Philipp May: Was war aus ihrer Sicht das Bemerkenswerte an der Europol-Pressekonferenz?
Declan Hill: Europol hat eine sehr wichtige Aussage gemacht, die in der internationalen Presse größtenteils untergegangen ist. Natürlich wussten wir schon, dass es 380 verschobene Spiele in Europa gibt. Der wirkliche Skandal sind aber die 300 verdächtigen Spiele in Asien, Afrika und Südamerika. Denn in diesem Fall haben die Ermittler auch von Länderspielen gesprochen. Und davon gibt es ja nicht allzu viele. Wenn man also sagt, dass 150 Länderspiele, wenn nicht sogar mehr, verschoben worden sind, dann ist das proportional gesehen sehr viel. Nicht ganz zehn Prozent, aber eben ziemlich viel. Und das wirft wirklich die Frage auf, was eigentlich der Weltfußballverband FIFA tut.
May: Und was tut die Fifa? Oder sollte man besser sagen, was tut die FIFA nicht?
Hill: Ich glaube die Fifa tut nicht genug. Der Kampf gegen Wettbetrug im Fußball ist momentan eigentlich sehr einfach. Lassen Sie uns einfach mal so tun, als würden wir über Bankraub sprechen.
Wir wissen, wer die Banken ausräumt. Wir wissen, dass es eine Gang gibt, die die Banken zumindest 680 Mal ausgeräumt hat in mindestens 20 verschiedenen Ländern. Wir kennen den mutmaßlichen Anführer. Wir wissen wo er lebt, wir kennen seinen Namen, seinen Geburtstag und seine Adresse und seine Telefonnummer.
May: Sie sprechen von Dan Tan
Hill: Ich spreche von Dan Tan. Alle die mein Buch gelesen, kennen ihn. Und alle, die es nicht gelesen haben, aber die ganze Geschichte wissen wollen: Kaufen Sie es. Denn die Europol-Ermittlungen haben alles bestätigt. Aber zurück zu Singapur: Dan Tan lebt dort. Es gibt einen internationalen Haftbefehl gegen ihn. Aber die Regierung von Singapur lehnt es ab, Dan Tan festzunehmen.
Wenn wir aber Dan Tan festnehmen würden, nach Europa bringen und folgenden Deal anbieten würden: "Du erzählst uns alles oder du gehst für 20 Jahre ins Gefängnis…", dann würde er alles auspacken. Und er würde uns vor allem erzählen, wer die korrupten Offiziellen sind. Denn wenn wirklich hunderte Länderspiele verschoben wurden, dann muss es Komplizen in den Verbänden geben. Ich spreche dabei nicht von Sepp Blatter oder der FIFA in Zürich, ich spreche von den Leuten in den nationalen Verbänden in Asien, Afrika und Lateinamerika, die unter Umständen für Sepp Blatter als Präsident gestimmt haben.
Wenn wir die vor Gericht und zumindest ein oder zwei von ihnen hinter Gitter bringen, dann würden wir den organisierten Wettbetrug um 3 Jahre zurückwerfen. Denn welcher Verbandsfunktionär, welcher Spieler oder Trainer würde versuchen ein Spiel zu verschieben, wenn er weiß, dass die FIFA oder die UEFA oder Europol oder Interpol vor nichts Halt machen, um die Köpfe der Banden zu kriegen.
Aber im Moment sagen diese Organisationen lieber, "wir müssen die Spieler aufklären, wir müssen eine Telefonnummer für Hinweisgeber einrichten, weil es ist ja ein soo komplexes Problem…" So kann man das Problem nicht glaubwürdig angehen.
May: Also ihr Punkt ist, dass zunächst einmal alle Organisationen und auch die FIFA Singapur unter Druck setzen müssen, Dan Tan hinter Gitter zu bringen…
Hill: Ja, zum Beispiel wurde Sepp Blatter diese Woche in Mauritius interviewt. Und er sagte: "Keine Sorge, alle 680 Fälle sind untersucht worden…" Das ist kompletter Blödsinn.
Denn, wenn Blatter stattdessen gesagt hätte: "Danke Europol, das war eine sehr interessante und informative Pressekonferenz und an Singapurs Regierung habe ich die dringende Bitte, den internationalen Haftbefehl für Dan Tan zu vollstrecken…", dann würde Singapur das tun. Aber momentan üben Interpol und die FIFA keinen Druck auf Singapur aus.
