"Die Versuchsteilnehmer, die während der Ein-Kind-Politik geboren wurden, haben weniger Vertrauen, sind weniger vertrauenswürdig, und zeigen weniger Bereitschaft für Risiken und Wettbewerb. Das sind die Ergebnisse unserer Experimente. Und dann haben wir noch Daten erhoben, die zeigen, dass sie auch pessimistischer, weniger gewissenhaft und vielleicht sogar neurotischer sind."
Ein deutliches Urteil, das Lisa Cameron fällt. Sie steht damit im Widerspruch zu vielen anderen Studien, die keine gravierenden Unterschiede zwischen Einzelkindern und anderen Kindern gefunden haben. Doch die australische Wirtschaftswissenschaftlerin ist auch die Erste, die ihre Probanden nicht nur nach psychologischen Merkmalen kategorisiert, sondern auch ihr Verhalten anhand ökonomischer Experimente untersucht hat.
"Diese ökonomischen Experimente bestehen hauptsächlich aus Spielen, in denen die Teilnehmer die Möglichkeit haben, ihren Mitspielern zu vertrauen, selber vertrauenswürdig zu agieren oder eben auch nicht. In anderen Spielen können sie Risiken eingehen und sich in einen Wettbewerb mit den Mitspielern begeben. Und all diese Spiele werden um echtes Geld gespielt. Das heißt, es kostet die Teilnehmer etwas, wenn sie das in sie gesteckte Vertrauen bestätigen. Und es könnte sie etwas kosten, wenn sie in andere Vertrauen setzen, die nicht vertrauenswürdig sind."
Ein Beispiel: In dem Vertrauensspiel werden einem Spieler 100 Yuan gegeben. Er kann nun einen Teil dieses Geldes, zum Beispiel 40 Yuan, an einen unbekannten Mitspieler geben. Diese Summe wird verdreifacht, so dass der Mitspieler 120 Yuan erhält, von denen er eine beliebige Summe an den Spender zurückgeben kann. Im Prinzip also, können beide Spieler gewinnen, wenn sie einander vertrauen und sich kooperativ verhalten. 420 Pekinger ließ Lisa Cameron dieses und andere ähnliche Spiele spielen, bei denen jeweils das Vertrauen, die Zuverlässigkeit, die Risikobereitschaft und die Lust am Wettbewerb getestet wurden. Bei den Teilnehmern, die nach Einführung der Ein-Kind-Politik, also 1980 und später, geboren wurden, waren die Werte in allen vier Bereichen geringer.
"Wir haben in unserer Studie darüber hinaus die Teilnehmer auch nach ihrem Beruf gefragt: Und dabei zeigte sich, dass es bei Menschen, die 1980 oder später geboren worden waren, unwahrscheinlicher ist, dass sie in eher riskanten Berufen arbeiten, also als Selbständige, als Freiberufler oder im Finanzsektor. Das stützt unsere Ergebnisse, dass sie eher risikoscheu sind. Und das heißt auch, dass sie vielleicht weniger die Neigung haben, eine unternehmerische Tätigkeit auszuführen. Und das wiederum könnte dann negative Auswirkungen auf die Wirtschaft haben."
Ein Effekt, der sich in Zukunft noch verstärken könnte. Schließlich hat Cameron, um Generationeneffekte auszuschließen, Teilnehmer ausgewählt, die kurz vor und kurz nach Einführung der Ein-Kind-Politik geboren wurden. Damit dürfte der nachgewiesene Effekt, den diese Politik auf das soziale Gefüge der Gesellschaft hat, in jüngeren Generationen noch stärker sein. Er ist aber nicht, so warnt Lisa Cameron, auf andere Nationen und Gesellschaften übertragbar. Denn Lisa Cameron hat nicht, wie bisher üblich, Einzelkinder mit Geschwisterkindern verglichen. Die Teilnehmer der ausgewählten Jahrgänge 1980 und 1983 waren nur zu 80 beziehungsweise zu 90 Prozent Einzelkinder. Gleichzeitig waren in den Vergleichsjahrgängen vor Einführung der Ein-Kind-Politik 20 bis 30 Prozent der Teilnehmer Einzelkinder – allerdings aus freiem Wunsch ihrer Eltern. Ein gewichtiger Unterschied, wie Lisa Cameron erklärt.
"Unsere Studie unterscheidet sich von Einzelkinder-Studien in anderen Gesellschaften, in denen die Eltern selbst entscheiden können, wie viele Kinder sie haben möchten. Denn Eltern, die sich für ein Kind entscheiden, haben bestimmte Eigenschaften und die wirken sich auch auf die Erziehung des Kindes aus. In dem Fall erfährt man also nicht nur, welchen Effekt es hat, als Einzelkind aufzuwachsen, sondern auch wie sich der familiäre Hintergrund eines typischen Einzelkindes auswirkt. Dass heißt, man kann unsere Ergebnisse nicht nehmen und sagen: OK, in Deutschland haben die Einzelkinder vermutlich weniger Vertrauen als andere Kinder. Denn hier kämen auch andere familiäre Hintergründe zum Zuge und würden die Unterschiede vielleicht wettmachen."
Um den Einfluss typischer Charakterzüge von Einzelkind-Eltern auszuschließen, liefere die "Ein-Kind-Politik", die alle Eltern auf ein Kind festlegt, ideale Bedingungen für eine Studie, so Lisa Cameron. Die Ergebnisse dieser Studie aber seien nicht als generelle Charakterisierung von Einzelkindern und schon gar nicht Handlungsanweisung zu verstehen.
