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Risiko-Brückentechnologie
"Null Emissionen bekommt man nicht mit Erdgas"

Sollte die Infrastruktur für Gas weiter ausgebaut werden, wird Deutschland die Klimaschutzziele nicht erreichen, sagte Niklas Höhne vom NewClimate Institute im Dlf. Die Technologien für erneuerbare Energien entwickelten sich schnell, so dass Gas als Brückenechnologie obsolet werden könnte.

Niklas Höhne im Gespräch mit Jule Reimer |
    Kraftwerk Duisburg-Huckingen im Abendrot, Deutschland, Nordrhein-Westfalen, Ruhrgebiet
    Kraftwerk Duisburg Huckingen (imago)
    Jule Reimer: Auch wenn die Statistik je nach Baujahr und Technik variiert und sich manches drehen und wenden lässt – von allen fossilen Energieträgern ist die in Deutschland besonders gern verstromte Braunkohle die klimaschädlichste Energieform mit dem höchsten CO2-Ausstoß, gefolgt von Erdöl auf Platz zwei und danach der Steinkohle. Erdgas hingegen, da am wenigsten klimaschädlich, gilt eigentlich als hilfreiche Brückentechnologie auf dem Weg hin zu einer Welt ohne CO2-Emissionen. Doch ausgerechnet davor warnen jetzt die Wissenschaftler des Climate Action Tracker, einem internationalen Zusammenschluss mehrerer Forschungsinstitute, die regelmäßig genau ausrechnen, wieviel CO2 wir überhaupt noch in die Atmosphäre blasen dürfen, wenn wir nicht in wenigen Jahrzehnten viel Geld ausgeben wollen, um die Klimaschäden aus Dürren und Überschwemmungen zu reparieren.
    Niklas Höhne vom New Climate Institute ist einer dieser Wissenschaftler und ihn fragte ich kurz vor dieser Sendung, warum ausgerechnet dieses vernichtende Urteil die erdgasbetriebenen Gaskraftwerke trifft, die durch die technische Verbindung mit Dampfnutzung als besonders effizient gelten.
    Niklas Höhne: Die Gaskraftwerke sind in der Tat besser und effizienter und auch weniger CO2-intensiv als Kohlekraftwerke. Aber im Pariser Klimaschutzabkommen ist beschlossen worden, dass wir im Prinzip komplett aus fossilen Energieträgern und den damit verbundenen Emissionen aussteigen, und deswegen ist die Reduktion der Emission um 50 Prozent zwar gut, aber bei weitem nicht ausreichend. Wir müssen auf null Emission kommen.
    Dr. Niklas Höhne im DLF-Studio
    Dr. Niklas Höhne im DLF-Studio (Uli Blumenthal)
    Reimer: Aber wir brauchen irgendwas für den Übergang und die Gaskraftwerke werden als flexibel im Betrieb gepriesen, zum Beispiel, um Angebotsschwankungen von Solar- und Windstrom auszugleichen.
    Höhne: Genau. Gaskraftwerke haben eine wichtige Funktion innerhalb des Energiemixes, insbesondere wenn wir immer mehr Erneuerbare einspeisen, die nur dann Strom liefern, wenn der Wind weht und die Sonne scheint. Aber es gibt auch andere Möglichkeiten, diese Schwankungen auszugleichen, und das bedeutet, dass ja den Gaskraftwerken eine besondere Rolle zukommt, aber keine größere, als sie bis jetzt schon haben. Das bedeutet, Investitionen in neue Infrastruktur können schnell zu Fehlinvestitionen werden.
    Reimer: Neue Infrastruktur – woran denken Sie genau?
    Höhne: Es gibt derzeit sehr große Ausbaupläne für neue Pipelines, insbesondere nach Russland von Europa, auch Ausbaupläne für Häfen, in denen Gas verflüssigt wird oder wieder zurückproduziert wird in gasförmiges Gas. Das ist nötig, um Gas über weite Strecken zu transportieren, und diese Infrastruktur lohnt sich nur, wenn sie sehr lange genutzt wird. Und nach dem Pariser Abkommen müssen wir aussteigen aus diesen Emissionen bis Mitte des Jahrhunderts und das bedeutet, dass solche Investitionen eigentlich nicht mehr rentabel sind.
