Burkhard Birke: Der exponierte Irak-Kriegsgegner Bundesrepublik als heimlicher Komplize der Krieg führenden Amerikaner. Wie anders wäre zu bewerten, wenn sich bewahrheiten sollte, was gestern als Behauptung wie eine Bombe im politischen Berlin einschlug. Der Bundesnachrichtendienst (BND) soll während der Kampfhandlungen aus Bagdad Informationen an den amerikanischen Geheimdienst geliefert haben. Fest steht bislang nur, dass BND-Mitarbeiter zum Kriegszeitpunkt im Irak weilten. Wir sind jetzt verbunden mit Norbert Röttgen. Er ist der Vorsitzende des für die Geheimdienste zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremiums und gehört der CDU an. Schönen guten Morgen!
Norbert Röttgen: Guten Morgen, Herr Birke!
Birke: Herr Röttgen, glauben Sie an Zufälle?
Röttgen: Die kommen vor, ja!
Birke: War es dann ein Zufall, dass die Anschuldigungen, der BND habe im Irak-Krieg den Amerikanern aus Bagdad zugearbeitet, gerade just zum Besuch Angela Merkels in Washington bekannt geworden sind?
Röttgen: Das weiß ich nicht. Ich beschäftige mich mit der Frage, was ist denn an diesen Behauptungen dran.
Birke: Nun gibt es einen Geheimdienstexperten und Publizisten, nämlich Erich Schmidt-Eenboom. Der sieht eben diese Veröffentlichung und den Zeitpunkt der Veröffentlichung als systematischen Teil einer psychologischen Kriegsführung der US-Nachrichtendienste. Teilen Sie diese Auffassung?
Röttgen: Wie gesagt ich weiß nicht, welche Quellen es im Einzelnen sind. Ich finde auch das wichtigste, dass wir den Sachverhalt klären und dass uns vielleicht auch diese Behauptungen und die Thematisierung dazu bringt, uns mit diesem Fragenkomplex zu beschäftigen. Wir haben weltweit eine terroristische Bedrohung, der auch unser Land in der Bedrohung nicht entzogen ist, und dies wirft die Frage auf, wie wir damit umgehen: mit welchen Instrumenten, in welchen Grenzen. Auch diese politische Debatte, glaube ich, sollten wir sehr sachlich führen, aber wir sollten sie führen.
Birke: Das wollen wir auch gerade hier tun, indem wir auch Sie befragen als den Vorsitzenden des parlamentarischen Kontrollgremiums, das ja wohl heute tagen wird.
Röttgen: Ja, das Gremium habe ich für heute eingeladen.
Birke: Sie haben es erwähnt. Wir befinden uns im Anti-Terror-Kampf. Da ist es doch durchaus legitim, dass ein Land, das auch nicht an irgendwelchen Kampfhandlungen beteiligt ist, durchaus Geheimdienstmitarbeiter in dem Land hat, um sich zu informieren, um womöglich auch Truppen - es gab ja damals deutsche ABC-Truppen im benachbarten Kuwait - zu schützen.
Röttgen: Ja, das ist eine der Fragen. Ich glaube, dass die Existenz des BND und seine Aktivitäten nicht infrage gestellt sind, und das ist genau die Frage, die Sie ansprechen. Ich denke, dass das so ist.
Birke: Hat es Sie denn gewundert, dass gestern in den ersten Reaktionen etwa des damals zuständigen Kanzleramtsministers und des amtierenden Außenministers Steinmeier zunächst die Existenz auch etwas schleierhaft in Frage gestellt wurde?
Röttgen: Ich glaube, das Entscheidende ist: Gestern sind diese Behauptungen aufgekommen, heute wird bereits die Sitzung des parlamentarischen Kontrollgremiums tagen, auch im Einverständnis der Fraktionen und mit ausdrücklicher Zustimmung der Bundesregierung. Das sagt aus, dass alle Beteiligten den Sachverhalt erarbeiten wollen, feststellen wollen, damit auch eine spekulative Phase ganz schnell beendet werden kann. Das ist ja unser Ziel!
