Chris Wallace: "Das Publikum hier in der Halle hat versprochen, ruhig zu bleiben; kein Beifall, keine Buhrufe oder andere Unterbrechungen, sodass wir uns auf das fokussieren können, was die Kandidaten zu sagen haben. Kein Lärm, außer jetzt wo wir die demokratische Kandidatin Ministerin Clinton und den republikanischen Kandidaten Mr. Trump begrüßen."
Beim dritten und abschließenden Fernsehduell zwischen Hillary Clinton und Donald Trump vor zwei Wochen ging der amerikanische Wahlkampf in die letzte Runde.
Hillary Clinton: "Ich werde eintreten für Familien, gegen mächtige Interessen, gegen Konzerne. Ich werde alles wozu ich imstande bin tun, um sicherzustellen, dass Sie gute Jobs haben, steigende Einkünfte, dass Ihre Kinder eine gute Ausbildung erhalten vom Kindergarten bis zur Hochschule. Ich hoffe, Sie geben mir die Chance, Ihnen als Ihre Präsidentin zu dienen."
Donald Trump: "Wir werden Amerika wieder stark machen. Wir werden Amerika wieder groß machen. Und das muss jetzt beginnen. Wir können nicht vier weitere Jahre Barack Obama ertragen. Aber das kriegt ihr, wenn ihr sie kriegt."
Während die Fernsehdebatte der Kontrahenten weitgehend sachlich verlief, beharken sich beide Wahlkampfbataillone umso härter und mit allen Mitteln, mitunter gleicht es einer Schlammschlacht, wie um die Nachfolge Barack Obamas im Weißen Haus gerungen wird.
Bilanz aus Obamas Amtszeit
Obamas achtjährige Präsidentschaft endet im Januar mit dem Amtsantritt seines Nachfolgers beziehungsweise seiner Nachfolgerin. Wie sieht die Bilanz seiner Politik aus? Was hat er erreicht?
Dietmar Herz, Professor für Vergleichende Regierungslehre an der Universität Erfurt, hat lange Jahre in den USA gelebt und gelehrt. Er blendet zurück in das Jahr 2004 auf eine Versammlung der demokratischen Partei, wo sich Barack Obama schon vier Jahre, bevor er Präsident wurde, erklärt hat.
"Da hat er ein Thema formuliert und das hat er zum Kern seiner Botschaften gemacht: Er wollte Amerika versöhnen, also die politische Spaltung aufheben, das Auseinanderdriften verschiedener Gruppen, Religionsgemeinschaften, Ethnien, Rassen und so weiter das wollte er aufheben. Das machte er zum Kern seiner Präsidentschaft."
Misst man Obama an diesem Ziel einer nationalen Integration und Versöhnung, dann sei er gescheitert, so Dietmar Herz.
"Wenn man nun acht Jahre später sich das Ganze anschaut, dann ist die Situation heute schlechter als vor acht Jahren, als er hat dieses Ziel nicht erreicht: Amerika ist heute eine vollkommen zerrissene Gesellschaft, im politischen Sinne, im sozialen Sinne, aber leider heute auch wieder im ethnischen - oder wenn Sie so wollen - im rassischen Sinne."
Vermutlich konnte Obama diesen hohen Anspruch aber auch nicht einlösen. Deshalb wählt Dietmar Herz für sein Fazit der Obama-Ära den scheinbar paradoxen Titel: "Erfolgreich gescheitert". Denn Obama habe auf verschiedenen Politikfeldern im Einzelnen durchaus Beachtliches erreicht:
"Das Nuklearabkommen mit dem Iran hat eine Eskalation der Situation zwischen Israel und Iran verhindert, hat Iran in die Völkergemeinschaft zurückgeführt und für den Westen geöffnet. Amerika ist wieder gesprächsbereit, das wird in der arabischen Welt immer noch mit Misstrauen beäugt, die acht Bush-Jahre sind nicht vergessen, aber immerhin auf dem richtigen Weg."
