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Risiken und Nebenwirkungen niedriger Zinsen

Die Bundesbank warnt vor den Risiken dauerhaft niedriger Zinsen. Diese würden zunehmend zu einer Belastung für das deutsche Finanzsystem. Davon seien besonders Lebensversicherer und Banken betroffen. Zudem sei die europäische Schuldenkrise noch nicht überwunden.

Von Michael Braun | 14.11.2013
    Die Spannungen auf den Finanzmärkten haben nachgelassen. Aber: Die Ruhe sei trügerisch, meint die Bundesbank. Sie legte heute den Finanzstabilitätsbericht vor. Bundesbankvorstand Andreas Dombret machte zwei Risiken aus:

    "Zum einen das Niedrigzinsumfeld. Dieses wird mehr und mehr zu einer Belastung für das deutsche Finanzsystem. Zum anderen ist die europäische Schuldenkrise noch nicht überwunden. Die Ansteckungsrisiken sind weiter hoch."

    Soll heißen: Wenn irgendwo in Europa ein Staat oder eine Bank ins Wanken gerate, seien vermutlich alle betroffen. Und die niedrigen Zinsen machten etwa den Lebensversicherungen zu schaffen, die kaum mehr die zugesagten Garantierenditen erwirtschaften könnten, geschweige denn, wie von der Regulierung erwartet, gegen unvorhergesehene Schwierigkeiten mehr Eigenkapital erwirtschaften könnten. Die Bundesbank hat mal durchgerechnet, was ein mittleres Stressszenario mit lang anhaltend niedriger Rendite für Staatsanleihen und andere Vermögenswerte für die Lebensversicherer bedeute:

    "In diesem Szenario sind bis 2023 sogar 32 deutsche Lebensversicherer von den regulatorischen Vorgaben überfordert. Ihr Marktanteil liegt bei 43 Prozent. In diesem Szenario ist also fast die Hälfte des Marktes der deutschen Lebensversicherer betroffen. Ein anhaltendes Niedrigzinsumfeld birgt somit ohne jede Frage ein Gefährdungspotenzial für die Stabilität von deutschen Lebensversicherern."‘"

    Bei den Banken sehe es kaum besser aus, sagte die für diese Branche zuständige Vizepräsidentin der Bundesbank, Sabine Lautenschläger. Das deutsche Bankensystem sei derzeit zwar nicht gefährdet. Die niedrigen Zinsen machten der Branche aber zunehmend zu schaffen,

    ""Das Niedrigzinsumfeld lässt die Ertragskraft von Banken nachhaltig abschmelzen, da der Zinsüberschuss schrumpft."

    Es gebe immer noch zu viele Banken in Deutschland. Das führe zu einem Wettbewerb, der auf den ersten Blick dem Kunden nutze. Aber auch Risiken beinhalte:

    "Das führt letztendlich zu einem sehr harten Wettbewerb, der immer das Risiko in sich trägt, dass die Institute nicht die Marge erhalten, die sie für das Risiko, das sie mit den Geschäften eingehen, eigentlich erhalten müssten, um gesund zu bleiben. Ich rede jetzt nicht davon, dass Institute übersprudelnde Gewinne machen sollen, sondern es geht mir darum, dass ich einen Bankensektor habe, der Risiko adäquate Preise durchsetzen kann."

    Die niedrigen Zinsen hätten auch schon zu überhöhten Immobilienpreisen geführt, in den deutschen Großstädten von rund 20 Prozent, sagte Dombret. Das Risiko eine Preisblase treffe aber derzeit Immobilienkäufer mehr als die Geld gebenden Banken:

    "Dank einer soliden Schuldentragfähigkeit der privaten Haushalte bergen die steigenden Immobilienpreise gegenwärtig keine übermäßigen Risiken für die Finanzstabilität. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass Immobilienkäufer vor allem in Großstädten aufgrund möglicher Preiskorrekturen Vermögensverluste erleiden."

    Billiges Geld halte Staaten vom Schuldenabbau ab. Zugleich laufe die Suche nach Rendite trotz niedriger Zinsen an. Die Risikobereitschaft steige. Und mit ihr offenbar die Sorge der Bundesbank um die Stabilität des Finanzsystems.