Birke: Analysieren wir doch einfach mal, was wir bis jetzt schon wissen. Es waren also BND-Mitarbeiter in Bagdad. Sie waren wohl bei einer fremden Botschaft, einer befreundeten Botschaft. Es ist ja die Rede von der französischen Botschaft. Waren denn noch andere Botschaftsangehörige Deutschlands bei den Franzosen etwa in der Zeit? Wissen Sie etwas darüber?
Röttgen: Nein, ich weiß es nicht. Ich will auch jetzt nicht mein Häppchen Wissen hier ausbreiten, wenn es denn überhaupt vorhanden wäre. Ich glaube und möchte auch betonen, dass wir im Umgang mit solchen Themen uns auch mal überlegen, wie der aussieht und aussehen sollte. Recherche, publizistische Recherche, das gehört alles dazu. Wir müssen aber, glaube ich, auch lernen, mit solchen Themen umzugehen, nüchtern umzugehen, und dürfen nicht sozusagen immer in spekulative Hysterie verfallen. Das ist, glaube ich, auch relativ wichtig und darum will ich mich auch daran nicht beteiligen.
Birke: Aber es geht ja hier doch um ganz grundsätzliche Fragen?
Röttgen: Ja, genau eben darum!
Birke: Etwa um die Frage, ob sich eben die Bundesrepublik Deutschland, ein exponierter Kriegsgegner, nicht doch indirekt durch diese Aktivität der BND-Mitarbeiter am Krieg beteiligt hat?
Röttgen: So ist es! Genau das ist das Thema, und weil das das Thema ist, ist es wichtig, gibt es auch eine Bringschuld, was die Information und den Sachverhalt anbelangt. Die muss zügig erbracht werden, aber sie muss eben auch so erbracht werden, dass diejenigen, die Wissen haben, erst einmal die Gelegenheit haben, Information und Wissen darzulegen. Das wird heute ja bereits geschehen. Ich fände es keinen guten Stil, auch nicht sachangemessen, wenn ich sozusagen dem vorausgreifen würde, obwohl ich es ja auch in der Sache nicht kann, weil heute ja erst die Information stattfindet.
Birke: Generell entsteht doch aber jetzt mit diesen ganzen Geschichten der Eindruck, wenn wir noch einmal diese Befragungen durch den BND von terrorverdächtigen Inhaftierten in Syrien und all das mal zusammen subsumieren, als würde sich hier so eine Schattenorganisation außerhalb der Kotrolle der Regierung bewegen?
Röttgen: Nein, das glaube ich nicht! Das ist, glaube ich, nicht die entscheidende Frage. Es ist natürlich auch eine Frage. Da bin ich aber ganz sicher, dass wir hier nicht dieses Problem haben, dass sich etwas ablöst von Regierungskontrolle oder auch parlamentarischer Kontrolle, die wir ja heute mit dieser Sitzung zum Beispiel wieder vornehmen werden. Ich glaube, die wirkliche Frage ist - auch nicht die vom heutigen Tag, aber die aufgeworfen wird: Wie antworten Rechtsstaaten auf die terroristische Variante von Kriegsführung. Es gibt Bedrohung, es gibt Gefahren, die wir erkennen, die sich aber Gott sei Dank noch nicht zu Straftaten verdichtet haben. Wie gehen wir mit diesem Wissen in rechtsstaatlicher Weise um? - Ich glaube nicht dadurch, dass wir diese gefährlichen Leute einfach rechtlos stellen. Das ist für uns keine Variante.
Birke: Das heißt Sie sind ausdrücklich dagegen, dass etwa der BND in folterverdächtigen Ländern inhaftierte Terrorverdächtige verhört?
