Archiv


Robert Baer: Die Saudi-Connection. Wie Amerika seine Seele verkaufte

Ist es makabres Autorenglück oder ahnende Vorausschau, dass die deutsche Fassung des Buchs Die Saudi-Connection von Robert Baer gerade jetzt erscheint, da sich die Übergriffe und Attacken gegen westliche Geschäftsleute in Saudi-Arabien mehren? Jedenfalls beschreibt der vor einiger Zeit aus der CIA ausgeschiedene Ex-Agent sehr präzise das Netzwerk, das die herrschende Gruppe in Saudi-Arabien über weite Teile der Welt gelegt hat, vor allem über die USA. Wenn Baer recht hat, ist diese Verästelung von Abhängigkeiten tatsächlich ebenso eindrucksvoll beschrieben wie in der Sache bedenklich. Er beginnt sein Buch mit einem "Szenario von der Apokalypse", in dem er beschreibt, wie leicht die Ölförderungs- und –vertriebsanlagen Saudi-Arabiens für mindestens zwei Jahre stillgelegt werden können. Man kann sich beim Lesen des Eindrucks nicht erwehren, dass dieses Szenario so realitätsfern nicht mehr ist:

    Ein einziger Jumbo-Jet, den man beim Start in Dubai entführte und mit einem Selbstmordattentäter am Steuerknüppel mitten in das Herz der Ölplattform von Ras Tanura stürzen ließe, würde ausreichen, um die vom Erdöl abhängigen Wirtschaften vieler Länder in die Knie zu zwingen. Die US-amerikanische Wirtschaft wäre eine von ihnen, und ein solcher Anschlag würde in wirtschaftlicher Hinsicht mehr Schaden anrichten als eine Atombombe, die mitten in Manhattan oder auf dem Lafayette Square gegenüber vom Weißen Haus gezündet würde.

    Trotz der engen, vielleicht zu engen Vernetzung des saudischen Herrscherhauses mit den Eliten der USA - oder deswegen - bleibt die intensive Förderung unbeachtet, die Saudi-Arabien jenen Koranschulen angedeihen lässt, die zu den ideologischen Ausbildungsstätten jener werden, die dann zum heiligen Krieg aufbrechen.

    Und das ist schließlich auch der Grund dafür, dass wir darüber nachdenken müssen, ob man den Wirt dieses Virus' - das Haus Al Saud - nicht einschläfern sollte, wenn es sich selbst nicht kurieren kann oder will. Zumindest müssen wir wohl in Erwägung ziehen, die Ölfelder unter unsere Kontrolle zu bringen.

    Wer die eigentlich nicht ausgetragene Auseinandersetzung um die von den Saudis finanzierte Fahd-Schule in Bonn verfolgt, spürt, dass das nach demselben Strickmuster abläuft. Baer beschreibt, dass viele, die in der US-Administration ausscheiden, danach in Instituten und Firmen, die von den Saudis finanziert sind, neue Aufgaben und neues Einkommen finden. Damit, so seine These, wird jede kritische Betrachtung des saudischen Königshauses in den USA unterbunden. Das allerdings beschreibt er so detailliert und so engagiert, dass sich der Eindruck aufdrängt, dieses Buch wäre nie geschrieben worden, hätte Baer auch einen solchen Vertrag erhalten. Hier ist das Buch etwas langatmig, es wiederholt denselben Sachverhalt mit unterschiedlichen Namen. Aber wenn man diese Passage durchgestanden hat, wird das Material, das der Autor gesammelt hat, wieder hochspannend. Er weist darauf hin, dass es eine Art Stillhalten gegenüber den terroristischen Aktivitäten aus dem fundamentalistischen Islam gibt. Zwei Drittel der rund 650 in Guantanamo einsitzenden Häftlinge sind saudische Staatsbürger, aber:

    Seit dem 11. September ist von saudischer Seite aus keine Anklage mehr gegen irgendjemanden wegen terroristischer Betätigung erhoben worden, ja es ist von dort noch nicht einmal mehr ein nützlicher Hinweis auf mutmaßliche Terroristen gekommen. Die Informationssperre wird derart rigide gehandhabt, dass man dem FBI nicht einmal gestattet hat, verdächtige Personen - darunter die Familienangehörigen der fünfzehn saudischen Hijacker - zu befragen. Lange nach dem 11. September weigerte sich Saudi-Arabien, im voraus Listen der Passagiere zu veröffentlichen, die Flüge zu Zielen in den USA gebucht hatten - ein grundlegender Verstoß gegen alle Sicherheitsbestimmungen, der fatale Folgen haben kann.

    Er zeichnet ein besorgniserregendes Bild vom inneren Zustand Saudi-Arabiens.

