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LNG-Terminal in Wilhelmshaven
Habeck verteidigt Flüssigerdgas-Nutzung

Mit Blick auf das erste deutsche schwimmende Terminal für Flüssigerdgas in Wilhelmshaven betonte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, dass die LNG-Anlagen notwendig sowie vorübergehend seien. Nur so könne die Gasversorgung gesichert werden.

Robert Habeck im Gespräch mit Moritz Küpper | 17.12.2022
    Robert Habeck (Grüne), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz (aufgenommen am 09.11.2022)
    Wenn die schwimmenden LNG-Terminals nicht mehr benötigt werden, könnten sie relativ einfach entfernt werden, betonte Robert Habeck (IMAGO / Political-Moments)
    Das erste deutsche schwimmende Importterminal für Flüssigerdgas (LNG) ist Teil der deutschen Bemühungen, unabhängig von Erdgas aus Russland zu werden. Betrieben wird die Anlage von dem Gasimporteur Uniper.
    Vor der Eröffnung am 17. Dezember verneinte Robert Habeck, dass seine beiden Ressorts Wirtschaft und Klimaschutz mit Blick auf LNG-Terminals gegeneinander arbeiteten. Schließlich müsse eine Wirtschaft, die klimaneutral werden will, investieren können, so der Grünen-Politiker im Dlf.

    Habeck weist Kritik von Umweltverbänden zurück

    Bedenken, das gegenwärtige Handeln stehe den Zielen des Klimaschutzes entgegen, wies der Minister ebenfalls zurück: Man handle in einer Lage der wirtschaftlichen Not, erklärte Habeck.
    Die Kritik der Umweltverbände lasse unter anderem außer Acht, dass man Kohlekraftwerke wieder hochgefahren habe, um Gas einzusparen. Darüber hinaus betonte Habeck, die Infrastruktur, die man jetzt aufbaue, werde auch für die Energieversorgung mit umweltfreundlicherem Wasserstoff gebraucht.
    Der Minister betonte, dass die nun im Aufbau befindlichen Infrastrukturen flexibel seien. Wenn sie nicht mehr benötigt würden, könnten die schwimmen Terminals „auch wieder wegschwimmen.“ Nicht-mobile Gasterminals, die an Land errichtet werden sollen, würden zudem so konzipiert, dass sie später auch umweltfreundlichen Wasserstoff für die Energieversorgung nutzen könnten.
    Das Interview in voller Länge:
    Moritz Küpper: Herr Habeck, ist heute (17.12.) ein Feiertag für Deutschland?
    Robert Habeck: Feiertag wäre zynisch, weil wir ja mit dem Rücken an der Wand agieren. Wir haben eine extrem angespannte Situation, das betrifft viele Bürgerinnen und Bürger, die ihre hohen Preise tragen müssen, auch wenn wir jetzt ein bisschen erleichtern, das betrifft die Wirtschaft und es betrifft die gesamte Versorgungssituation. Aber es ist ein guter Schritt nach vorne, auch wenn ich große Lust hätte, erst mal die Argumente zu entwirren, die in Ihrem Beitrag davor gerade aufgezählt wurden. Aber erst einmal ist es ein Schritt nach vorne. Ich mag mir nicht ausmalen, was Sie mich gefragt hätten heute, wenn Sie gesagt hätten, wenn das Terminal nicht entstehen würde oder das Schiff nicht kommen würde – das wäre ein interessantes Interview geworden.
    Küpper: Ja, vielleicht wird dieses Interview jetzt auch interessant. Würden Sie denn sagen, es ist der größte Erfolg Ihrer Amtszeit bisher als Bundeswirtschaftsminister heute, diese Eröffnung, dieser gute Schritt?
    Habeck: Ich sagte schon, es ist ein guter Schritt, aber es ist kein Erfolg, es ist kein Triumphtag, und deswegen ist auch große Feierstunde und so etwas nicht ganz der richtige Sound, mit dem man in diesen Tag gehen sollte. Wir haben gezeigt, dass wir leistungsfähig sind – wir heißt, die Arbeiterinnen, die Arbeiter, die Leute, die das hier vor Ort geplant haben, die Landesbehörden, das Land insgesamt. Da kann man einmal sagen, okay, guck an, es hätte auch schlimmer kommen können, aber feiern, Erfolg, wir sind die Besten, Schönsten und Stärksten, das ist natürlich völlig kompletter Quatsch.