Röttgen: Man muss dann ganz präzise werden. Ich wollte damit zum Beispiel sagen, dass Einrichtungen, in denen es keine Rechte gibt - das scheint in Guantanamo im Wesentlichen der Fall zu sein -, wirklich keine Dauereinrichtungen sein können. Dann kommen sie zu Fällen: Wie kooperieren wir mit Diensten, die nicht in einen Rechtsstaat integriert sind? Wenn wir sagen - und das sagen alle -, wir brauchen die Nachrichtenbeschaffung durch Nachrichtendienste, dann müssen sie auch kooperationsfähig sein. Wie zieht man diese Grenzen? - Man darf sich natürlich auch nicht dumm stellen, wenn man kooperiert. Andererseits ist man in diesem Bereich auf Information, auf Vernetzung angewiesen.
Birke: Von daher wäre es doch logisch, dass der BND, der Mitarbeiter in Bagdad hatte, den Amerikanern mitgeteilt hat, welche zivilen Ziele sie nicht bombardieren sollten?
Röttgen: Ob das logisch ist, das ist jedenfalls eine Möglichkeit, dass dies geschehen ist. Das werden wir heute in der Sache ermitteln und dann ist das dann ein Gegenstand der Bewertung, ob man daran Anstoß nimmt, wenn ein Ziel benannt worden sein sollte, das eben nicht Ziel des Angriffs sein sollte.
Birke: Würden Sie als CDU-Politiker Anstoß daran nehmen?
Röttgen: Also ich will vielleicht den Aspekt herausnehmen. Ich würde darin nichts Beanstandungswürdiges sehen, wenn es eine Information gibt auf ein Gebäude, das man schützen will vor einem Angriff.
Birke: Wie wäre es für den Fall, der ja nun auch von einem ehemaligen Mitarbeiter des US-Verteidigungsministeriums bestätigt wird, dass der BND die Informationen über den Aufenthaltsort Saddam Husseins in einem Restaurant gegeben haben soll und daraufhin bombardiert wurde und zwölf unschuldige Menschen ums Leben kamen?
Röttgen: Ich finde das ist so ein Punkt, wo ich es für falsch finde, wenn wir spekulativ bewerten. Das ist ein Fall sozusagen eines konkreten Verhaltens, wo ich es für entscheidend finde, genau zu wissen, gibt es diesen Fall überhaupt, wie hat er sich abgespielt, so oder doch auch anders. Das finde ich für dringend geboten und halte ich auch für den einzig möglichen verantwortlichen Umgang, dass man erst genau diesen Sachverhalt kennt und ihn nicht im Konjunktiv diskutiert.
Birke: Herr Röttgen, Geheimdienste wie der BND sind ja generell Gefahr geneigte Organisationen. Macht es Sinn, diese direkt dem Bundeskanzleramt zu unterstellen?
Röttgen: Ja. Ich glaube, dass es einer zentralen Kontrolle bedarf. Dass man die hoch anhängt, halte ich auch für richtig. Das heißt administrativ im Bundeskanzleramt und auch parlamentarisch in der notwendigen Geheimhaltung einerseits, aber es sind auch immer wieder Fragen, wo man die Kontrolle nicht nur dem Bedürfnis der Öffentlichkeit nicht nur durch geheime Beobachtungen und Kontrolle gerecht werden kann, sondern es bedarf auch öffentlicher Debatten. Ich glaube, wir kommen auch als Land in eine Situation, wo wir über solche Fragen, die sich stellen in einer Bedrohungslage mit den Aktivitäten der Geheimdienste, eben auch beides leisten müssen: eine effiziente Kontrolle, administrativ wie parlamentarisch, aber auch eine öffentliche Debatte über Grundlegitimation und Grenzen nachrichtendienstlicher Tätigkeit.
Birke: Herr Röttgen, eine letzte Frage. Sollte sich wirklich bewahrheiten, dass der BND den Amerikanern zugearbeitet hätte und dieser Anschlag auf das Restaurant auf BND-Informationen zurückginge, wie würden Sie dann die Haltung der damaligen rot-grünen Regierung bezeichnen? Hat sie gelogen oder ist sie nur inkompetent jetzt in dieser Situation?
