Peter Kapern: Das sind wirklich seltsame Dinge, die sich da im Iran abspielen. Der neue Staatspräsident Hassan Rohani wünscht allen Juden per Twitter ein frohes jüdisches Neujahrsfest. Sein Außenminister Javad Zarif schließt sich den Wünschen an und außerdem distanziert der sich auch noch von der Leugnung des Holocausts, die unter Ex-Staatspräsident Ahmadinedschad ja an der Tagesordnung war. Hat das was zu bedeuten und wenn ja, was? - Das soll uns jetzt der Publizist und Nahost-Experte Michael Lüders erläutern. Guten Morgen, Herr Lüders.
Michael Lüders: Schönen guten Morgen, Herr Kapern.
Kapern: Herr Lüders, es waren ja nicht nur diese Tweets, die Ende letzter Woche für Aufsehen sorgten. Es war auch das umgehende Dementi aus dem Präsidentenpalast, der beteuerte, Rohani habe gar keinen Twitter-Account. Wie interpretieren Sie das alles? Sind das mehr als, wenn Sie das ethnologisch schiefe Bild erlauben, persische Arabesken?
Lüders: Nein. Ich glaube, dass es schon eine grundsätzliche atmosphärische Veränderung gibt innerhalb der neuen iranischen Führung. Hassan Rohani, der seit letztem Monat im Amt ist, sucht den Neuanfang mit dem Westen und weiß natürlich auch, dass er die iranische Haltung, oder zumindest die Haltung der Hardliner im Iran gegenüber Israel bedenken muss, und er ist gewillt, einen Neuanfang zu wagen, sowohl mit den USA wie auch mit Israel. Aber er ist natürlich ein Teil des politischen Systems im Iran, und dieses System ist nicht immer leicht zu durchschauen. Vereinfacht gesagt gibt es in diesem System wie anderswo auch Pragmatiker und Hardliner, und die Hardliner sind nicht uneingeschränkt einverstanden mit dieser Neuorientierung, die er versucht in Richtung USA.
Kapern: Also wenn da ein Tweet von Hassan Rohani auftaucht, dann, so sind Sie überzeugt, steckt da wirklich Hassan Rohani hinter?
Lüders: Die Neujahrswünsche, die er übermittelt hat zum jüdischen Neujahrsfest, stammen eindeutig von ihm und man darf ihm unterstellen, dass er versucht, auf diese Art und Weise die antiisraelischen Ausfälle und die antijüdischen Beleidigungen, die sein Vorgänger Ahmadinedschad im Amt sich geleistet hat, zu kompensieren, zumindest ein Signal zu senden, dass er gewillt ist, die Beziehungen grundsätzlich zu überdenken. Vergessen wir auch nicht: Im Iran lebt die größte jüdische Gemeinde im Nahen und Mittleren Osten. 25.000 Juden etwa leben im Iran, und auch mit diesen gibt es seitens des Regimes Bemühungen, die Beziehungen zu verbessern.
Kapern: Lassen Sie uns noch mal bei diesem Tweet bleiben. Wenn tatsächlich Hassan Rohani dahinter steckt, warum dementiert dann der Präsidentenpalast?
Lüders: Es hängt zusammen mit dem Machtkampf, mit diesen Konfrontationen, die es gibt innerhalb des Regimes. Es sind nicht alle glücklich und dankbar darüber, dass Hassan Rohani den Neuanfang versucht. Rohani hat verstanden, dass die Isolation Irans sich der Weigerung der vorangegangenen iranischen Führung verdankt, mit dem Westen auf einer sachlichen Grundlage über das Atomprogramm zu verhandeln. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten für den Iran sind ganz offenkundig, und er möchte hier eine Neuorientierung erreichen. Gleichzeitig ist aber natürlich der Iran auch Teil der nahöstlichen Machtspiele und das syrische Regime ist ein enger Verbündeter des Iran, und den Hardlinern im Lande gefällt es natürlich gar nicht, dass Rohani hier neue Initiativen startet, oder zumindest eine atmosphärische Verbesserung herbeizuführen versucht, weil sie mit einem amerikanischen Angriff auf ihren engsten Verbündeten Baschar al-Assad rechnen, und diese Hardliner sind der Meinung, vor diesem Hintergrund verbietet es sich von selbst, auf die Amerikaner zuzugehen.
