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Risiken der Öl-Förderung

Umwelt.- Seit Anfang des Monats fließt vor der Küste Brasiliens Öl aus einem Bohrleck in den Atlantik. Rund 160 Quadratkilometer groß soll der Ölteppich sein. Kurt Reinicke, Professor des Instituts für Erdöl- und Erdgastechnik an der TU Clausthal, erläutert im Interview, wie solche Unfälle verhindert werden könnten.

Kurt Reinicke im Gespräch mit Jochen Steiner |
    Jochen Steiner: Vor der Sendung konnte ich mit Kurt Reinicke sprechen. Er ist Professor am Institut für Erdöl- und Erdgastechnik der TU Clausthal, und ich habe ihn zunächst gefragt, was er über den aktuellen Stand weiß.

    Kurt Reinicke: Mein aktueller Stand ist, dass die Bohrung weitestgehend unter Kontrolle ist, dass nichts mehr auslaufen soll. Und das kommt daher, dass man begonnen hat, die Bohrung zu verfüllen.

    Steiner: In den Agenturmeldungen war auch zu lesen, dass es einen unerwartet starken Druck bei der Bohrung gegeben haben soll. Das klingt ja so ein bisschen nach einem Planungsfehler. Oder gibt es da andere mögliche Erklärungen?

    Reinicke: Den Druck genau vorherzusagen ist unheimlich schwer. Liegen Sie daneben, dann können Sie eben mit ihrer Spülung, die Sie dort verwenden, um die Bohrung niederzubringen, diesen Druck nicht mehr kontrollieren und es kommt zum sogenannten Kick, der sich zum Blowout entwickeln kann.

    Steiner: Das Leck soll ein Riss gewesen sein von 400 Metern Länge. Das ist ja nicht gerade klein. Was werden denn dort unten für Materialien eingesetzt, die diesem wahnsinnigen Druck standhalten müssen?

    Reinicke: Also die Informationslage ist nicht sonderlich gut. Ich bin mir nicht ganz klar, ob diese 400 Meter tatsächlich einen Riss darstellen in dem Stahl selber - das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. In den meisten Meldungen ist auch die Rede davon, dass durch dünne Risse am Boden angeblich dieses Öl austreten soll. Also wann ist es eher durch die Bohrung selber? Sondern dass dieses Öl hinter der Bohrung durch das Gestein hochkommt und dann eben über 400 Meter lange Risse dann in das Wasser eintritt.

    Steiner: Nach der Katastrophe im Golf von Mexiko - hat sich da an den Sicherheitsvorkehrungen bei diesen doch mehr oder weniger riskanten Tiefseebohrungen etwas getan?

    Reinicke: Also ich kann das jetzt mit Sicherheit nur sagen für die Nordsee. In der Nordsee ist eine ganze Menge passiert. Ich weiß natürlich nicht, inwiefern das, was dort in der Nordsee gemacht worden ist, dann letztendlich seinen Weg gefunden hat bis nach Brasilien.

    Steiner: Was müsste sich denn Ihrer Meinung nach ändern, damit solche Katastrophen bei Öl-Tiefseebohrungen nicht immer und immer wieder passieren.

    Reinicke: Eine Ursache für diesen Vorfall ist ja, dass Öl ins Bohrloch eingetreten ist und dort zu einer starken Druckerhöhung geführt hat. Man kann so etwas beherrschen, wenn man die Reaktionszeiten deutlich verringern kann, wenn man sofort erkennt oder mehr oder weniger unmittelbar erkennt, wenn tatsächlich Öl oder Gas aus der Formation ins Bohrloch eintritt. Dazu gibt es drei Möglichkeiten: Nummer eins: Man müsste dem Bohrer mehr und bessere Informationen zur Verfügung stellen über das, was da unten tatsächlich läuft. Das könnte man vielleicht durch neue Sensoren erreichen oder neue Technologie. Nummer zwei: durch eine Regulierung der Arbeitsprozesse des Bohrers - der eben angehalten werden muss, auf alle Anzeigen zu achten, sodass er unmittelbar reagiert, wenn etwas passiert. Und drittens: durch künstliche Intelligenz. Dass sie die Reaktionsfähigkeit des Bohrers ersetzen, also des Bohrmeisters ersetzen durch künstliche Intelligenz.

    Steiner: Die Ölkonzerne bohren - auch wenn diese Sachen noch nicht ganz so umgesetzt sind, wie Sie es sich vielleicht wünschen würden - ja immer und immer tiefer in den Meeresboden, mehrere Kilometer. Wird denn das Risiko nicht irgendwann zu groß? Müsste man nicht sagen, irgendwann ist es auch mal gut?

    Reinicke: Also die Risiken werden schon größer mit der Tiefe. Aber ich meine, wir sind auch zum Mond gekommen. Und ich meine das Geschäft mit dem Mond war viel, viel risikoreicher als zum Beispiel der Aufschluss der Tiefseebohrung. Es ist ein hartes Stück Arbeit. Aber ich meine, dass in den Teufen, in den wir hier bohren - und in diesem speziellen Fall sind wir ja gar nicht so tief, wir sind ja in dieser Bohrung in Brasilien in einer Wassertiefe von 1200 Metern. Also das ist noch lange nicht das, was heute schon erbohrt wird. Wir können heute auch schon bei 3000 Metern bohren. Aber ich sage mal so: Ja, ich gebe zu, die Risiken nehmen zu. Aber ich meine, dann muss ich mir eben auch bestimmte Dinge einfallen lassen, um diese Risiken so gut zu beherrschen, damit nichts passieren kann.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.