Archiv

Rituale in der Musik
Gehegt, gepflegt, geächtet?

Sie kehren verlässlich wieder, geben Struktur und stiften Gemeinschaft: Rituale. Auch im klassischen Konzertbetrieb finden sie sich in Hülle und Fülle. Doch heute stiften sie nicht immer Ordnung, sondern irritieren zunehmend neues Publikum.

Von Sylvia Systermans |
    Das Bild vom 18.05.1963 zeigt Maria Callas während des Schlussapplauses nach dem Gala-Konzert in der Deutschen Oper Berlin.
    An dieser Stelle ist Klatschen erlaubt: Maria Callas, Deutsche Oper Berlin 1963 (dpa / Zettler)
    Ohne Musik sind Rituale kaum denkbar, ob bei Taufen, Hochzeiten oder Trauerfeiern, Gottesdiensten oder Schützenfesten. Musik gibt Ritualen einen Rahmen, verleiht ihnen Tiefe und Feierlichkeit. Im Konzert steht dagegen die Musik selbst im Zentrum, wiederum eingebettet in akribisch zelebrierte Rituale. Wer trägt welche Kleidung, wer kommt wann auf die Bühne, wer schüttelt wem die Hand, wer überreicht wann welche Blumen. Wann darf geklatscht werden, wann auf keinen Fall. Alles folgt einer stets gleichen Dramaturgie. Wer sie nicht kennt, fühlt sich schnell unbehaglich. Wie ändern sich Rituale, wenn neue Formate erprobt und neues Publikum gewonnen werden soll oder soziale Medien ins Konzert(er)leben Einzug halten? Sind die tradierten Rituale des klassischen Konzertbetriebs ein Auslaufmodell oder letzte Refugien für ungestörten Genuss und Kontemplation?