Aus der deutschen Regierung werde das Minimum geliefert, was man als Demokratie und Rechtsstaat liefern könne, sagte der CDU-Außenpolitiker. Das Mimimum sei aber zu wenig, angesichts des Unrecht, welches China praktiziert, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Dlf. "Worte sind sehr wichtig, aber Worte werden noch nicht einmal in der entsprechenden Klarheit gesprochen", kritisierte Röttgen.
Er vermute, dass man sehr viel Rücksicht auf die guten und wichtigen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und China nehme. China sei aber eine geostrategische Macht geworden, zu bedeutsam, um deren aggressiven Handlungen zu ignorieren, sagte der CDU-Außenpolitiker, der sich auch um den CDU-Parteivorsitz beworben hat.
Wirtschaftssanktionen seien bei den Chinesen generell nicht zu empfehlen, sagte er. "China ist sehr besorgt, um sein internationales Image", dort seien die Chinesen sehr sensibel, sagte er. Der CDU-Außenpolitiker schlug stattdessen vor, dass man China Reputationskosten auferlege. Hier müssten mehrere Staaten zusammen die Rechtsbrüche der Chinesen öffentlich anprangern. Auf diesem Feld müsse Druck entstehen, forderte er. Hier komme gerade aus Deutschland zu wenig.
Zuletzt hatten als Konsequenz auf das chinesische Sicherheitsgesetz für Hongkong Länder wie Kanada und Australien bereits angekündigt, die Auslieferungsabkommen mit der Sonderverwaltungszone auszusetzen.
Zuletzt hatten als Konsequenz auf das chinesische Sicherheitsgesetz für Hongkong Länder wie Kanada und Australien bereits angekündigt, die Auslieferungsabkommen mit der Sonderverwaltungszone auszusetzen.
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Ann-Kathrin Büüsker: Herr Röttgen, warum positioniert Deutschland sich nicht vehementer?
Norbert Röttgen: Es gibt unterschiedliche Stimmen aus Deutschland. Aus dem Parlament gibt es sehr eindeutige Stimmen. Wir müssen darauf achten, dass es am meisten eine europäische Position gibt. Aber Sie haben recht: Aus der deutschen Regierung wird das Minimum geliefert, was man als Demokratie und Rechtsstaat liefert. Das Minimum ist hier zu wenig, angesichts des Unrechts, das China klar angekündigt hat und auch praktiziert.
Ich glaube, bei uns steht immer noch im Vordergrund die Sichtweise, China ist ein so großer Markt, darauf nehmen wir Rücksicht. Das mag in der Vergangenheit eine China-Politik gewesen sein, die getragen hat. Heute tut sie es nicht mehr. China ist eine geostrategische Macht geworden und sie verlangt mehr, als dass wir nur den Markt sehen, und wenn es zu einem solchen Unrecht kommt, dann müssen wir es klar verurteilen, klar benennen – schon, um auf die nächsten Möglichkeiten von aggressivem Verhalten präventiv einzuwirken.
Büüsker: Was meinen Sie genau damit, wenn Sie "nächste Möglichkeiten" sagen?
Röttgen: Erstens meine ich diesen Fall natürlich selbst. Der ist ja noch nicht zu Ende, sondern es fängt jetzt an, dass dieses sogenannte Sicherheitsgesetz praktiziert wird. Auch die Art und Weise, wie es durchgesetzt wird, wie Freiheit unterdrückt wird, die Autonomie Hongkongs, die ja vertraglich festgelegt ist, verletzt wird und nicht beachtet wird.
Es gibt weitere Fälle. Es gibt Taiwan, es gibt den Machtanspruch im Südchinesischen Meer, es gibt Sanktionsdrohungen gegenüber Staaten wie Australien, aber auch anderen Staaten, die die chinesische Sichtweise kritisieren, und und und. Wir haben es schon mit einem sehr ausgreifenden und die Freiheit der Sichtweise anderer nicht respektierenden Verhalten Chinas zu tun – in vielen Fällen.
"Wirtschaftssanktionen machen keinen Sinn"
Büüsker: Aber wie handelt man dann jetzt aus Ihrer Sicht als Bundesregierung richtig? Einfach nur mit Worten, oder müssen da tatsächlich auch Taten folgen, etwa in Form von Wirtschaftssanktionen?
Röttgen: Ich glaube, dass Worte sehr wichtig sind. Nur Worte – dem würde ich mich nicht anschließen. Wir haben ja auch gerade darüber gesprochen, dass Worte noch nicht einmal in der notwendigen Klarheit gesprochen sind.
Ich finde, es sind zwei Dinge, die wir tun müssen. Das erste: Es liegt ganz stark an Deutschland, dass eine europäische Position, übrigens auch eine europäische Strategie gegenüber China sich entwickelt und entwickelt wird und dann auch praktiziert wird. Da sind wir das wichtigste einzelne Land. Das ist unsere erste Verantwortung, weil dann sind wir stark.
Zweitens: Jetzt finde ich, dass Worte ganz wichtig sind. Ich glaube, dass Wirtschaftssanktionen im Falle von China keinen Sinn machen. Auch andere Möglichkeiten sehe ich nicht. China ist sehr, sehr interessiert, hat ein hohes Bewusstsein, hohe Sensibilität für sein internationales Image und seine Reputation. In der Corona-Krise war das wieder überall sichtbar. Darum müssen wir, wenn China sich so verhält, einen Vertrag verletzt und Freiheit verletzt, dann müssen wir China mindestens Reputationskosten auferlegten, damit auf diesem Gebiet, auf dem China sehr sensibel ist, jedenfalls Druck entsteht. Das würde ich nicht unterschätzen. Das müssen wir tun und das gibt es zu wenig, gerade von Deutschland.
