Das Gesicht einer jungen Frau: Sie schaut nach unten, wie verloren, die Sommersprossen auf ihrer Haut könnte man zählen, wenn es nicht so viele wären. Eine andere hält sich die Haare vors Gesicht, macht sich fast unsichtbar. Dem jungen Fotografen Robert Haas, der seine Modelle so porträtierte, ging es deutlich um künstlerischen Anspruch, damals in den 30er-Jahren im Atelier der bekannten Wiener Fotografin Trude Fleischmann.
Erfolg hatte er, als seine Aufträge ihn aus dem Atelier hinausführten: in die Industriegebiete der Steiermark und zum Großglockner; in die Wiener Armenküchen, wo er in den Gesichtern der Fürsorgeempfänger Schönheit und Anmut entdeckte; als offizieller Fotograf der Salzburger Festspiele, wo er neben den angereisten Berühmtheiten auch schlicht und verschmitzt ihre Insignien ablichtete: ihre Golfschläger zum Beispiel, stumme Stellvertreter der illustren Besitzer.
Robert Haas war Jude, sein Aufstieg wurde durch die Emigration in die USA brutal unterbrochen. Dabei hatte es das Schicksal noch ganz gut mit ihm gemeint, als er sich nach 1934, in der Diktatur des österreichischen Ständestaats, zur einzig verbliebenen liberalen Zeitschrift hatte retten können: dem "Sonntag", der auch Franz Werfel, Hilde Spiel, Jura Soyfer und anderen Verfemten Arbeit gab. 1938, als die Nazis Österreich zur Ostmark machten, gelang Robert Haas knapp die Flucht in die USA, wo er von der Fotografie nicht mehr leben konnte und zu seinem ursprünglichen Beruf, der Druckgrafik, zurückfinden musste.
Begleitet von leiser Jazzmusik bereist man jetzt mit Robert Haas die ungewohnten Weiten des Landes. Seine Amerika-Bilder erinnern genrehaft an zu viele andere, aber der geflüchtete Erbe der Neuen Sachlichkeit brillierte nach wie vor mit Großstadtszenen und Porträts: In den 30ern hatte er Marlene Dietrich, Sacha Guitry, Arturo Toscanini porträtiert, im New York der 50er waren es Oskar Kokoschka und Albert Einstein.
Zeitreise zwischen den beiden Museen
So wird die kurze Laufstrecke durch die Wiener Innenstadt zur Zeitreise: vom Wien Museum zum Jüdischen Museum, von Robert Haas zu Michael Horowitz und seinen "Menschenbildern" vornehmlich aus den 60er- bis 80er-Jahren. Haas war in den USA geblieben, Horowitz' Vater hingegen aus der Emigration nach Wien zurückgekehrt. Sohn Michael machte früh und schnell Karriere als Pressefotograf, seine Vorbilder waren - nicht überraschend - Robert Capa und Henry Cartier-Bresson. Ein Glanzstück der Ausstellung ist das berühmt gewordene Foto von Thomas Bernhard auf dem Fahrrad im Gewölbekeller seines oberösterreichischen Anwesens. Drei Tage hatten Horowitz und ein Redakteur des "Spiegel" warten müssen, ehe der schwierige Schriftsteller ihnen die Tür öffnete.
"Und ich hab ihn porträtiert, und am Schluss, bevor wir gegangen sind, hat er gesagt, wollen Sie mich gar nicht im Keller auf dem Fahrrad fotografieren? Das war seine Kreativität, seine Phantasie, er ist sonst nie mit dem Rad im Keller herumgefahren , aber das ist dort herumgestanden und er hat sich gedacht, das ist ein Scoop, das gibt was her."
Ein Foto vom halbnackten Arnold Schwarzenegger
Thomas Bernhard sorgte selbst für seine Inszenierung, auch Claus Peymann, damals Direktor des Burgtheaters, posierte sicher gern als Theaterkönig im Arbeitskittel auf der Treppe der altehrwürdigen Institution, und Simon Wiesenthal war es recht, unter einer bildfüllenden Europakarte der Hitlerzeit schier erdrückt zu wirken. Aber wie bekommt man den österreichischen Kanzler Sinowatz in ein Zaubererkostüm und überredet ihn, mit einem Hasen zu posieren? Und warum sitzt Arnold Schwarzenegger halbnackt im Café Hawelka?
"Damals 1975, war der Nummer 1 Hit in Österreich der 'Nackerte im Hawelka' von Georg Danzer. Und ich hab gesagt, Sie haben so einen tollen Oberkörper, können Sie sich ausziehen, können wir das nachstellen? Und er hat gesagt: Ja, gern!"
Langsamer als in Deutschland waren die trüben Nachkriegsjahre in Österreich vergangen; die 70er mit ihrer neu erwachten Heiterkeit, mit ihren Provokationen der tief verankerten reaktionären Mentalität leuchten einem aus Horowitz' viel bewunderten Porträts und Straßenszenen entgegen. Aber auch Wiener Melancholie, verkörpert in zwei alten Frauen, die am Resopaltisch eines Kinovorraums auf ihren gealterten Schwarm O.W. Fischer warten. Oder in einem am Caféhaustisch versunkenen Oskar Werner: der Schauspieler, schön, begabt und am Ende.
Farbig und richtig grell zeigt Horowitz die jüngste Wirklichkeit, wie er sie in Wien vorfand, bei einer Veranstaltung zur Bundespräsidentenwahl im Arbeiter- und Multikulti-Bezirk Favoriten. Ein jubelnder Zuhörer schwingt seine übergroß wirkende Bierdose. Hinter ihm ein kleiner Junge, sichtlich zur Community der Eingewanderten gehörend, die im Norbert Hofers FPÖ immerzu das Abendland bedrohen. Der Junge hält ein Transparent hoch. Die Aufschrift: "Favoriten für Norbert Hofer".