    Alle Voraussetzungen, die für einen Aufstand nötig sind, sind gegeben. Die Grenzen sind durchlässig, Waffen sind ohne weiteres zu erhalten, die Herrscher sind ihrem Volk entfremdet, man kennt keine rechtsstaatlichen Prinzipien, die Polizeitruppe ist völlig korrupt, die Regierenden werden verachtet; das Pro-Kopf-Einkommen sinkt rapide, während es immer noch sagenhaft reiche Potentaten gibt, die den Armen bewusst machen, wie arm sie sind, die Umwelt wird zunehmend zerstört, die Nachbarn werden immer dreister, und man hat auf eigenem Boden eine Menge junger Radikaler herangezüchtet, denen mehr daran liegt, einen »gerechtfertigten« Mord zu begehen, als ihr Leben zu leben. Die Schulen des Königreichs entlassen in einem solchen Tempo Fanatiker, dass diese Schwierigkeiten haben, Kriege zu finden, in denen sie kämpfen können. Burma, Vietnam, Kambodscha, Nicaragua, Angola, Somalia und Sierra Leone stürzten ins Chaos, als die Lage in diesen Ländern weit weniger explosiv war. Warum sollte Saudi-Arabien diesem Schicksal entgehen?

    In einer längeren Passage zeigt Baer auf, wie sich die verschiedenen islamischen Richtungen seit dem Zweiten Weltkrieg in ihre jetzige Lage hineinentwickelt haben, wie es zu den verschiedenen Richtungen islamischen Fundamentalismus mit dem Hang zur Gewalt gekommen ist und wie dies teilweise mit aktivem Zutun der USA geschah. Immer wieder klagt er an, dass in den USA das Verständnis für diese Region nicht vorhanden ist, dass man sich manchen Erkenntnissen auch widersetzt und so zu einer falschen Einschätzung der wirklichen Lage kommt, ein Vorwurf, den viele Experten des Mittleren Ostens gegen die Administration in den USA erheben, übrigens gleichgültig, wer in Washington regiert. Grund dafür war nach seiner Ansicht eine jahrzehntelang währende ausschließliche Konzentration auf die Bekämpfung kommunistischer Umtriebe in der Welt und die Unfähigkeit, nach dem Ende dieser Gefahr auf die neuen Herausforderungen umzuschalten.

    Soweit ich sehen kann, trug Washington diese Scheuklappen - vor allem mit Bezug auf Saudi-Arabien, das die Viper all die vielen Jahre lang an der Brust nährte - aus zwei Gründen: Zum einen waren die Brüder im Kalten Krieg auf amerikanischer Seite; sie schienen eine Möglichkeit zu liefern, die Sowjets zu bekämpfen, die nicht nur billig war, sondern den Amerikanern auch Opfer aus den eigenen Reihen ersparte. Zum anderen lagerten die Saudis das Öl für die Amerikaner. Und, wie es bei jeder Abhängigkeit der Fall ist, waren die »User« nicht in der Lage, etwas gegen die »Dealer« zu unternehmen. Alle fühlten sich großartig, bis sie am 11. September schlagartig auf Entzug gesetzt wurden.

    Und mit Blick auf den Kaukasus meint er:

    Moslemische Extremisten eröffneten genau dort ihre Filialen, wo ihnen am dringendsten Einhalt geboten werden musste - in den ehemaligen zentralasiatischen Sowjetrepubliken, die so reich an Öl sind. Und wir, die USA, sahen tatenlos zu.

    Es ist ein lesenswertes Buch mit vielen Informationen. Manchmal wird er Autor polemisch, es wird deutlich, wie er das Verhalten des Landes, für das er lange gearbeitet hat, für falsch hält. Aber der Leser wird dies erkennen und den informativen Kern auch dieser Passagen durchaus herausfiltern können. Es zeigt, dass Baer sehr engagiert seine Position vertritt. Er will laut davor warnen, dass die USA – und mit ihnen deren Verbündete und Interessenspartner – sich von offiziellen Verhaltensmustern fehlleiten lassen. Denn dahinter verbirgt sich eine irrationale Politik vor allem Saudi-Arabiens, die ausschließlich den Machterhalt der Königsfamilie im Blick hat. Und darin liegen erhebliche Risiken. Baer hat die Fakten seines Buches der CIA zur Überprüfung vorgelegt. Wo die CIA Bedenken hatte, ist das Buch geschwärzt, manchmal über ganze Seiten. Aber dabei sei es nur um geheimhaltungswürdige Fakten gegangen, heißt es. Die CIA sei mit der Aussage des Buches ohnehin nicht einverstanden. Wer es gelesen hat, weiß, warum. Also: Im Ergebnis ein spannendes und – leider – hochaktuelles Buch.