Philipp: Und warum tun sie nichts?
Hill: Ich kann über die Motive nicht spekulierten, weil ich es nicht weiß. Aber ich möchte Ihren Hörern sagen, dass die FIFA und Interpol nächstes Jahr gemeinsam das internationale Hauptquartier für den Kampf gegen Wettbetrug ausgerechnet in Singapur eröffnen. Das ist absolut lächerlich. Wie kann man überhaupt nur träumen, so etwas in einem Land zu machen, das nicht einmal deine eigenen Haftbefehle ernst nimmt. Und von dem die europäische Polizei sagt, dass es ein Hort für Wettbetrug ist.
Außerdem, wie die Leser meines Buches wissen, habe ich mich heimlich in die Wettbetrugsbande eingeschleust. Ich kenne diese Leute und sie sind sehr, sehr intelligent. Und ich garantiere fast dafür, dass, wenn die FIFA und Interpol Ihre Zentrale da eröffnet, innerhalb von sechs Stunden, wenn nicht kürzer, es von der Bande infiltriert wird. Ich kenne diese Leute, Sie sind sehr klug und haben viel Macht und Möglichkeiten. Sie haben sogar ihre eigene Regierung davon überzeugt, einen internationalen Haftbefehl gegen sie nicht zu vollstrecken. Das zeigt ihre ganze Macht.
May: Sie waren in Asien. Sie haben das System infiltriert. Wie ist es organisiert. Gibt es mehr als nur diese eine Wettbetrugsbande von Dan Tan über die wir gerade sprechen?
Hill: Ja, der beste Weg für unsere Hörer zu verstehen, wie das System funktioniert, ist, sich die Wettbetrüger als Makler vorzustellen, die in einer Woche miteinander konkurrieren und in der nächsten Woche zusammenarbeiten. Was nun die asiatischen Wettbetrugs-Makler machen, ist, dass sie um die Welt reisen und sich mit ortsansässigen Kriminellen zusammentun. Nur ein Beispiel:
Es wäre sehr schwierig für einen Chinesen in Deutschland in eine Umkleidekabine zu marschieren und den jungen Spielern zu sagen, sie sollen ein Spiel verschieben. Die Spieler würden ihn wahrscheinlich auslachen. Deswegen schmiedet er Allianzen, in Deutschland beispielsweise mit den Sapina-Brüdern. Und die nutzen dann wiederum ihr Netzwerk. Also: Die Locals manipulieren die Spiele und die Asiaten manipulieren den Wettmarkt.
May: Sie haben gerade die in Deutschland aufgrund der letzten Wettskandale bekannten Sapina-Brüdern erwähnt. Noch bekannter ist hierzulande allerdings der Ex-Schiedsrichter Robert Hoyzer, mit dem die Sapina-Brüder kooperiert haben. Sie haben kürzlich gesagt, Robert Hoyzer sei in Ihren Augen missverstanden. Können Sie das erklären?
Hill: Robert Hoyzer ist ein Held! Lassen Sie mich das erklären: Robert Hoyzer wäre niemals ins Gefängnis gekommen. Aber Robert Hoyzer hat sich aus der Deckung gewagt um gegen die Sapina-Brüder auszusagen. "Ich bin ein junger Schiedsrichter, ich habe einen Fehler gemacht, aber ich erzähle auch alles und ich hoffe, ihr stoppt dieses Spiel..." Nur deswegen wurde er verurteilt. Das, was wir jetzt hören, hat er bereits 2005 gesagt. Hätten die Leute Robert Hoyzer im Jahr 2005 zugehört, anstatt ihn ins Gefängnis zu bringen, anstatt seinen Namen zu zerstören, dann hätten wir die Situation, die wir jetzt haben, verhindern können.
Ich weiß, dass es merkwürdig klingt, aber ich bitte Ihre Zuhörer, Robert Hoyzers Situation neu zu bewerten. Er brachte die Informationen, er stellte sich als Kronzeuge zur Verfügung, er wollte alles erzählen. Doch die einzige Person innerhalb des Sports, die ins Gefängnis musste, war Robert Hoyzer. Ich als Kanadier glaube also aufrichtig, dass sich die Deutschen bei Robert Hoyzer entschuldigen sollten.
Hinweis: Das Gespräch können Sie bis mindestens 10. Juli 2013 als Audio-on-demand abrufen.
