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Ringen in Schweden
Der Club, der Jugendlichen eine Perspektive gibt

In Rosengård, einem Stadtviertel in Malmö, der drittgrößten Stadt Schwedens, geht es nicht sonderlich idyllisch zu. Brennende Autos, Raub, Schießereien. Damit nicht noch mehr Jugendliche auf die schiefe Bahn geraten, versucht ein Ringerclub, ihnen ein Alternativprogramm zu bieten.

Von Victoria Reith |
    Die Ringer von den Malmö Wrestling Tigers: Armando, Dan Flasch und Moussa (v.l.n.r.)
    Die Ringer von den Malmö Wrestling Tigers: Armando, Dan Flasch und Moussa (v.l.n.r.) (Deutschlandradio/Victoria Reith)
    Donnerstagabend, 18 Uhr, Sporthalle Rosengård: Training der Malmö Wrestling Tigers. 25 Jungs zwischen neun und 13 sind auf der Matte, in zwei Gruppen aufgeteilt. Rechts die Anfänger. Die robben paarweise übereinandergestapelt über den Boden. Ringen griechisch-römisch.
    Links die Besseren. Die Füße an der Wand müssen sie in den Liegestütz. Das ist hart. Die Gruppe habe nicht gespurt, erklärt Trainingschef Dan Flasch. Für den Mann mit der österreichischen Mutter ist Disziplin ein wichtiges Gebot.
    "Viele unserer Kinder kriegen von zu Hause nicht die Struktur mit"
    "Das Problem, das wir haben in diesem Gebiet Rosengård: Viele von den Kindern kriegen von zu Hause nicht die Struktur und wir helfen denen. Wir sind streng und zeigen, das machst du nicht und das darfst du machen."
    In einer der beiden Umkleidekabinen sitzt ein Mann auf dem Boden und betet gen Mekka. In der anderen sitzt der 15-jährige Armando Molin. Hier in Rosengård gibt es nicht viele Freizeitaktivitäten für junge Leute. Ein Jugendzentrum, Sportvereine, das war's dann auch schon. Deshalb setzt Armando ganz aufs Ringen.
    Er ist in Schweden geboren, seine Eltern sind polnische Roma. "Zuhause ist es super schön. Manchmal ist es ein bisschen schwierig. Aber beim Ringen fühle ich mich wohl. Mein zweites Zuhause."
    Schlägereien, Raub und sogar Schießereien sind in Rosengård an der Tagesordnung
    Um Jugendliche wie Armando für sich zu gewinnen, wird der Ringerclub selbst aktiv. "Das ist wichtig für uns, dass wir in die Schule gehen oder raus auf die Straße und sagen, komm' rein und trainier'. Das ist besser, hier drinnen zu trainieren, als dass sie auf der Straße Autos verbrennen. Wir haben ja viele Probleme hier."
    Schlägereien, Raub und sogar Schießereien - im Februar wurde ein 16-jähriger Schuljunge getötet, im März ein 23-Jähriger Mann. Meist sind es kleinere Streits, die aber schnell eskalieren. Es kommt immer mal wieder vor, dass auch Ringer nicht mehr zum Training erscheinen, weil sie sich Banden anschließen.
    Training bei den Malmö Wrestling Tigers.
    Training bei den Malmö Wrestling Tigers. (deutschlandradio/Victoria Reith)
    Aber Dan Flasch und seine Trainerkollegen arbeiten daran, dass die Erfolge überwiegen. "Wir haben gerade ein Kind, das sehr viele Probleme in der Schule und alles hatte. Und er fängt in Landslaget" -"Nationalmannschaft" - "ja, in Schweden, zu trainieren. Er ist nur 15 Jahre und jeden Tag hier und trainiert. Und das ist richtig so einer, wenn er nicht hier wäre, dann wäre er 100-prozentig auf der Straße und vielleicht Narkotika oder Gangs und so. Jetzt trainiert er."
    "Als ich mit dem Ringen angefangen habe, habe ich begonnen über meine Zukunft nachzudenken"
    Der Junge, über den Dan Flasch spricht, ist Armando: "Ringen hat mich sehr stark verändert. Als ich angefangen habe mit Ringen, habe ich angefangen, über meine Zukunft nachzudenken, alles Mögliche. Vorher dachte ich, okay, scheiß' drauf. Jetzt trainiere ich hart und denke an die Zukunft und die Schule. Ich bin ein anderer Mensch."
    Wohl auch weil er weiß, dass sein Trainer durchgreift. Wer Ärger macht, spürt auch beim Ringen Konsequenzen, erklärt Dan Flasch. "Wir sagen immer, wenn wir sowas hören, wenn der Lehrer anruft und sagt, dass du in einer Schlägerei warst, dann darfst du nicht nächste Woche zum Wettbewerb. Wir wissen nicht nur, was hier drinnen passiert, sondern auch auf der Straße und in der Schule."
    Oft seien 35 bis 40 Kinder an einem Abend da. Heute werden einige der jungen Sportler von Eltern und Geschwistern begleitet, die am Rand sitzen und sich unterhalten. Die Älteren wie Armando kommen allein. Sie sind fast täglich hier, der Sport ist ihre ganz große Leidenschaft.
    "Rosengård ist der beste Bezirk"
    "Ringen ist all in. Gewinnen oder Verschwinden." Sein 16-Jähriger Kollege Moussa Fatah sieht es ähnlich. Außer Ringen hat er keine Hobbys, erzählt er. "Nur Ringen."
    Seinen Stadtteil Rosengård liebt er trotzdem. "Rosengård ist der beste Bezirk, den es in ganz Schweden gibt. Alle helfen einander, wenn irgendwas passiert. Wenn du einkaufen gehst - und alleine bist. Irgendeiner trägt dir immer die Einkaufstasche die Treppe hoch."
    Für den Trainingschef Dan Flasch ist es eine Genugtuung, wenn er sieht, dass seine Sportler zu verantwortungsbewussten Menschen heranwachsen. Aber zufrieden ist er noch nicht. Sein Wunsch: mehr Engagement der Mitmenschen: "Ich liebe es, mit den Kindern zu arbeiten. Wenn ich sehe, dass es den Kindern gut geht, geht es mir auch gut. Wenn mehr Leute in Malmö helfen würden, würde es nicht so aussehen."
    Mehr Eigenverantwortung der Mitbürger - und mehr Geld von der Stadt für die Malmö Wrestling Tigers. Das wünscht sich der Trainingschef, damit er noch mehr Jugendlichen in Rosengård helfen kann.