"Unsere Forschung soll helfen besser zu verstehen, wie Einzelkinder aufwachsen. Nicht einmal ich würde aber auf Basis dieser Ergebnisse eine Empfehlung abgeben, wie viele Kinder man haben sollte."
Ein deutliches Urteil, das Lisa Cameron fällt. Sie steht damit im Widerspruch zu vielen anderen Studien, die keine gravierenden Unterschiede zwischen Einzelkindern und anderen Kindern gefunden haben. Doch die australische Wirtschaftswissenschaftlerin ist auch die Erste, die ihre Probanden nicht nur nach psychologischen Merkmalen kategorisiert, sondern auch ihr Verhalten anhand ökonomischer Experimente untersucht hat.
"Diese ökonomischen Experimente bestehen hauptsächlich aus Spielen, in denen die Teilnehmer die Möglichkeit haben, ihren Mitspielern zu vertrauen, selber vertrauenswürdig zu agieren oder eben auch nicht. In anderen Spielen können sie Risiken eingehen und sich in einen Wettbewerb mit den Mitspielern begeben. Und all diese Spiele werden um echtes Geld gespielt. Das heißt, es kostet die Teilnehmer etwas, wenn sie das in sie gesteckte Vertrauen bestätigen. Und es könnte sie etwas kosten, wenn sie in andere Vertrauen setzen, die nicht vertrauenswürdig sind."
Ein Beispiel: In dem Vertrauensspiel werden einem Spieler 100 Yuan gegeben. Er kann nun einen Teil dieses Geldes, zum Beispiel 40 Yuan, an einen unbekannten Mitspieler geben. Diese Summe wird verdreifacht, so dass der Mitspieler 120 Yuan erhält, von denen er eine beliebige Summe an den Spender zurückgeben kann. Im Prinzip also, können beide Spieler gewinnen, wenn sie einander vertrauen und sich kooperativ verhalten. 420 Pekinger ließ Lisa Cameron dieses und andere ähnliche Spiele spielen, bei denen jeweils das Vertrauen, die Zuverlässigkeit, die Risikobereitschaft und die Lust am Wettbewerb getestet wurden. Bei den Teilnehmern, die nach Einführung der Ein-Kind-Politik, also 1980 und später, geboren wurden, waren die Werte in allen vier Bereichen geringer.
"Wir haben in unserer Studie darüber hinaus die Teilnehmer auch nach ihrem Beruf gefragt: Und dabei zeigte sich, dass es bei Menschen, die 1980 oder später geboren worden waren, unwahrscheinlicher ist, dass sie in eher riskanten Berufen arbeiten, also als Selbständige, als Freiberufler oder im Finanzsektor. Das stützt unsere Ergebnisse, dass sie eher risikoscheu sind. Und das heißt auch, dass sie vielleicht weniger die Neigung haben, eine unternehmerische Tätigkeit auszuführen. Und das wiederum könnte dann negative Auswirkungen auf die Wirtschaft haben."
Ein Effekt, der sich in Zukunft noch verstärken könnte. Schließlich hat Cameron, um Generationeneffekte auszuschließen, Teilnehmer ausgewählt, die kurz vor und kurz nach Einführung der Ein-Kind-Politik geboren wurden. Damit dürfte der nachgewiesene Effekt, den diese Politik auf das soziale Gefüge der Gesellschaft hat, in jüngeren Generationen noch stärker sein. Er ist aber nicht, so warnt Lisa Cameron, auf andere Nationen und Gesellschaften übertragbar. Denn Lisa Cameron hat nicht, wie bisher üblich, Einzelkinder mit Geschwisterkindern verglichen. Die Teilnehmer der ausgewählten Jahrgänge 1980 und 1983 waren nur zu 80 beziehungsweise zu 90 Prozent Einzelkinder. Gleichzeitig waren in den Vergleichsjahrgängen vor Einführung der Ein-Kind-Politik 20 bis 30 Prozent der Teilnehmer Einzelkinder – allerdings aus freiem Wunsch ihrer Eltern. Ein gewichtiger Unterschied, wie Lisa Cameron erklärt.
"Unsere Studie unterscheidet sich von Einzelkinder-Studien in anderen Gesellschaften, in denen die Eltern selbst entscheiden können, wie viele Kinder sie haben möchten. Denn Eltern, die sich für ein Kind entscheiden, haben bestimmte Eigenschaften und die wirken sich auch auf die Erziehung des Kindes aus. In dem Fall erfährt man also nicht nur, welchen Effekt es hat, als Einzelkind aufzuwachsen, sondern auch wie sich der familiäre Hintergrund eines typischen Einzelkindes auswirkt. Dass heißt, man kann unsere Ergebnisse nicht nehmen und sagen: OK, in Deutschland haben die Einzelkinder vermutlich weniger Vertrauen als andere Kinder. Denn hier kämen auch andere familiäre Hintergründe zum Zuge und würden die Unterschiede vielleicht wettmachen."
Um den Einfluss typischer Charakterzüge von Einzelkind-Eltern auszuschließen, liefere die "Ein-Kind-Politik", die alle Eltern auf ein Kind festlegt, ideale Bedingungen für eine Studie, so Lisa Cameron. Die Ergebnisse dieser Studie aber seien nicht als generelle Charakterisierung von Einzelkindern und schon gar nicht Handlungsanweisung zu verstehen.
"Unsere Forschung soll helfen besser zu verstehen, wie Einzelkinder aufwachsen. Nicht einmal ich würde aber auf Basis dieser Ergebnisse eine Empfehlung abgeben, wie viele Kinder man haben sollte."