Obama, Guantanamo und Gesundheitsreform
Die Kluft zwischen Vision und moralischem Anspruch auf der einen und politischer Realität auf der anderen Seite markiert jedoch nichts so sehr wie der Name Guantanamo: Vor seiner ersten Wahl im November 2008 hatte Obama versprochen das Gefangenenlager auf Kuba binnen eines Jahres zu schließen. Das ist bis heute nicht gelungen.
"Guantanamo wollte er schließen, er hat einen Plan vorgelegt, der Kongress hat das Geld verweigert. Und heute tut er das wieder. Aber von 749 Gefangenen, sind es jetzt noch 61, er hat die Zahl reduziert, sucht Rechtsstaatlichkeit, er hat die harten Verhörmethoden - wir würden sagen Foltermethoden - die Bush erlaubt hat, und die Donald Trump noch verstärken will, sollte er Präsident werden, allesamt verboten."
Nicht wenige politische Beobachter und Wissenschaftler sehen in Obamas Gesundheitsreform seinen größten Erfolg. Damit wird er als Präsident in die Geschichte eingehen.
"Die Gesundheitsreform, die sogenannte Obama-Care, ist die erste große Gesundheitsreform eigentlich seit Truman, hier hat er auch ganz klar diesen Paradigmenwechsel eingeleitet. Ich bin überzeugt, dass Hillary Clinton, zwar seine Reformen nicht rückgängig machen, aber die Politik von Obama nicht fortsetzen wird, weder die auf Ausgleich gerichtete Politik im Innern noch die vorsichtige Außenpolitik. Sie wird zu einer aktivistischeren Außenpolitik zurückkehren und im Innern zur Politik der Bill-Clinton-Jahre. Also hier wird sich eine Verschlechterung einstellen und über die Vision einer Präsidentschaft von Donald Trump wollen wir gar nicht reden."
Donald Trump sind diese Sozialleistungen ein Dorn im Auge. Was er selber genau machen wird, sagt er nicht in seinen Wahlkampfreden. Nur so viel:
"Unser Land steckt in ernsthaften Schwierigkeiten und in völliger Unordnung. Warum - sehr einfach: Politiker reden alle, handeln aber nicht. Das geht fortwährend so, es hört niemals auf. Ich bin ein Konservativer, eigentlich ein sehr Konservativer. Ich bin ein Republikaner. Und ich bin sehr enttäuscht von unseren republikanischen Politikern."
Trump spielt die populistische Karte. Er setzt auf das Ressentiment gegen die politischen Eliten. Und das verfängt insbesondere bei all jenen, die sich von den Berufspolitikern, von Washington, ignoriert und abgehängt fühlen. Seit der Amtszeit von Ronald Reagan ist die soziale Ungleichheit auch im weißen Amerika rasant gestiegen. Es gibt die Verlierer der Globalisierung, Menschen, die arbeitslos sind oder sich in kärglichen Niedriglohnjobs wiederfinden, die sich vor sozialem Abstieg und Statusverlust fürchten.
"Der Reflex, sich gegen das Politikestablishment, gegen die politischen Eliten in Washington zu richten, das ist durchaus in beiden Parteien populär, also das, was in Washington passiert, was die Bundesregierung macht, ist sehr unbeliebt. Die Amerikaner haben eine traditionelle Skepsis gegenüber dem, was der Zentralstaat, also die Bundesregierung unternimmt, das haben die republikanischen Strategen seit den 1990er-Jahren eingesetzt."
Beobachtet Dr. Thomas Greven, Privatdozent für Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin.
"Das ging so weit, dass insbesondere republikanische Abgeordnete und Senatoren fast keine Zeit mehr in Washington D.C. zubringen konnten, weil der Druck so groß war, sich im Wahlkreis, zu Hause, zu zeigen."
Trump nutzt populistische Ressentiment gegen die politischen Eliten
Donald Trump hatte bisher keine politischen Ämter. Der Immobilien-Tycoon nutzt das populistische Ressentiment gegen die politischen Eliten, und das verschafft ihm mächtigen Rückenwind im Wahlkampf gegen Hillary Clinton, erläutert Professor Claus Leggewie, der an der Universität Gießen Politikwissenschaft lehrt.