Röttgen: Ich würde gerne bei meiner bewussten Entscheidung bleiben, es nicht im Konjunktiv zu behandeln, weil dann auch der Konjunktiv in der politischen Wirkung eben so genommen wird, als würde ich unterstellen, dass es so war. Ich weiß nicht, ob es so war, aber ich arbeite daran mit anderen zusammen, dass wir das sehr bald wissen, und dann sollten wir es auch bewerten.
Norbert Röttgen: Guten Morgen, Herr Birke!
Birke: Herr Röttgen, glauben Sie an Zufälle?
Röttgen: Die kommen vor, ja!
Birke: War es dann ein Zufall, dass die Anschuldigungen, der BND habe im Irak-Krieg den Amerikanern aus Bagdad zugearbeitet, gerade just zum Besuch Angela Merkels in Washington bekannt geworden sind?
Röttgen: Das weiß ich nicht. Ich beschäftige mich mit der Frage, was ist denn an diesen Behauptungen dran.
Birke: Nun gibt es einen Geheimdienstexperten und Publizisten, nämlich Erich Schmidt-Eenboom. Der sieht eben diese Veröffentlichung und den Zeitpunkt der Veröffentlichung als systematischen Teil einer psychologischen Kriegsführung der US-Nachrichtendienste. Teilen Sie diese Auffassung?
Röttgen: Wie gesagt ich weiß nicht, welche Quellen es im Einzelnen sind. Ich finde auch das wichtigste, dass wir den Sachverhalt klären und dass uns vielleicht auch diese Behauptungen und die Thematisierung dazu bringt, uns mit diesem Fragenkomplex zu beschäftigen. Wir haben weltweit eine terroristische Bedrohung, der auch unser Land in der Bedrohung nicht entzogen ist, und dies wirft die Frage auf, wie wir damit umgehen: mit welchen Instrumenten, in welchen Grenzen. Auch diese politische Debatte, glaube ich, sollten wir sehr sachlich führen, aber wir sollten sie führen.
Birke: Das wollen wir auch gerade hier tun, indem wir auch Sie befragen als den Vorsitzenden des parlamentarischen Kontrollgremiums, das ja wohl heute tagen wird.
Röttgen: Ja, das Gremium habe ich für heute eingeladen.
Birke: Sie haben es erwähnt. Wir befinden uns im Anti-Terror-Kampf. Da ist es doch durchaus legitim, dass ein Land, das auch nicht an irgendwelchen Kampfhandlungen beteiligt ist, durchaus Geheimdienstmitarbeiter in dem Land hat, um sich zu informieren, um womöglich auch Truppen - es gab ja damals deutsche ABC-Truppen im benachbarten Kuwait - zu schützen.
Röttgen: Ja, das ist eine der Fragen. Ich glaube, dass die Existenz des BND und seine Aktivitäten nicht infrage gestellt sind, und das ist genau die Frage, die Sie ansprechen. Ich denke, dass das so ist.
Birke: Hat es Sie denn gewundert, dass gestern in den ersten Reaktionen etwa des damals zuständigen Kanzleramtsministers und des amtierenden Außenministers Steinmeier zunächst die Existenz auch etwas schleierhaft in Frage gestellt wurde?
Röttgen: Ich glaube, das Entscheidende ist: Gestern sind diese Behauptungen aufgekommen, heute wird bereits die Sitzung des parlamentarischen Kontrollgremiums tagen, auch im Einverständnis der Fraktionen und mit ausdrücklicher Zustimmung der Bundesregierung. Das sagt aus, dass alle Beteiligten den Sachverhalt erarbeiten wollen, feststellen wollen, damit auch eine spekulative Phase ganz schnell beendet werden kann. Das ist ja unser Ziel!
Birke: Analysieren wir doch einfach mal, was wir bis jetzt schon wissen. Es waren also BND-Mitarbeiter in Bagdad. Sie waren wohl bei einer fremden Botschaft, einer befreundeten Botschaft. Es ist ja die Rede von der französischen Botschaft. Waren denn noch andere Botschaftsangehörige Deutschlands bei den Franzosen etwa in der Zeit? Wissen Sie etwas darüber?
