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Risse in Ruinen

Für die Fachwelt eine Sensation, für die Kölner hingegen ist die Archäologische Zone erneut ein Projekt, um das erbittert gestritten wird. Neben der Finanzierung geht es um die Grundsatzfrage, ob die Stadtverwaltung überhaupt ein Händchen für Großprojekte hat.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 07.04.2013
    Jahrelang hat Sven Schütte im Kölner Erdreich nun herumgegraben, doch je mehr mittelalterliche Kostbarkeiten der Archäologe aus dem einstmals jüdischen Viertel heute ans Tageslicht befördert, desto lauter tobt in Köln der Streit um das geplante Jüdische Museum. Zu teuer, sagen die Gegner. Nein, ein einzigartiger Fund – so hält der Projektleiter der Archäologischen Zone, Sven Schütte, dagegen:

    "Ob das nun viertes oder achtes Jahrhundert ist, spielt überhaupt keine Rolle. Hier steht die älteste Synagoge nördlich der Alpen, und damit ist hier der älteste Ort des aschkenasischen Judentums gegeben, und das sind heute die Mehrheit aller Juden in der Welt. Und ihre ganz reiche Geschichte, mit einem der größten Stadtquartiere Europas, auch dem einzigen, was nie überbaut wurde, ist hier ans Licht gekommen, und das gibt es an keinem anderen Ort."

    Bronzelampen, Silberschmuck, Hausrat, Spielzeug, Urkunden und literarische Texte haben die Archäologen im Herzen der Altstadt ausgegraben, sie fanden eine Bäckerei, ein Hospital, eine Mikwe und eben die Überreste einer Synagoge. Angesichts von über einer Viertelmillion Objekten kommt der Projektleiter aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. Selbst eine Jahrhunderte alte Kloake und ein Schild mit unflätigem Vokabular lösen Begeisterung aus. Sven Schütte fand einen Tunnel,…

    "… der zu einer Kloake unter dem Synagogenhof führte. Und dieser Synagogenhof durfte natürlich nicht mit Fäkalien verunreinigt werden als heiliger Ort. Also steht über dem Eingang: Dies ist das Fenster, durch das die Sch…- eigentlich steht das wirklich ganz profan da – die Fäkalien hinausgebracht werden. Solche Worte schreibt man normalerweise nicht in Monumentalinschriften."

    Für die Fachwelt eine Sensation – für die Kölner hingegen ist die Archäologische Zone wieder mal ein Projekt, um das Bürger, Parteien und Geschäftsleute erbittert streiten. Neben der Finanzierung geht es auch um die ganz grundsätzliche Frage, ob die Stadtverwaltung nach dem Desaster mit Stadtarchiv und neuer U-Bahn überhaupt noch ein Händchen für Großprojekte hat. Doch Stadtsprecher Gregor Timmer bemüht sich um Optimismus:

    "Der Rat hat ein halbes Dutzend Beschlüsse dazu getroffen, die Kosten waren allen Beteiligten klar. Es hat einzelne Fraktionen und Gruppierungen im Kölner Rat gegeben, die das Projekt abgelehnt haben, und die setzen ihre Haltung jetzt natürlich fort. Und da ist natürlich jeder Sachverhalt, der ihnen in der Argumentation zustatten kommt, natürlich gerne genommen. Und das ist der Prozess, der im Moment auch läuft."

    Doch längst verläuft die Kontroverse um das Jüdische Museum auch außerhalb des Stadtrats. Eine Bürgerinitiative geht auf Unterschriftenjagd, Architekten kritisieren das Baukonzept, und die Universität Köln stellt die wissenschaftliche Expertise von Projektleiter Sven Schütte massiv in Frage. Selbst Oberbürgermeister Jürgen Roters von der SPD ließ sich im "Kölner Stadt-Anzeiger" mit den Worten zitieren, man müsse dem Ausgrabungsleiter eine Leine anlegen, "sonst buddelt er ganz Köln aus" – Zitat Ende. Angesichts dieses Umgangstons wirkt Stadtsprecher Gregor Timmer hilflos. Die Sorge um den Ruf der Stadt Köln, der wegen zig missratener Großprojekte sowieso angeschlagen ist, steht ihm ins Gesicht geschrieben. Zumal in der gesamten Kontroverse um das Jüdische Museum immer auch der Vorwurf des Antisemitismus mitschwingt:

    "Man muss natürlich sehen, dass es auch entschiedene Gegner der Archäologischen Zone gibt, die aus der ideologischen Ecke kommen. Und deren Argumentation wird natürlich erneut befeuert, die jetzt allgemein aus anderen Gründen läuft, und sie versuchen sich an diese Diskussion anzuhängen und versuchen diese Diskussion für sich zu nutzen."

    Dennoch ist die Stadt fest entschlossen: Das Jüdische Museum, das schon Konrad Adenauer als Kölner OB einst gefordert hatte, muss eine Erfolgsgeschichte werden. Kostenpunkt für das gesamte Projekt: 52 Millionen Euro. Viel Geld in einer hochverschuldeten Stadt, die noch dazu zweistellige Millionenbeträge in der Sozialpolitik kürzen will. Doch das Museum werde Köln eine Million zusätzliche Touristen und damit neue Einnahmen bescheren, so hofft die Stadtverwaltung. Für diese Rechnung hat Ratsherr Jörg Detjen von der Linkspartei nur Spott übrig:

    "Wer sich ein bisschen im Museumsbetrieb auskennt, der weiß: Das kann nicht sein! Selbst in Berlin gibt es nur in ganz speziellen Bereichen solche Besucherzahlen, in Ausnahmefällen."

    Um endlich akzeptiert zu werden, braucht die Archäologische Zone vielleicht einfach nur einen neuen Namen: "Cologne Underground" oder "Kölner Unterstadt", so schlägt der Verfasser eines Leserbriefes im Kölner Stadt-Anzeiger vor. Ein anderer Bürger will hingegen nur eines: Die Sportplatz große Ausgrabungsstelle in der Altstadt so schnell wie möglich wieder zuschütten. Die meisten Kölner aber fragen sich ganz einfach, ob ihre Stadtverwaltung mit diesem neuen Großprojekt schon wieder überfordert ist.