Büüsker: Aber genau das hat London ja getan. Da wurde das chinesische Vorgehen hart verurteilt. China hat sich daraufhin ausländische Einmischung verboten. Das klingt jetzt nicht so, als würde China da was auf die Meinung aus London geben.
Röttgen: Ja, das sagt erstens China so. Zweitens gibt China, Peking sehr viel auf die internationale Meinung. Darum sage ich ja: Wenn wir neben der englischen, der britischen öffentlichen Sichtweise, der amerikanischen eine europäische, eine gesamteuropäische Sichtweise noch dazukommt, dann wird sich die internationale Wahrnehmung und Kommentierung verändern. Auf die legt China großen Wert.
Ich würde sagen, am Ende zählt hier die innenpolitische, machtpolitische Konstellation mehr für China, aber wenn es diese starke, eindeutige Stellungnahme geben würde, würde es China beeindrucken und jedenfalls auch für den nächsten Fall und sein Vorgehen dort beeindrucken. Das hat schon eine Bedeutung, die wir nicht unterschätzen sollen.
Büüsker: Sie sagen, Worte sind wichtig und es braucht eine starke Stellungnahme. Wenn Sie die Worte an China formulieren würden, was würden Sie sagen?
Röttgen: Ich würde sagen, dass das, was China jetzt macht, eine klare Beeinträchtigung der internationalen Vereinbarung über das System "ein Land, zwei Systeme" ist. Diese internationale Vereinbarung ist kein Intern von China, sondern sie ist bei der UN hinterlegt. Das heißt, China verhält sich wort- und vertragsbrüchig gegenüber der internationalen Gemeinschaft.
Zweitens verletzt China damit den Freiheitsanspruch von Millionen von Menschen, den es international zugesichert hat, und das ist ein Verhalten, das gegen die internationalen Normen verstößt, an die wir China dringend appellieren, sie einzuhalten. Das ist ein Verhalten, das im Widerspruch steht zu den internationalen rechtlichen Selbstverpflichtungen, die China gegeben hat, und das ist inakzeptabel und dem muss mit Vehemenz widersprochen werden. Wir fordern China auf, dringend wieder zum rechtmäßigen Verhalten, das es selber unterzeichnet hat, zurückzukehren.
"Wir haben die erfolgreichste wirtschaftliche Beziehung zu China"
Büüsker: Und das ist für Sie jetzt eine starke Stellungnahme?
Röttgen: Das wäre jedenfalls mal das, was ich spontan formuliere: die Rückkehr zum Recht, die Markierung von Unrecht des Verhaltens, was China praktiziert. Und ich glaube, das ist schon mal sehr viel, was so klar noch nicht gesagt worden ist, dass es sich um einen Unrechtsakt handelt, gegenüber einer internationalen, bei der UN hinterlegten, rechtlichen Position handelt und wir China gemeinschaftlich auffordern, das Recht und seine Zusagen zu respektieren und auch die Autonomie von Hongkong zu respektieren. Das jedenfalls ist bislang nicht gesagt worden und wenn es gesagt würde, wäre es das, was Großbritannien sagt, was die USA sagt, und das wäre dann eine starke westliche Position – ja!
Büüsker: Dann kehren wir noch mal zurück zu dem Ausgangspunkt, dass das nicht gesagt worden ist. Welche Erklärung haben Sie dafür, dass die Bundesregierung hier so zögert, klare Worte zu finden?
Röttgen: Der Grund dafür ist, dass wir gerade in Deutschland die mit Abstand intensivste, auch ausgeglichenste wirtschaftliche Handelsbeziehung mit China haben. China ist ein enorm sich entwickelndes Land, wirtschaftlich und technologisch, und wir haben die erfolgreichste wirtschaftliche, außenwirtschaftliche Beziehung als Deutschland zu China, die es wahrscheinlich auf der Welt gibt – jedenfalls in Europa, aber auch darüber hinaus.
Das hat für uns eine dominierende Funktion und darauf haben wir in der Vergangenheit unser China-Verhältnis im Wesentlichen beschränkt. Nicht auf seinen regionalen Machtanspruch, auf Menschenrechtsfragen oder andere Dinge; die sind am Rande auch mal vorgekommen. Inzwischen hat China eine so weltpolitische Bedeutung errungen, mit einem Gestaltungsanspruch, der sich nicht an internationale Normen hält. Darum geht diese alte Verhaltensweise heute mit dem neuen Machtanspruch Chinas nicht mehr.
Büüsker: Auch in Deutschlands Eigeninteresse muss Deutschland sich aus Ihrer Sicht zu Wort melden?
Röttgen: Es geht auch um unser Eigeninteresse, weil es unser Interesse ist, dass die Beziehungen, die internationalen Beziehungen nach verlässlichen, nach eingegangenen Verpflichtungen und dem internationalen Recht, in dem Völkerrecht geregelt werden. Wenn der einzelne Starke glaubt, sich seine Rechte nehmen zu können und andere zu verletzen, dann ist das eine Instabilität, eine Unsicherheit, auch ein Unfrieden, der unseren Interessen, den politischen Interessen, aber auch den wirtschaftlichen Interessen stark widerspricht. Das mag mal kurzfristig gut gehen, aber es ist keine langfristige Strategie zur Gestaltung internationaler Beziehungen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.