"Warum hat Hillary Clinton ihm nichts entgegengesetzt - weil sie exakt das verkörpert, was er immer angreift, nämlich das Establishment, eine enge Verwobenheit zwischen Wall Street und Washington, die Arroganz der Macht, die die Tea-Party, aber auch andere, zum Beispiel Occupy, immer wieder kritisiert haben in der amerikanischen Gesellschaft, das verkörpert Hillary Clinton wie keine zweite."
Aber auch die Spitzenpolitiker der republikanischen Partei gehören zum Establishment. Hier offenbart die populistische Strategie Trumps ihre gefährliche Kehrseite für die eigene Partei, für alle Republikaner, die in Washington im Senat oder im Abgeordnetenhaus vertreten sind.
"Die Republikaner, die im Kongress jedwede Kompromissbereitschaft zum Beispiel gegenüber Präsident Obama gezeigt haben, wurden dann prompt von Bewegungskonservativen wie der Tea Party usw. abgestraft, indem man gesagt hat, das sind keine richtigen Republikaner, die machen ja Kompromisse mit der demokratischen Regierung, mit Obama, also sind sie nur Republikaner im Namen und wir müssen sie abwählen. Und das ist ja in den USA möglich, eben in den Vorwahlen solche Kandidaten abzustrafen."
In seinem gerade erschienenen Buch "Partei der Extreme: Die Republikaner" vergleicht Torben Lütjen die republikanische Partei mit Goethes Zauberlehrling, der die Geister, die er rief, also Trump, nicht mehr loswird. Den populistischen Affekt gegen Establishment und Berufspolitiker, verbunden mit Fremdenfeindlichkeit, dieses Ressentiment hat Trump allerdings nicht erfunden. Hier haben, so Claus Leggewie, andere bereits den Boden bereitet, insbesondere die den Republikanern nahestehende Tea Party.
"Die Tea-Party-Bewegung, das ist eine sozialpolitische Bewegung, die außerhalb der Partei sich entwickelt hat. Das waren Vorläufer für einen ganz radikalen, rassistischen, chauvinistischen Konservatismus, der in der republikanischen Partei viel zu stark gefördert worden, viel zu lange laufen gelassen worden ist, daher der Ausdruck des Zauberlehrlings, hier hat die republikanische Partei den Besen nicht mehr einfangen können - jemand wie Trump, der ein unverschämter Machtmensch ist, der keinerlei Rücksichten kennt, der vor nichts Respekt hat und eine ungeheure autoritäre Durchsetzungskraft. Es gibt Menschen, die sind bei autoritären Führern nicht etwa rebellisch, sondern sie unterwerfen sich, und diese Unterwerfungsgeste hat die republikanische Partei gemacht."
Hang zur Spaltungspolitik
Während Claus Leggewie als Grund vor allem den Charakter Trumps, sein Machtmenschentum, hervorhebt, hat Thomas Greven strukturelle Gründe herausgearbeitet. Die republikanische Partei, so Greven, hatte seit ihren Anfängen einen Hang zur Spaltungspolitik, der heute bei Trump in seinen Tiraden gegen Einwanderer und gegen den Islam besonders laut wird.
"Das erste Spaltungsthema ist der sogenannte Nativismus. Also die Republikaner haben sich aus Parteien und Gesellschaftsschichten auch gebildet, die gegen Einwanderung gestanden haben. Damals waren das nicht Lateinamerikaner, sondern zum Beispiel Deutsche oder Iren oder Italiener. Die zweite Spaltungslinie ist damit auch erkennbar, das ist nämlich die Religion. Also die republikanische Partei war eine antikatholische Partei. Heute ist von dem Anti-Katholizismus nicht mehr so viel übrig geblieben, aber die Religion ist als Spaltungslinie da, heute vor allem eine Positionierung gegen den Islam."
