Tobias Armbrüster: Wie gesprächsbereit ist die neue Führung im Iran? In Genf trifft sich heute der neue iranische Außenminister mit Vertretern der fünf Vetomächte im UNO-Sicherheitsrat sowie der Bundesrepublik und der EU. Es soll bei diesen Gesprächen wieder einmal um das umstrittene iranische Atomprogramm gehen. Die westlichen Länder werfen dem Land seit Jahren vor, insgeheim am Bau von einer Atombombe zu arbeiten. Der Iran sagt, alles Unsinn, alles, was wir wollen sind, Kernkraftwerke zur Energiegewinnung.
- Markus Kaim ist Experte für Sicherheits- und Rüstungsfragen bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Schönen guten Morgen, Herr Kaim.
Markus Kaim: Guten Morgen, Herr Armbrüster.
Armbrüster: Herr Kaim, wir reden jetzt seit Jahren über dieses Atomprogramm und über diese 5+1-Gespräche, es passiert eigentlich nie irgendwas Richtiges, der Iran bleibt weiter mit Sanktionen belegt. Wird sich daran heute irgendetwas ändern?
Kaim: Das ist schwer einzuschätzen. Nach den riesigen, fast riesigen Erwartungen der letzten Wochen, nach der Präsidentschaftswahl, nach dem gewaltigen Sieg von Präsident Rohani, nach dem kompletten Austausch des gesamten außenpolitischen Establishments in Teheran - wir haben einen neuen Außenminister, wir haben einen neuen Verhandlungsführer jetzt in Genf, wir haben einen neuen Botschafter des Irans bei der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien -, ist man fast versucht, die Erwartungen zu dämpfen, dass jetzt ein Durchbruch erreicht werden sollte.
Ich glaube, ein großer Erfolg der Verhandlungen wären zwei Dinge. Erstens, dass die beiden Parteien, die sich gegenübersitzen, sich auf gewisse Prinzipien der Verhandlungen einigen, und das Zweite, das ganze noch mit einem Zeitplan verbinden könnten, der in absehbarer Zeit, also in den nächsten Monaten, zu substanziellen Ergebnissen führen sollte. Das wäre zumindest ein erster greifbarer Erfolg.
Armbrüster: Auf welche Prinzipien müssen sich die beiden Seiten denn einigen?
Kaim: Die Eckpunkte liegen eigentlich seit Monaten, fast Jahren auf dem Verhandlungstisch und haben auch die letzten Verhandlungen im kasachischen Almaty geprägt. Der Westen erwartet, also die P5+1-Staaten, die Sie angesprochen haben, erwarten zwei Dinge: Erstens Transparenz, dass die iranischen Behörden ihre gesamten Anlagen den Beobachtern und Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde zugänglich machen. Das ist in den letzten Jahren immer wieder ein Streitpunkt gewesen beziehungsweise hat nicht funktioniert.
Und zum Zweiten eine Zusicherung, dass der Iran zwar Uran anreichern darf, aber dies nicht bis zu einem Punkt bringen kann, dass sie für Waffen nutzbar gemacht werden können, also eine Selbstverpflichtung des Iran, für Nuklearwaffen dieses Material nicht zu nutzen. Und auf der anderen Seite erwartet der Iran eine Verpflichtung, dass die Staaten, von denen wir sprechen, die P5+1, in absehbarer Zeit die ersten Sanktionen, die gegenüber dem Iran gelten, außer Kraft setzen sollen.
Armbrüster: Wie schätzen Sie denn da die neue iranische Führung und die iranische Außenpolitik ein? Wie kompromissbereit sind diese Leute?
Kaim: Es gibt Faktoren, die in die eine wie in die andere Richtung drängen. Auf der einen Seite sehen wir einen Präsidenten, der durch ein gewisses außenpolitisches Establishment innerhalb seines Landes gebunden ist, was verkürzt gesagt jetzt auch von Hardlinern geprägt ist. Er kann gar nicht so frei handeln, wie er das tun kann. Die Revolutionsgarden sind zu berücksichtigen, der oberste religiöse Führer ist zu berücksichtigen und andere mehr. Seine Handlungsspielräume sind im Moment noch überschaubar.
