignal, über das die Raumsonde ihre Daten zur Erde sendet. Wenn das Signal durch das Schwerefeld des Mondes läuft, wird es geringfügig abgelenkt. Die Idee: Wenn Enceladus in seinem Innern teilweise flüssig ist, sollte es messbare Schwankungen im Schwerefeld geben. Die Form des kleinen Mondes sollte leicht hin und her eiern. Und mit ihm das Signal der Raumsonde.
    "Wir suchen nach Asymmetrien im Schwerefeld: Und bei Enceladus gibt es deutliche Unterschiede zwischen nördlicher und südlicher Hemisphäre."
    Gestützt wurden die Schwerkraftmessungen von einem Befund des Kamerateams, das zeigte: Auch die Oberfläche von Enceladus bewegt sich auf und ab. Was das bedeutete, war klar.
    "Der äußere Eispanzer muss vom Kern in der Tiefe entkoppelt sein. Und was kann die zwei Schichten entkoppeln? Nur eine Flüssigkeit! Wir wissen jetzt, dass Enceladus einen globalen Ozean besitzt. Rund um den Südpol ist diese Schicht Wasser deutlich dicker. Das heißt auch, das Wasser liegt hier deutlich näher an der Oberfläche. Der Ozean ist 37 Kilometer tief – und das ist wirklich eine Menge."
    Auf der Erde sind Ozeane im Schnitt gerade vier Kilometer tief. Auf Enceladus sind sie fast zehn Mal tiefer.
    Athena Coustenis: "Wir haben uns dann die Zusammensetzung der Geysire angesehen. Wir fanden in dem Wasser auch organische Verbindungen. Damit waren bereits Bedingungen für Lebensfreundlichkeit erfüllt. Und uns interessierte, wie so ein Ozean eigentlich entstehen kann. Das brachte uns zu den Energiequellen."
    Gabriel Tobie: "Wenn es keine andere Energiequelle gäbe, dürfte das Innere von Enceladus nur zehn Grad wärmer als seine Oberfläche sein. Dort liegt die Temperatur bei rund minus 215 Grad Celsius. Im Innern dürften es also höchstens minus 190 Grad sein."
    Irgendetwas muss diesem Mond gigantisch einheizen.
    Ein flüssiger Ozean deutet dagegen auf 200 Grad mehr, auf Temperaturen um den Gefrierpunkt. Irgendetwas muss diesem Mond gigantisch einheizen.
    "Normalerweise verliert ein sehr kleiner Körper auch seine Wärme sehr schnell. Es ist für ihn ziemlich schwierig, eine hohe Temperatur zu halten."
    Gabriel Tobie ist Geophysiker an der Universität im französischen Nantes.
    "Die Schätzung liegt bei 20 bis 30 Gigawatt an Wärme. Das ist hundert Mal mehr als durch den Zerfall radioaktiver Elemente in seinem Inneren erzeugt werden könnte – und damit die wichtigste Energiequelle für die anderen kleinen Objekte im Sonnensystem."
    Der Forscher hat mittlerweile eine Antwort gefunden: Die Wärme von Enceladus ist nicht nur der Gezeitenkraft des Saturns selbst geschuldet, sondern hängt eng mit der Existenz seines Ozeans zusammen. Der wasserreiche Mond hält sich dank seines Ozeans und der Reibungshitze warm.
    "Wäre Enceladus ein fester und starrer Körper, könnte er nicht verformt werden. Doch er verformt sich und der Ozean verstärkt die Deformation. Unsere Ergebnisse zeigen, dass dank des Ozeans sogar der feste Kern darunter verformt werden kann. Gäbe es keinen Ozean, gäbe es auch keine Möglichkeit, Wärme zu erzeugen."
    Diese schöne Idee haben die Forscher erfolgreich durchgerechnet. Physikalisch könnte sie funktionieren. Doch schaut man sich den Nachbarmond Mimas an, stößt man auf einen Widerspruch. Mimas kreist dichter an Saturn und müsste durch Gezeitenkräfte noch stärker durchgewalkt und in seinem Innern erwärmt werden. Doch gerade Mimas ist jener steif gefrorene Eisbrocken, der Enceladus sein sollte.
    "Es ist paradox. Unter Enceladus wird sehr viel Wärme produziert, auf Mimas können wir nichts dergleichen beobachten. Obwohl auf Mimas viel größere Kräfte wirken."
    Flugbegleiter: Meine Damen und Herren, ich möchte Sie nun zu Ihrer eigenen Sicherheit bitten, sich anzuschnallen.
    Obwohl längst nicht alle Fragen geklärt sind, macht sich Cassini am 22. April 2017 auf den Weg zu ihrem letzten – dem gefährlichsten Auftrag.
    Flugbegleiter: Laut unserem Kapitän können jederzeit Fels- uns Eisbrocken in unsere Hauptantenne einschlagen.
    Linda Spilker: "Wir wollten diese Bahnen nicht zu früh fliegen, denn sie sind viel riskanter."
    Cassini vollführt bei ihrem allerletzten Vorbeiflug am Titan eine scharfe Kurve und biegt in Richtung Saturn ab – zunächst aber noch haarscharf an ihm vorbei. Die Sonde zielt zum allerersten Mal auf die Lücke zwischen Ringsystem und dem riesigen Planeten. Es ist unbekanntes Terrain.
    Flugbegleiter: Bitte öffnen Sie ihre Sonnenblenden - sie könnten da draußen jetzt Dinge sehen, die nie zuvor ein Mensch gesehen hat.