    Habeck sieht kein widersprüchliches Arbeiten seiner Bereiche Wirtschaft und Klimaschutz

    Küpper: Sie machen Ihre Gemütslage ja klar, und das schon deutlich. Was ist denn der Sound des Tages?
    Habeck: Wir können Dinge schnell und zügig erreichen, auch große Dinge, wenn wir uns anstrengen. Das können wir uns hinter die Ohren schreiben und übertragen auf die nächsten Dinge, die wir erreichen müssen.
    Küpper: Sie sitzen ja im Wirtschaftsministerium, im Wirtschaftsministerium und Klimaschutzministerium – ist es gerade so, dass diese beiden Bereiche durch diese Dilemmasituation, die wir ja eben haben, die wir alle kennen, im Grunde genommen gegeneinander arbeiten?
    Habeck: Nein, das ist nicht so. Was ein bisschen gegeneinandersteht, ist der eigentliche Plan und die Bekämpfung der Not, aber eine Wirtschaft, die klimaneutral werden will und werden muss – daran besteht überhaupt gar kein Zweifel –, muss halt investieren können, muss sich umrüsten können, sonst wäre sie weg, sonst wäre sie verschwunden. Das heißt, wenn wir es nicht schaffen in diesem Jahr 22/23, die Preise und die Versorgungssituation zu stabilisieren, dann werden wir keine Wirtschaft haben, die klimaneutral werden kann. Insofern bedingen sich die Maßnahmen, die wir jetzt gerade unternehmen, und die Perspektive für die Zukunft. Und natürlich ist es auch so – das wird wahrscheinlich manchmal nicht gesehen oder übersehen –, dass wegen der hohen Energiepreise die Wirtschaft, aber auch die ganze Gesellschaft schon dabei ist, Energieeffizienz, Energieeinsparung ganz nach vorne zu stellen. Da passiert unter der Oberfläche eine ganze Menge.