Donald Trump polemisiert nicht nur gegen alle möglichen Minderheiten, zuletzt sind auch sexistische und verächtliche Äußerungen gegenüber Frauen publik geworden. Natürlich nutzt dies Hillary Clinton im Wahlkampf.
"Eine Reihe von Frauen ist damit an die Öffentlichkeitgegangen, dass er ihnen genau das angetan hat. Und was war seine Antwort: Er sagte, dass er so etwas unmöglich gegenüber jenen Frauen gesagt haben könne, weil sie dafür nicht attraktiv genug wären. Über eine andere Frau meinte er, sie wäre nicht seine erste Wahl. Er griff die Reporterin an, nannte sie widerlich wie eine Reihe von Frauen während seines Wahlkampfs. Donald denkt, Frauen klein zu machen, mache ihn größer."
"Das könnte wiederum ihre Chance sein, dass er so unglaublich frauenfeindlich agiert hat. Das ist ein Riesenfehler von ihm gewesen, er unterschätzt einfach, dass die zweite Hälfte der amerikanischen Gesellschaft weiblichen Geschlechts ist und sich das nicht bieten lässt. Frauen sind für ihn nichts wert oder Lustobjekt oder Sekretärin. Das hat die amerikanische Gesellschaft verstanden, die amerikanische Gesellschaft achtet sehr auf Gleichberechtigung."
Trump kriminalisiert Clinton
Donald Trump versucht, mit allen Mitteln zu kontern. So fordert er Anklage gegen Hillary Clinton, weil sie als Außenministerin dienstliche, womöglich brisante Informationen, von ihrem ungeschützten privaten PC verschickt hat. Trump kriminalisiert Clinton. Das FBI untersucht die Affäre.
"Die Dinge, die jetzt bemerkt werden, die E-Mails sind einfach, Entschuldigung, saudumm von ihr, so damit umzugehen. Das kann sie den Wahlsieg kosten, das kann ihr das Genick brechen, weil sie mit einem brutalen Gegner zu tun hat, und einer republikanischen Partei, die mit dem Rücken zur Wand steht und die unbedingt durchstarten muss."
Der Wahlausgang bleibt ungewiss. Falls Clinton gewinnt, so wird sie genau wie Obama mit einer Kongressmehrheit gegen sich zu kämpfen haben. Das ist vergleichbar einer Konstellation in Deutschland, wo die Bundesregierung auf einen Bundesrat trifft, in dem die Opposition die Mehrheit hat und Gesetzesvorlagen blockieren kann, allerdings nur die zustimmungspflichtigen. In den USA ist das Regieren in einer solchen Patt-Situation noch schwieriger. Was Donald Trump bei einem Wahlsieg genau macht, ist unklar. Viele seiner Vorschläge, so Dietmar Herz, seien unrealistisch – wenn er zum Beispiel erklärt, in einem 15-Minuten-Gespräch mit Putin die Sache in Syrien regeln zu wollen – oder schlichtweg absurd, wenn eine Mauer an der mexikanischen Grenze gegen illegale Einwanderer gebaut und das Ganze von Mexiko bezahlt werden soll.
"Wer nicht wählen geht, wählt Trump"
Wenn in den letzten Tagen nichts Spektakuläres geschieht, keine terroristischen Anschläge oder skandalösen Enthüllungen, so dürfte statistisch hochgerechnet Hillary Clinton die Mehrheit der Stimmen erhalten. Was aber passiert, wenn viele Anhänger Clintons nicht zur Wahl gehen?
"Wer nicht wählen geht, wählt Trump. Trump hat eine entschiedene Anhängerschaft, die geht, diese Anhängerschaft reicht aber auf gar keinen Fall zur Mehrheit. Trumps Position vertreten etwa 20 oder 25 Prozent der amerikanischen Gesellschaft. In der gegenwärtigen Situation, in der er massiv mobilisieren kann, und die Gegnerin so schwach wirkt oder schwach geredet wird, hat er mehr Prozente, aber er hat auf gar keinen Fall eine strukturelle Mehrheit, das heißt, alle Menschen, die nicht wählen gehen, wählen Trump."