    Carl Murray: Wir haben bis heute keinen einzigen Ringpartikel fotografiert.
    Cassini widmet sich in diesen letzten fünf Monaten ihrer Reise jenen Rätseln, die hinter den Ringen des Saturns stehen. Die Ringebene selbst hat bereits Galileo Galilei entdeckt – und über die letzten vier Jahrhunderte beschrieben Forscher immer mehr Details.
    "Sie müssen entschuldigen. Die Ringe sind in der Reihenfolge ihrer Entdeckung sortiert."
    Carl Murray von der Queen Mary University in London ist einer der großen Ringexperten - und er kennt sie alle.
    Am 15. September wird Cassini den Wolkenbändern des Saturns entgegensinken
    Je genauer die Teleskope über die Jahrhunderte wurden, umso mehr Details enthüllten sie. Cassini entdeckte in den Ringen durch die Schwerkraft hervorgerufene Muster und Verwirbelungen, darunter die Propeller; zwei umeinander kreisende Wellen aus Ringmaterial. Und einen neugeborenen Mond.
    "Vor ungefähr vier Jahren sahen wir ein winziges Objekt am Rand des A-Rings. Wir nannten es Peggy. Und wir denken, Peggy könnte ein Endprodukt aus diesen Verwirbelungen sein. Zwar sind die Ringe heute viel weniger dicht als früher. Aber sie könnten immer noch in der Lage sein, neue Monde zu produzieren."
    "Saturns Ringe sind ein Beispiel für eine astrophysikalische Scheibe, mit der gleichen Physik, die auch im frühen Sonnensystem gewirkt hat. An diesen Bewegungen, die wir an den Propellern beobachtet haben, lernen wir auch etwas über die Bewegungen jener Zeit, als sich die Planeten bildeten, aber gleichzeitig noch mit der Scheibe interagierten, aus der sie gerade entstanden waren"
    Am 15. September wird Cassini den Wolkenbändern des Saturns entgegensinken, bis zum letzten Moment Daten übertragen, bis ihre Hauptantenne schließlich den Kontakt zur Erde verliert und die Sonde auseinanderbricht.
    Was dann von ihr bleibt, sind fast eine halbe Million Bilder, unzählige Spektren und andere Daten. Es ist der Fund eines Wasserozeans unter Enceladus und vielleicht sogar unter der eiskalten Oberfläche des Titans.
    Nicolas Altobelli: "Ich glaube, Cassini hat definitiv ein neues Gebiet der Astrophysik eröffnet, nämlich die Erforschung der Eismonde und Ozeane, die unter der Oberfläche zu finden sind."
    Ulrich Köhler: "Diese Mission gehörte noch zu den großen Erkundungsmission, um herauszufinden, wie denn die Körper wirklich alle aussehen. Alles was jetzt kommt, ist schon sehr viel spezieller. Man überlegt sich: Möchte man mal zum Saturnmond Titan mit einer speziellen Mission fliegen in den nächsten Jahrzehnten oder den Saturnmond Enceladus etwas genau unter die Lupe nehmen? Also jetzt geht es an die eingemachten Fragen."
    Die nächsten Sonden widmen sich dem Jupiter. Denn auch der besitzt Monde mit gigantischen Ozeanen unter dicken Eisschichten.
    Nicolas Altobelli: "In diesem Sinne spielt es fast keine Rolle, ob wir am Saturn sind oder beim Jupiter. Was wir brauchen, ist ein Muster von Riesenplaneten, die umgeben sind von kleinen Eismonden. In diesem Sinne ist die Erforschung von Jupiter natürlich der nächste Schritt, den Cassini eingeleitet hat."
    Doch Ausflüge ins äußere Sonnensystem bleiben herausfordernd und teuer. Unwahrscheinlich, dass sich eine mehrere Milliarden Euro teure Unternehmung heute wieder genauso schmieden ließe, wie in den 80er Jahren Cassini-Huygens.
    "Es gibt momentan nur zwei Weltraumorganisationen, die zu so großen Operation fähig sind. Das ist die NASA und es ist die ESA. Und das ist ja auch das, was sie tun."
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    2012 kündigt die ESA die gemeinsam geplante Jupitermission Laplace mit Hinweis auf das enge NASA-Budget auf und entwickelt sie von da an alleine weiter.
    "Jede Agentur hat natürlich ihre eigene Agenda, wann was gemacht wird. Das hängt natürlich vom jeweiligen Budget ab. Man hat schon in der Vergangenheit gesehen: Cassini ist nicht so einfach entstanden. Man muss natürlich viel verhandeln."
    2015 kündigt die NASA an, ihre Landemission Europa Clipper – den Flug zum Jupitermond Europa - alleine durchzuführen. Alleingänge scheinen vorerst ein neues Modell zu sein für Raumsonden ins äußere Planetensystem.
    Luciano Iess: "Nur eine Agentur schultert die Mission, mit wenigen Instrumenten anderer Agenturen. Aber nichts wie Cassini."
    Wird bald wieder eine Raumsonde zum Saturn starten? Die Ideen reichen von Booten oder Ballons für den Titan – bis zu Landern in der Geysirlandschaft von Enceladus. Ob sich solche aufwendigen Missionen auch heute noch auf den Weg bringen lassen, steht in den Sternen.
    Flugbegleiter: Liebe Gäste, leider kann ich Ihnen noch keine weiteren Informationen über mögliche Anschlussflüge zum Saturn geben. Sobald ich mehr weiß, werde ich Sie natürlich darüber informieren.