Röttgen: Nein, ich weiß es nicht. Ich will auch jetzt nicht mein Häppchen Wissen hier ausbreiten, wenn es denn überhaupt vorhanden wäre. Ich glaube und möchte auch betonen, dass wir im Umgang mit solchen Themen uns auch mal überlegen, wie der aussieht und aussehen sollte. Recherche, publizistische Recherche, das gehört alles dazu. Wir müssen aber, glaube ich, auch lernen, mit solchen Themen umzugehen, nüchtern umzugehen, und dürfen nicht sozusagen immer in spekulative Hysterie verfallen. Das ist, glaube ich, auch relativ wichtig und darum will ich mich auch daran nicht beteiligen.
Birke: Aber es geht ja hier doch um ganz grundsätzliche Fragen?
Röttgen: Ja, genau eben darum!
Birke: Etwa um die Frage, ob sich eben die Bundesrepublik Deutschland, ein exponierter Kriegsgegner, nicht doch indirekt durch diese Aktivität der BND-Mitarbeiter am Krieg beteiligt hat?
Röttgen: So ist es! Genau das ist das Thema, und weil das das Thema ist, ist es wichtig, gibt es auch eine Bringschuld, was die Information und den Sachverhalt anbelangt. Die muss zügig erbracht werden, aber sie muss eben auch so erbracht werden, dass diejenigen, die Wissen haben, erst einmal die Gelegenheit haben, Information und Wissen darzulegen. Das wird heute ja bereits geschehen. Ich fände es keinen guten Stil, auch nicht sachangemessen, wenn ich sozusagen dem vorausgreifen würde, obwohl ich es ja auch in der Sache nicht kann, weil heute ja erst die Information stattfindet.
Birke: Generell entsteht doch aber jetzt mit diesen ganzen Geschichten der Eindruck, wenn wir noch einmal diese Befragungen durch den BND von terrorverdächtigen Inhaftierten in Syrien und all das mal zusammen subsumieren, als würde sich hier so eine Schattenorganisation außerhalb der Kotrolle der Regierung bewegen?
Röttgen: Nein, das glaube ich nicht! Das ist, glaube ich, nicht die entscheidende Frage. Es ist natürlich auch eine Frage. Da bin ich aber ganz sicher, dass wir hier nicht dieses Problem haben, dass sich etwas ablöst von Regierungskontrolle oder auch parlamentarischer Kontrolle, die wir ja heute mit dieser Sitzung zum Beispiel wieder vornehmen werden. Ich glaube, die wirkliche Frage ist - auch nicht die vom heutigen Tag, aber die aufgeworfen wird: Wie antworten Rechtsstaaten auf die terroristische Variante von Kriegsführung. Es gibt Bedrohung, es gibt Gefahren, die wir erkennen, die sich aber Gott sei Dank noch nicht zu Straftaten verdichtet haben. Wie gehen wir mit diesem Wissen in rechtsstaatlicher Weise um? - Ich glaube nicht dadurch, dass wir diese gefährlichen Leute einfach rechtlos stellen. Das ist für uns keine Variante.
Birke: Das heißt Sie sind ausdrücklich dagegen, dass etwa der BND in folterverdächtigen Ländern inhaftierte Terrorverdächtige verhört?
Röttgen: Man muss dann ganz präzise werden. Ich wollte damit zum Beispiel sagen, dass Einrichtungen, in denen es keine Rechte gibt - das scheint in Guantanamo im Wesentlichen der Fall zu sein -, wirklich keine Dauereinrichtungen sein können. Dann kommen sie zu Fällen: Wie kooperieren wir mit Diensten, die nicht in einen Rechtsstaat integriert sind? Wenn wir sagen - und das sagen alle -, wir brauchen die Nachrichtenbeschaffung durch Nachrichtendienste, dann müssen sie auch kooperationsfähig sein. Wie zieht man diese Grenzen? - Man darf sich natürlich auch nicht dumm stellen, wenn man kooperiert. Andererseits ist man in diesem Bereich auf Information, auf Vernetzung angewiesen.