    Die festen Terminals an Land sollen später auch für Wasserstoff genutzt werden

    Küpper: Der Bundeskanzler Olaf Scholz hat heute in der „Süddeutschen Zeitung“ ein großes Interview gegeben und hat unter anderem gesagt, als viertgrößte Volkswirtschaft der Welt macht Deutschland jetzt Tempo beim Ausstieg aus fossiler Energie – heute jetzt diese feierliche Eröffnung, unter anderem eben auch mit dem Bundeskanzler. Ist das auch international vermittelbar angesichts dieser großen Investition in LNG?
    Habeck: Ja, und zwar wenn man mal ein bisschen mehr als nur das einzelne Projekt sieht. Was die Kritik aus den Umweltverbänden übersieht, ist, dass wir die Kohlekraftwerke ja teilweise hochgefahren haben, auch eingemottete Kraftwerke wieder ausgemottet haben, um in diesem Jahr 22/23 Gas einzusparen. Wir haben also eine Situation, wo wir möglicherweise nicht genug Gas haben. Jetzt stellen Sie sich mal vor, wir müssten 2024 – das ist immer der Zeitpunkt, wo man sagt, der nächste Winter noch, und dann sind wir auf jeden Fall durch –, wir müssen die Kohlekraftwerke weiterlaufen lassen, weil wir es nicht geschafft haben, genug Gas ans Land zu bringen. Die Debatte würde ich gerne mal von den Umweltverbänden gespiegelt bekommen, und dann wären wir wirklich Verräter an der Sache des Klimaschutzes. Die Infrastrukturen, die wir jetzt aufbauen, sind erstens flexibel, das heißt, die Schiffe sind ja, man nennt sie immer schwimmende Terminals, aber Adjektiv ist eben schwimmend, die können auch wieder wegschwimmen, wenn wir sie nicht mehr brauchen, und zweitens sind die festen Installationen, die wirklichen Terminals, an Land immer so konzipiert, dass sie Wasserstoff-ready sind. Wenn wir also genug Wasserstoff, klimaneutrale Gase haben, dann lassen wir das Erdgas sein und tun das andere rein. Aber die Infrastruktur brauchen wir in jedem Fall. Und ein letzter Satz, wenn ich noch mal einen Satz zum Fraunhofer-Institut sagen darf: Ja, es ist alles risikobehaftet, das ist nur eine Binse. Das, was wir machen, hat noch niemand gemacht. Wir waren da noch nicht, wir waren da konzeptionell nicht, gedanklich nicht, Deutschland ist völlig unvorbereitet gewesen auf diese Situation. Alles, was wir jetzt planen und machen, ist unter hohem Zeitdruck. Zu sagen, oh, da ist ein Risiko drin – danke für den Hinweis! Ja, natürlich ist da ein Risiko drin, aber es ist nicht zu tun, wäre nicht nur ein Risiko, es wäre das Versagen in der Situation.
    Küpper: Und das wollen wir natürlich nicht, aber wenn wir das noch mal beziehen jetzt auf diese Eröffnung heute, den Bau von LNG-Terminals: Die Vorwürfe der Überkapazität beim Bau, die haben Sie ja bereits zurückgewiesen, jetzt gerade das gesagt – kann es denn angesichts der Notlage überhaupt eine Überkapazität geben, wenn wir das Ganze, wie Sie sagen, anschließend auch anderweitig nutzen können?
    Habeck: Na ja, man kann natürlich übertreiben bei den ganzen Sachen, aber jetzt muss man sich mal in die …
    Küpper: Das machen Sie nicht.
    Habeck: Nein, und ich glaube, das ist entweder ein Missverständnis oder Unkenntnis. Das Missverständnis könnte darin bestehen, dass die Installation, also die Terminals, die wir fest errichten und die, wie schon gesagt, so gebaut werden, dass sie, sobald Wasserstoff genügend vorrätig ist, umgestellt werden können und die Schiffe ja teilweise alternativ sind und nicht additiv. Im Grunde muss man sich das so vorstellen: Wir holen jetzt Schiffe an Land – das sind diese schwimmenden Terminals, sogenannte FSIU-Schiffe, weil die Terminals länger brauchen. Sie müssen eben errichtet werden, die Schiffe müssen nur über die Weltmeere hierher kommen. Damit lindern wir die kurzfristige Not. Diese Schiffe sind dynamisch und können wieder weg. Parallel dazu bauen wir die Terminals auf, derer sind eigentlich drei – Brunsbüttel und Stade –, und dann ist die Möglichkeit gegeben vor Lubmin, weil da die großen Röhren von Nord Stream 1 und 2 sind, noch ein weiteres offshore zu errichten. Das hat natürlich die Welt auch noch nicht gemacht, das ist wirklich ein abgefahrenes Bauprojekt. Und dann können wir die Schiffe so kalibrieren, wie die Bauzeit der Terminals ist beziehungsweise wie der Bedarf ist. Wenn wir uns verheddern, weil das zu lange dauert, dann lassen wir die Schiffe etwas länger hier. Wenn wir schneller fertig sind oder schneller Wasserstoff haben oder der Bedarf zurückgeht, dann schicken wir die Schiffe eben wieder weg. Das ist also sehr genau abgemessen und so dynamisch, dass man flexibel in der Situation agieren kann. Aber noch einmal: Wir müssen ja – alle gucken jetzt auf das Jahr 35 und sagen, da haben wir möglicherweise eine Überkapazität, ich hab da schon zu gesprochen –, wir müssen doch erst mal das Jahr 22/23/24 bestehen, und da sind wir bei Weitem nicht da, wo Nord Stream 1, die zerstörten Röhren, uns hingeführt haben. Wir hatten da …