    "Es gibt weltweit sehr viele Ausbauprojekte insbesondere für Flüssiggas"
    Reimer: Das heißt, Sie warnen ganz gezielt vor zum Beispiel zwei großen Projekten? Das eine ist die Northstream-Pipeline von Russland nach Deutschland, die geplante zweite, und der Ausbau des Nordseehafens Wilhelmshaven als Flüssiggas-Terminal.
    Höhne: Genau darum geht es in Europa. Unsere Studie ist weltweit. Es gibt weltweit sehr viele Ausbauprojekte insbesondere für Flüssiggas, aber auch für Pipelines. Das ist genau das Thema. Was es so besonders und neu macht ist, dass in den letzten zwei Jahren die erneuerbaren Energien sich so drastisch schnell entwickelt haben, dass man im Prinzip die Vorhersagen für den Verbrauch von Gas in der Zukunft unbedingt überarbeiten muss und der wahrscheinlich sehr viel niedriger ausfällt, als wir das noch vor zwei Jahren gedacht haben, und dass aus diesem Grund Teile dieser Infrastruktur wahrscheinlich nicht mehr gebraucht werden.
    Reimer: Flüssiggas ist ja die Idee, dass man das vor allen Dingen im Verkehrssektor einsetzen kann. Sie stellen jetzt gerade mal eben die Mobilitätsstrategie der Bundesregierung auf den Prüfstand, oder?
    Höhne: Ja. Unsere Studie bezieht sich hauptsächlich auf den Stromsektor. Dort muss es sehr schnell vorangehen, noch schneller als im Transport. Aber auch im Transport müssen wir zu null Emissionen kommen und null Emissionen bekommt man nicht mit Erdgas, sondern entweder über Elektromobilität mit erneuerbarem Strom, oder über Biogas, oder wenn man zu viel Strom hat, dann kann man diesen Strom noch umwandeln in synthetisches Gas und das könnte man dann nutzen. Aber dafür sind auch große Terminals und große Pipelines nicht nötig.
    Reimer: Flüssiggas wäre aber zum Beispiel gegenüber dreckigem Schweröl in der Schifffahrt ein großer Fortschritt.
    Höhne: Ja. Schifffahrt ist noch mal ein extrem anderes Thema. Dort muss auch umgesteuert werden, und es ist sehr schwierig, dort Alternativen zu finden. Auch hier gilt, dass wir langfristig zu null Emissionen kommen müssen. Alles andere, was wir finden können, was dort keine Emissionen hat, ist sehr viel besser als auch Flüssiggas.
    Reimer: Welche Botschaft senden Sie dann an die Bundesregierung? Sagen Sie es mal ganz konkret.
    Höhne: Wenn die Investitionen in Gas-Infrastruktur so weitergehen, wie bisher geplant, reißen wir entweder die Klimaschutzziele, oder stehen vor einer großen Menge an Fehlinvestitionen.
    "Kurzfristig scheint Gas in den USA eine attraktive Alternative zu sein"
    Reimer: US-Präsident Trump dreht aber derzeit die Zeit zurück. Mag sein, dass es sich da bei Kohle nur um Symbolpolitik handelt, aber bereits US-Präsident Obama setzte sehr stark auf Fracking und damit auf Gas, und man hat den Eindruck, das wird so weitergehen. Sehen Sie die Gefahr, dass sich die USA mit niedrigen Energiepreisen Wettbewerbsvorteile dort erkämpfen könnten und dass das dann möglicherweise die Haltung der Europäer zum Pariser Klimaschutzabkommen ganz schnell ins Wackeln bringen könnte?
    Höhne: Kurzfristig scheint Gas in den USA eine attraktive Alternative zu sein, da durch Fracking sehr viele neue Vorkommen gefunden worden sind und das relativ günstig zu machen ist. Langfristig, jetzt in den nächsten drei, vier Jahren glaube ich, dass es sich nicht durchsetzen wird, denn die Erneuerbaren auch in den USA sinken sehr im Preis und sind jetzt schon konkurrenzfähig auch mit Gaskraftwerken in bestimmten Regionen. Die Kostenreduktion bei den Erneuerbaren ist so dramatisch, dass sie auch dort Gas aus dem Markt drängen werden, eigentlich egal, was die Trump-Regierung machen wird.
    Reimer: Fuß vom Gas [*] beim Ausbau der Gas-Infrastruktur, fordert der Klimawissenschaftler Niklas Höhne vom New Climate Institute.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    * Anmerkung der Redaktion: Die Moderatorin sagte "Fuß aufs Gas", es muss aber "Fuß vom Gas" heißen.