Birke: Von daher wäre es doch logisch, dass der BND, der Mitarbeiter in Bagdad hatte, den Amerikanern mitgeteilt hat, welche zivilen Ziele sie nicht bombardieren sollten?
Röttgen: Ob das logisch ist, das ist jedenfalls eine Möglichkeit, dass dies geschehen ist. Das werden wir heute in der Sache ermitteln und dann ist das dann ein Gegenstand der Bewertung, ob man daran Anstoß nimmt, wenn ein Ziel benannt worden sein sollte, das eben nicht Ziel des Angriffs sein sollte.
Birke: Würden Sie als CDU-Politiker Anstoß daran nehmen?
Röttgen: Also ich will vielleicht den Aspekt herausnehmen. Ich würde darin nichts Beanstandungswürdiges sehen, wenn es eine Information gibt auf ein Gebäude, das man schützen will vor einem Angriff.
Birke: Wie wäre es für den Fall, der ja nun auch von einem ehemaligen Mitarbeiter des US-Verteidigungsministeriums bestätigt wird, dass der BND die Informationen über den Aufenthaltsort Saddam Husseins in einem Restaurant gegeben haben soll und daraufhin bombardiert wurde und zwölf unschuldige Menschen ums Leben kamen?
Röttgen: Ich finde das ist so ein Punkt, wo ich es für falsch finde, wenn wir spekulativ bewerten. Das ist ein Fall sozusagen eines konkreten Verhaltens, wo ich es für entscheidend finde, genau zu wissen, gibt es diesen Fall überhaupt, wie hat er sich abgespielt, so oder doch auch anders. Das finde ich für dringend geboten und halte ich auch für den einzig möglichen verantwortlichen Umgang, dass man erst genau diesen Sachverhalt kennt und ihn nicht im Konjunktiv diskutiert.
Birke: Herr Röttgen, Geheimdienste wie der BND sind ja generell Gefahr geneigte Organisationen. Macht es Sinn, diese direkt dem Bundeskanzleramt zu unterstellen?
Röttgen: Ja. Ich glaube, dass es einer zentralen Kontrolle bedarf. Dass man die hoch anhängt, halte ich auch für richtig. Das heißt administrativ im Bundeskanzleramt und auch parlamentarisch in der notwendigen Geheimhaltung einerseits, aber es sind auch immer wieder Fragen, wo man die Kontrolle nicht nur dem Bedürfnis der Öffentlichkeit nicht nur durch geheime Beobachtungen und Kontrolle gerecht werden kann, sondern es bedarf auch öffentlicher Debatten. Ich glaube, wir kommen auch als Land in eine Situation, wo wir über solche Fragen, die sich stellen in einer Bedrohungslage mit den Aktivitäten der Geheimdienste, eben auch beides leisten müssen: eine effiziente Kontrolle, administrativ wie parlamentarisch, aber auch eine öffentliche Debatte über Grundlegitimation und Grenzen nachrichtendienstlicher Tätigkeit.
Birke: Herr Röttgen, eine letzte Frage. Sollte sich wirklich bewahrheiten, dass der BND den Amerikanern zugearbeitet hätte und dieser Anschlag auf das Restaurant auf BND-Informationen zurückginge, wie würden Sie dann die Haltung der damaligen rot-grünen Regierung bezeichnen? Hat sie gelogen oder ist sie nur inkompetent jetzt in dieser Situation?
Röttgen: Ich würde gerne bei meiner bewussten Entscheidung bleiben, es nicht im Konjunktiv zu behandeln, weil dann auch der Konjunktiv in der politischen Wirkung eben so genommen wird, als würde ich unterstellen, dass es so war. Ich weiß nicht, ob es so war, aber ich arbeite daran mit anderen zusammen, dass wir das sehr bald wissen, und dann sollten wir es auch bewerten.