    „Die Unternehmen und die Bevölkerung müssen weiter Gas sparen“

    Küpper: Darauf will ich jetzt genau zu sprechen kommen, Herr Habeck. Es geht um die aktuelle Gasversorgung, nicht vielleicht jetzt heute punktuell, sondern aber in den nächsten Monaten, bis in den nächsten Winter. Aktuell wird ja sehr viel verbraucht, über ein Prozent der deutschen Reserve am Tag, in der Spitze zumindest. Der Bundeskanzler Olaf Scholz – ich hab ihn gerade eben schon zitiert – hat jetzt gesagt im Hinblick auf den Winter und die Gasversorgung in Deutschland 2023/24, um das sicher zu sagen, davon können wir so wie in diesem Jahr ausgehen, wenn nichts Unvorhergesehenes passiert. Schließen Sie sich dieser Zuversicht an?
    Habeck: Ja, dem schließe ich mich an, weil wir zusätzliche Kapazitäten schaffen. Die Gasspeicher sind jetzt ungefähr bei 90 Prozent, ich nehme an, mit dem heutigen Tag gehen wir unter die 90 drunter, Sie haben recht, bei den kalten Tagen verbrauchen wir etwa ein Prozent der Gasspeicher. Wäre es so lange so kalt, und die Verbräuche sind so hoch, das ist dann Kopfrechnen, sind wir pro Monat minus 30 Prozent. 90, dann 60, dann 30, aber wir wissen ja nicht, wie lange der Winter dauert. Nun wird es in der nächsten Woche wärmer, ich muss aber sagen, die Unternehmen und die Bevölkerung müssen weiter Gas sparen. Wir sind lange noch nicht durch, die Anstrengungen müssen hoch bleiben, und ich will mich einmal bedanken, wir sehen es in allen Daten, die Menschen tun es, aber wir brauchen die zusätzlichen Kapazitäten. Wenn beides zusammenkommt, Sparanstrengung und Kapazitäten, kommen wir durch.
    Küpper: Was brauchen wir denn im Speicher nach diesem Winter, damit wir sie wieder voll kriegen, wie kalkulieren Sie?
    Habeck: Wir haben im letzten Jahr mit ungefähr 20 Prozent angefangen, und das hat natürlich dann, das ist ein wildes Rennen über den Sommer …
    Küpper: Mit russischem Gas dann?
    Habeck: Am Anfang mit russischem Gas, aber da haben wir teilweise noch nicht wirklich eingespeichert. Insofern täuscht man sich, wenn man sagt, wir sind da komplett auf russisches Gas angewiesen gewesen. Es ist die Einsparung gewesen, die den Unterschied gemacht hat, denn Putin hat dann ja schon über den Sommer die Gasflüsse reduziert – denken Sie an diese Farce mit der Turbine aus Kanada und danach hat ja die Leitung gar nichts mehr geliefert. Also es war jetzt nicht so, dass russisches Gas uns die Speicher voll gemacht hat, und als es noch floss, haben wir noch nicht energisch eingespeichert, weil wir erst Gazprom rauskicken mussten oder rausgekickt haben aus dem ganzen System. Aber es ist eine knappe Rechnung, das muss man sagen, wenn wir wieder bei 20 Prozent anfangen. Deswegen ist es wichtig, dass die Speicher möglichst voll am Ende des Winters sind. Auch da gilt die Aufforderung, weiter sich anzustrengen, und jede Kilowattstunde Wärme, die man einspart, schon den Geldbeutel und schützt das Land.
    Küpper: Das heißt, Sorgen vor einer negativen Auswirkung eines Gaspreisdeckels auf der europäischen Ebene – kommende Woche könnte das beschlossen werden –, das haben Sie nicht?
    Habeck: Ich hab keine Sorgen mehr, dass wir kein Gas bekommen, dazu ist zu gut verhandelt worden. Es gibt genug man nennt das jetzt immer Suspension-Mechanismen, also Ausweich- oder Aushebel-Mechanismen, die dann im Zweifelsfall dafür sorgen, dass wir genug Gas bekommen. Etwas unklar ist für mich die Frage der finanzpolitischen Auswirkungen, denn wenn die Märkte denken oder wissen, es gibt ein Cap, nicht jeder preis wird mehr bezahlt, dann werden sie eine höhere Versicherungssumme verlangen, die sogenannte Margining-Summe, also die Rückversicherung, dass die Gelder, die man ausgibt, auch wieder reinkommen, und das diskutiere ich mit den europäischen Kollegen. Ich weiß, dass Deutschland immer so ein bisschen als zögerlich dargestellt wird, aber es wäre ja wirklich idiotisch, wenn wir ein Cap verhängen wollen, um die Preise zu senken, und dadurch die Preise nach oben treiben. Deswegen glaube ich, wir sind da auf einem guten Weg, auch auf einem Weg der Erkenntnis, aber es ist eben nicht immer ganz so einfach, wie man sich das am Frühstückstisch vorstellt. Deswegen, ja, wir werden da am Montag, wenn der nächste Energierat tagt, eine Lösung finden, es muss aber auch eine gute, durchdachte, besonnene Lösung sein.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.