Andererseits - und diese Faktoren begünstigen eine Kompromisslösung - wirken die Sanktionen. Das ist in den letzten Monaten deutlicher geworden als je zuvor. Wir haben eine galoppierende Inflation im Iran von über 40 Prozent, wir haben einen Einbruch von Öleinnahmen von über 50 Prozent. Das heißt, das Sanktionsregime der Europäischen Union, der USA und auch der internationalen Gemeinschaft, also konkret der Vereinten Nationen, wirkt sich massiv auf das Leben der Iraner aus, auf die politische Zufriedenheit und damit letztlich auch auf die Stabilität des Systems. Und das ist, glaube ich, eine Konstellation, die die Kompromissfähigkeit enorm begünstigt hat, und die erklärt, glaube ich, auch den gewaltigen Wahlsieg des Präsidenten.
Armbrüster: Jetzt sagen Leute wie zum Beispiel Israels Ministerpräsident Netanjahu, wir müssen da sehr aufpassen, was wir da im Iran derzeit erleben, das sei sozusagen Makulatur, die tun nur so, sagt er, Präsident Rohani spiele uns sozusagen einen Friedensengel vor, dabei sei alles, was er eigentlich wolle, nur, dass die Sanktionen sobald wie möglich aufhören, aber insgeheim will er dann weiter an der Bombe bauen lassen. Könnte an so einer Einschätzung etwas dran sein?
Kaim: Ich glaube, ohne dass es so deutlich ist, ist auch das Vorgehen der P5+1-Staaten letztlich auf einer solchen Annahme beruhend, dass man sehr, sehr vorsichtig vorgeht und dass man Schritt für Schritt vorgeht. Zwei Indizien deuten ja darauf hin. Die iranische Seite wollte sich bereits auf Seite der Außenminister treffen, was eine enorme diplomatische Aufwertung des ganzen Vorgangs gewesen wäre. Das hat der Westen zurückgewiesen, gerade das nicht zu tun.
Und zum Zweiten: Wenn wir über Sanktionen sprechen, dann hat der Westen oder die P5+1-Staaten bei der letzten Verhandlungsrunde in Almaty sehr kleine punktuelle Sanktionsaufhebungen angeboten, aber die großen gewichtigen Sanktionen, die wirklich schmerzen, eben noch nicht auf den Verhandlungstisch gelegt. Das sind die Ölsanktionen, also die Beschränkungen, iranisches Öl zu handeln, und das sind die Sanktionen, die den gesamten Finanzsektor betreffen. Diese schmerzen wirklich den Iran und die stehen überhaupt noch gar nicht zur Disposition. Also letztlich wird es um einen ganz kleinen Annäherungsprozess gehen, der Schritt für Schritt die einzelnen Elemente auf den Tisch legen wird.
Armbrüster: Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin war das zu den heute stattfindenden 5+1-Gesprächen über das iranische Atomprogramm in Genf. Besten Dank, Herr Kaim, für das Gespräch.
Kaim: Gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
- Markus Kaim ist Experte für Sicherheits- und Rüstungsfragen bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Schönen guten Morgen, Herr Kaim.
Markus Kaim: Guten Morgen, Herr Armbrüster.
Armbrüster: Herr Kaim, wir reden jetzt seit Jahren über dieses Atomprogramm und über diese 5+1-Gespräche, es passiert eigentlich nie irgendwas Richtiges, der Iran bleibt weiter mit Sanktionen belegt. Wird sich daran heute irgendetwas ändern?
Kaim: Das ist schwer einzuschätzen. Nach den riesigen, fast riesigen Erwartungen der letzten Wochen, nach der Präsidentschaftswahl, nach dem gewaltigen Sieg von Präsident Rohani, nach dem kompletten Austausch des gesamten außenpolitischen Establishments in Teheran - wir haben einen neuen Außenminister, wir haben einen neuen Verhandlungsführer jetzt in Genf, wir haben einen neuen Botschafter des Irans bei der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien -, ist man fast versucht, die Erwartungen zu dämpfen, dass jetzt ein Durchbruch erreicht werden sollte.
Ich glaube, ein großer Erfolg der Verhandlungen wären zwei Dinge. Erstens, dass die beiden Parteien, die sich gegenübersitzen, sich auf gewisse Prinzipien der Verhandlungen einigen, und das Zweite, das ganze noch mit einem Zeitplan verbinden könnten, der in absehbarer Zeit, also in den nächsten Monaten, zu substanziellen Ergebnissen führen sollte. Das wäre zumindest ein erster greifbarer Erfolg.
Armbrüster: Auf welche Prinzipien müssen sich die beiden Seiten denn einigen?
Kaim: Die Eckpunkte liegen eigentlich seit Monaten, fast Jahren auf dem Verhandlungstisch und haben auch die letzten Verhandlungen im kasachischen Almaty geprägt. Der Westen erwartet, also die P5+1-Staaten, die Sie angesprochen haben, erwarten zwei Dinge: Erstens Transparenz, dass die iranischen Behörden ihre gesamten Anlagen den Beobachtern und Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde zugänglich machen. Das ist in den letzten Jahren immer wieder ein Streitpunkt gewesen beziehungsweise hat nicht funktioniert.