Declan Hill: Europol hat eine sehr wichtige Aussage gemacht, die in der internationalen Presse größtenteils untergegangen ist. Natürlich wussten wir schon, dass es 380 verschobene Spiele in Europa gibt. Der wirkliche Skandal sind aber die 300 verdächtigen Spiele in Asien, Afrika und Südamerika. Denn in diesem Fall haben die Ermittler auch von Länderspielen gesprochen. Und davon gibt es ja nicht allzu viele. Wenn man also sagt, dass 150 Länderspiele, wenn nicht sogar mehr, verschoben worden sind, dann ist das proportional gesehen sehr viel. Nicht ganz zehn Prozent, aber eben ziemlich viel. Und das wirft wirklich die Frage auf, was eigentlich der Weltfußballverband FIFA tut.
May: Und was tut die Fifa? Oder sollte man besser sagen, was tut die FIFA nicht?
Hill: Ich glaube die Fifa tut nicht genug. Der Kampf gegen Wettbetrug im Fußball ist momentan eigentlich sehr einfach. Lassen Sie uns einfach mal so tun, als würden wir über Bankraub sprechen.
Wir wissen, wer die Banken ausräumt. Wir wissen, dass es eine Gang gibt, die die Banken zumindest 680 Mal ausgeräumt hat in mindestens 20 verschiedenen Ländern. Wir kennen den mutmaßlichen Anführer. Wir wissen wo er lebt, wir kennen seinen Namen, seinen Geburtstag und seine Adresse und seine Telefonnummer.
May: Sie sprechen von Dan Tan
Hill: Ich spreche von Dan Tan. Alle die mein Buch gelesen, kennen ihn. Und alle, die es nicht gelesen haben, aber die ganze Geschichte wissen wollen: Kaufen Sie es. Denn die Europol-Ermittlungen haben alles bestätigt. Aber zurück zu Singapur: Dan Tan lebt dort. Es gibt einen internationalen Haftbefehl gegen ihn. Aber die Regierung von Singapur lehnt es ab, Dan Tan festzunehmen.
Wenn wir aber Dan Tan festnehmen würden, nach Europa bringen und folgenden Deal anbieten würden: "Du erzählst uns alles oder du gehst für 20 Jahre ins Gefängnis…", dann würde er alles auspacken. Und er würde uns vor allem erzählen, wer die korrupten Offiziellen sind. Denn wenn wirklich hunderte Länderspiele verschoben wurden, dann muss es Komplizen in den Verbänden geben. Ich spreche dabei nicht von Sepp Blatter oder der FIFA in Zürich, ich spreche von den Leuten in den nationalen Verbänden in Asien, Afrika und Lateinamerika, die unter Umständen für Sepp Blatter als Präsident gestimmt haben.
Wenn wir die vor Gericht und zumindest ein oder zwei von ihnen hinter Gitter bringen, dann würden wir den organisierten Wettbetrug um 3 Jahre zurückwerfen. Denn welcher Verbandsfunktionär, welcher Spieler oder Trainer würde versuchen ein Spiel zu verschieben, wenn er weiß, dass die FIFA oder die UEFA oder Europol oder Interpol vor nichts Halt machen, um die Köpfe der Banden zu kriegen.
Aber im Moment sagen diese Organisationen lieber, "wir müssen die Spieler aufklären, wir müssen eine Telefonnummer für Hinweisgeber einrichten, weil es ist ja ein soo komplexes Problem…" So kann man das Problem nicht glaubwürdig angehen.
May: Also ihr Punkt ist, dass zunächst einmal alle Organisationen und auch die FIFA Singapur unter Druck setzen müssen, Dan Tan hinter Gitter zu bringen…
Hill: Ja, zum Beispiel wurde Sepp Blatter diese Woche in Mauritius interviewt. Und er sagte: "Keine Sorge, alle 680 Fälle sind untersucht worden…" Das ist kompletter Blödsinn.
Denn, wenn Blatter stattdessen gesagt hätte: "Danke Europol, das war eine sehr interessante und informative Pressekonferenz und an Singapurs Regierung habe ich die dringende Bitte, den internationalen Haftbefehl für Dan Tan zu vollstrecken…", dann würde Singapur das tun. Aber momentan üben Interpol und die FIFA keinen Druck auf Singapur aus.
