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Riskante Hormontherapie

Hitze-Wallungen und Stimmungsschwankungen - das sind typische Beschwerden von Frauen in Wechseljahren. Seit den 70er Jahren setzen viele Ärzte auf die so genannte "Hormonersatz-Therapie", um die Wechseljahrsbeschwerden zu lindern und dem Knochenschwund - der Osteoporose vorzubeugen. Die Hormone sollten zudem Herz-Kreislauferkrankungen und einer Demenz vorbeugen, Frauen faltenfrei, Frauen geistig fit und sexuell aktiv bis ins hohe Alter halten - so die Versprechung. Seit einiger Zeit nun aber ist die Hormonersatztherapie in die Diskussion geraten. Es kam der Verdacht auf, die Ersatzhormone könnten das Risiko deutlich erhöhen, an Brustkrebs zu erkranken. Ein Verdacht, den jetzt eine große britische Studie im Fachblatt "The Lancet" erhärtet.

Eva Schindele | 12.08.2003
    Jüngste Studien zeigen: Die Hormontherapie schadet mehr, als dass sie nutzt. Eine am vergangenen Wochenende im britischen Medizinjournal "Lancet" veröffentlichte Untersuchung erhärtet nun den Verdacht, dass Frauen, die Hormonpräparate einnehmen, nicht nur häufiger an Brustkrebs erkranken, sondern auch häufiger daran sterben. Die Oxforder Epidemiologin Valerie Beral und ihr Team schätzen, dass im letzten Jahrzehnt allein in Großbritannien 20 000 Brustkrebsneuerkrankungen auf das Konto der Hormontherapie gehen. Die Forscher begleiten seit 1996 eine Million Engländerinnen zwischen 50 und 64 Jahren. Die Hälfte der Frauen nahm Hormone und zwar solche Präparate, die auch in Deutschland handelsüblich sind. Dabei erkrankten innerhalb von 10 Jahren von 1000 Frauen 19 Frauen, die die Östrogen-Gestagen-Präparate zu sich nahmen zusätzlich an Brustkrebs. In der Gruppe, in der die Frauen nur Östrogene schluckten, waren es dagegen nur 5 Brustkrebsfälle. Je länger, die Frauen die Hormone einnehmen, um so mehr steigt ihr Risiko; setzen sie die Hormone wieder ab, normalisiert es sich allmählich wieder. Die jüngste britische Studie bestätigt damit die Ergebnisse der amerikanischen Women-Health-Initiative, kurz WHI-Studie, die vor einem Jahr aus diesem Grund vorzeitig abgebrochen worden ist. Darüber hinaus zeigt sie auch, dass die, auf dem europäischen Markt üblichen Hormonpräparate, keineswegs weniger gefährlich sind als die US-amerikanischen Hormonpillen. Dies behaupteten nämlich bislang viele deutsche Gynäkologen und Gynäkologinnen und verschrieben weiter die Tabletten, Pflaster oder Cremes. So ist in Deutschland die Zahl der Verordnungen bisher nur um 20 Prozent zurückgegangen – im Gegensatz zu den USA oder Kanada, wo sich der Östrogenkonsum inzwischen halbiert hat.

    Brustkrebs ist nicht das einzige Gesundheitsproblem, das sich die Hormonnutzerinnen einhandeln können. Bereits im ersten Jahr der Einnahme erhöht sich die Zahl der tiefen Bein- und Beckenthrombosen, Frauen leiden unter mehr Schlaganfällen und Herzinfarkten. Detailauswertungen der WHI-Studie zeigen auch, dass sich das Risiko, dement zu werden verdoppelt. Der von Ärzten versprochene Effekt, dass die Frauen, die Hormone schlucken, geistig wendiger bleiben, bestätigte sich nicht – im Gegenteil: Sie hatten sogar ein etwas schlechteres Gedächtnis und mehr Probleme bei der Wortfindung. Auch der positive Effekt auf die Lebensqualität ist geringer als bisher angenommen. Dagegen kann die Hormontherapie akute Wechseljahrsbeschwerden wie Hitzewallungen oder Schlafstörungen lindern helfen. Allerdings zeigte die WHI-Studie, dass auch in der Gruppe der Frauen, die nur Zuckerpillen verabreicht bekamen, diese Befindlichkeitsstörungen ebenso, wenn auch in geringerem Ausmaß abnahmen. Das heißt: der Placeboeffekt der Hormongaben spielt möglicherweise eine größere Rolle als bisher vermutet. Und was ist mit der Osteoporose- Prävention? Schließlich litten In der WHI-Studie die Hormonnutzerinnen etwas weniger an Knochenbrüchen. Der medizinische Dachverband Osteoporose hält inzwischen wegen der zahlreichen anderen Gesundheitsrisiken die Hormontherapie für ungeeignet, Knochenschwund oder -Brüchen vorzubeugen.

    Die deutsche Arzneimittelbehörde (BfaRM) leitete in diesem Frühjahr ein Stufenplanverfahren ein, mit dem Ziel die Indikation Osteoporose zurückzunehmen. Außerdem rät die Behörde zur Vorsicht. Die Hormonpräparate sollen nur noch bei starken Wechseljahrsbeschwerden und nicht länger als zwei Jahre verordnet werden. Sie verpflichtete die Hormonhersteller, in die Beipackzettel Risikohinweise aufzunehmen und will noch in diesem Jahr die Fachinformation für die Mediziner verändert wissen. Mal sehen, ob dies hilft den hartnäckigen Östrogenmythos aufzubrechen, sowohl bei den deutschen Ärzten und Ärztinnen als auch bei ihren Patientinnen.

    Über das Thema Hormontherapie sprach Martin Winkelheide in der "Sprechstunde" mit Professor Ricardo Felberbaum von der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Universitätsklinikum Schleswig Holstein, in Lübeck.

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