Und zum Zweiten eine Zusicherung, dass der Iran zwar Uran anreichern darf, aber dies nicht bis zu einem Punkt bringen kann, dass sie für Waffen nutzbar gemacht werden können, also eine Selbstverpflichtung des Iran, für Nuklearwaffen dieses Material nicht zu nutzen. Und auf der anderen Seite erwartet der Iran eine Verpflichtung, dass die Staaten, von denen wir sprechen, die P5+1, in absehbarer Zeit die ersten Sanktionen, die gegenüber dem Iran gelten, außer Kraft setzen sollen.
Armbrüster: Wie schätzen Sie denn da die neue iranische Führung und die iranische Außenpolitik ein? Wie kompromissbereit sind diese Leute?
Kaim: Es gibt Faktoren, die in die eine wie in die andere Richtung drängen. Auf der einen Seite sehen wir einen Präsidenten, der durch ein gewisses außenpolitisches Establishment innerhalb seines Landes gebunden ist, was verkürzt gesagt jetzt auch von Hardlinern geprägt ist. Er kann gar nicht so frei handeln, wie er das tun kann. Die Revolutionsgarden sind zu berücksichtigen, der oberste religiöse Führer ist zu berücksichtigen und andere mehr. Seine Handlungsspielräume sind im Moment noch überschaubar.
Andererseits - und diese Faktoren begünstigen eine Kompromisslösung - wirken die Sanktionen. Das ist in den letzten Monaten deutlicher geworden als je zuvor. Wir haben eine galoppierende Inflation im Iran von über 40 Prozent, wir haben einen Einbruch von Öleinnahmen von über 50 Prozent. Das heißt, das Sanktionsregime der Europäischen Union, der USA und auch der internationalen Gemeinschaft, also konkret der Vereinten Nationen, wirkt sich massiv auf das Leben der Iraner aus, auf die politische Zufriedenheit und damit letztlich auch auf die Stabilität des Systems. Und das ist, glaube ich, eine Konstellation, die die Kompromissfähigkeit enorm begünstigt hat, und die erklärt, glaube ich, auch den gewaltigen Wahlsieg des Präsidenten.
Armbrüster: Jetzt sagen Leute wie zum Beispiel Israels Ministerpräsident Netanjahu, wir müssen da sehr aufpassen, was wir da im Iran derzeit erleben, das sei sozusagen Makulatur, die tun nur so, sagt er, Präsident Rohani spiele uns sozusagen einen Friedensengel vor, dabei sei alles, was er eigentlich wolle, nur, dass die Sanktionen sobald wie möglich aufhören, aber insgeheim will er dann weiter an der Bombe bauen lassen. Könnte an so einer Einschätzung etwas dran sein?
Kaim: Ich glaube, ohne dass es so deutlich ist, ist auch das Vorgehen der P5+1-Staaten letztlich auf einer solchen Annahme beruhend, dass man sehr, sehr vorsichtig vorgeht und dass man Schritt für Schritt vorgeht. Zwei Indizien deuten ja darauf hin. Die iranische Seite wollte sich bereits auf Seite der Außenminister treffen, was eine enorme diplomatische Aufwertung des ganzen Vorgangs gewesen wäre. Das hat der Westen zurückgewiesen, gerade das nicht zu tun.
Und zum Zweiten: Wenn wir über Sanktionen sprechen, dann hat der Westen oder die P5+1-Staaten bei der letzten Verhandlungsrunde in Almaty sehr kleine punktuelle Sanktionsaufhebungen angeboten, aber die großen gewichtigen Sanktionen, die wirklich schmerzen, eben noch nicht auf den Verhandlungstisch gelegt. Das sind die Ölsanktionen, also die Beschränkungen, iranisches Öl zu handeln, und das sind die Sanktionen, die den gesamten Finanzsektor betreffen. Diese schmerzen wirklich den Iran und die stehen überhaupt noch gar nicht zur Disposition. Also letztlich wird es um einen ganz kleinen Annäherungsprozess gehen, der Schritt für Schritt die einzelnen Elemente auf den Tisch legen wird.
Armbrüster: Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin war das zu den heute stattfindenden 5+1-Gesprächen über das iranische Atomprogramm in Genf. Besten Dank, Herr Kaim, für das Gespräch.
Kaim: Gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.