Philipp: Und warum tun sie nichts?
Hill: Ich kann über die Motive nicht spekulierten, weil ich es nicht weiß. Aber ich möchte Ihren Hörern sagen, dass die FIFA und Interpol nächstes Jahr gemeinsam das internationale Hauptquartier für den Kampf gegen Wettbetrug ausgerechnet in Singapur eröffnen. Das ist absolut lächerlich. Wie kann man überhaupt nur träumen, so etwas in einem Land zu machen, das nicht einmal deine eigenen Haftbefehle ernst nimmt. Und von dem die europäische Polizei sagt, dass es ein Hort für Wettbetrug ist.
Außerdem, wie die Leser meines Buches wissen, habe ich mich heimlich in die Wettbetrugsbande eingeschleust. Ich kenne diese Leute und sie sind sehr, sehr intelligent. Und ich garantiere fast dafür, dass, wenn die FIFA und Interpol Ihre Zentrale da eröffnet, innerhalb von sechs Stunden, wenn nicht kürzer, es von der Bande infiltriert wird. Ich kenne diese Leute, Sie sind sehr klug und haben viel Macht und Möglichkeiten. Sie haben sogar ihre eigene Regierung davon überzeugt, einen internationalen Haftbefehl gegen sie nicht zu vollstrecken. Das zeigt ihre ganze Macht.
May: Sie waren in Asien. Sie haben das System infiltriert. Wie ist es organisiert. Gibt es mehr als nur diese eine Wettbetrugsbande von Dan Tan über die wir gerade sprechen?
Hill: Ja, der beste Weg für unsere Hörer zu verstehen, wie das System funktioniert, ist, sich die Wettbetrüger als Makler vorzustellen, die in einer Woche miteinander konkurrieren und in der nächsten Woche zusammenarbeiten. Was nun die asiatischen Wettbetrugs-Makler machen, ist, dass sie um die Welt reisen und sich mit ortsansässigen Kriminellen zusammentun. Nur ein Beispiel:
Es wäre sehr schwierig für einen Chinesen in Deutschland in eine Umkleidekabine zu marschieren und den jungen Spielern zu sagen, sie sollen ein Spiel verschieben. Die Spieler würden ihn wahrscheinlich auslachen. Deswegen schmiedet er Allianzen, in Deutschland beispielsweise mit den Sapina-Brüdern. Und die nutzen dann wiederum ihr Netzwerk. Also: Die Locals manipulieren die Spiele und die Asiaten manipulieren den Wettmarkt.
May: Sie haben gerade die in Deutschland aufgrund der letzten Wettskandale bekannten Sapina-Brüdern erwähnt. Noch bekannter ist hierzulande allerdings der Ex-Schiedsrichter Robert Hoyzer, mit dem die Sapina-Brüder kooperiert haben. Sie haben kürzlich gesagt, Robert Hoyzer sei in Ihren Augen missverstanden. Können Sie das erklären?
Hill: Robert Hoyzer ist ein Held! Lassen Sie mich das erklären: Robert Hoyzer wäre niemals ins Gefängnis gekommen. Aber Robert Hoyzer hat sich aus der Deckung gewagt um gegen die Sapina-Brüder auszusagen. "Ich bin ein junger Schiedsrichter, ich habe einen Fehler gemacht, aber ich erzähle auch alles und ich hoffe, ihr stoppt dieses Spiel..." Nur deswegen wurde er verurteilt. Das, was wir jetzt hören, hat er bereits 2005 gesagt. Hätten die Leute Robert Hoyzer im Jahr 2005 zugehört, anstatt ihn ins Gefängnis zu bringen, anstatt seinen Namen zu zerstören, dann hätten wir die Situation, die wir jetzt haben, verhindern können.
Ich weiß, dass es merkwürdig klingt, aber ich bitte Ihre Zuhörer, Robert Hoyzers Situation neu zu bewerten. Er brachte die Informationen, er stellte sich als Kronzeuge zur Verfügung, er wollte alles erzählen. Doch die einzige Person innerhalb des Sports, die ins Gefängnis musste, war Robert Hoyzer. Ich als Kanadier glaube also aufrichtig, dass sich die Deutschen bei Robert Hoyzer entschuldigen sollten.
Hinweis: Das Gespräch können Sie bis mindestens 10. Juli 2013 als Audio-on-demand abrufen.