Kapern: Wir reden hier über Präsidenten, über Außenminister, über Hardliner. Sie haben eben gesagt, wie schwierig zu durchschauen dieses iranische Machtgefüge überhaupt ist. Lassen Sie mich mal mit einem Wort, das hier gerade populär ist, fragen: Wie viel Beinfreiheit hat denn Rohani?
Lüders: Rohani hat vergleichsweise viel Beinfreiheit. Er hat die Rückendeckung des eigentlichen Machthabers im Iran, des Revolutionsführers, und der Revolutionsführer hat ihm grünes Licht gegeben, die Quadratur des Kreises zu versuchen. Man ist natürlich nicht gewillt, die Amerikaner nun als gleichberechtigte Partner unbedingt anzuerkennen in der Region und die Israelis erst recht nicht, aber nichtsdestotrotz: Die wirtschaftlichen Probleme sind so groß und die Isolation des Irans hat den Iran in ein schwieriges Fahrwasser gebracht. Es bedarf eines Neuanfangs. Aber wie den anrichten, wie den anstellen, das ist nicht ganz klar. Der Revolutionsführer hat Rohani gewissermaßen grünes Licht gegeben, vor allem die Wirtschaft zu reformieren, mehr private Initiative zuzulassen. Die iranische Wirtschaft funktioniert ein bisschen wie die ehemaligen staatssozialistischen Wirtschaften im Osten Europas. Das Land hat große Schwierigkeiten, nicht allein wegen des Boykotts, sondern auch wegen der nicht vorhandenen Investitionen der Öleinnahmen in Job-verheißende Arbeitsbereiche, in den Arbeitsmarkt. Es ist im Grunde genommen eine große Umverteilung, die stattfindet, an die Armen im Land. Das ist einerseits gut, andererseits aber generiert man dadurch keine Arbeitsplätze, und Rohani soll die Wirtschaft reformieren. Das ist gewissermaßen sein Auftrag. Aber dafür muss er die iranische Politik neu gestalten. Dagegen sind die Hardliner, weil sie ihren Machteinfluss fürchten, und die religiösen Stiftungen, die die Wirtschaft im Iran ganz wesentlich kontrollieren, diese religiösen Stiftungen wollen nicht mehr Privatisierung der Wirtschaft, weil sie befürchten, dass dann ihr eigener Einfluss relativiert wird.
Kapern: Jetzt müssen Sie uns nur noch eins erklären, Herr Lüders: Wenn Rohani nicht die Prokura hat, Israel als gleichberechtigten Partner im Nahen Osten anzuerkennen, wie Sie es eben gesagt haben, warum sollte Israel dann auf diese Signale aus Teheran überhaupt eingehen?
Lüders: Na ja, man könnte zumindest abwarten, wie sich die Dinge entwickeln. Ob der israelische Regierungschef Netanjahu gut beraten war, von vornherein zu sagen, das glauben wir Rohani nicht, dass er den Neuanfang sucht, darüber kann man streiten. Die Bereitschaft des Irans und auch die Bereitschaft der amerikanischen Führung, hier den Neuanfang zu suchen, ist sehr groß. Vergessen wir nicht, dass Präsident Obama einen hochrangigen Repräsentanten des Außenministeriums in den Iran vor zwei Wochen entsandte, der Gespräche geführt hat mit Rohani, und auch der omanische Sultan Qabus, der ein enger Vertrauter beider Länder ist und wiederholt vermittelt hat zwischen den USA und dem Iran, war jetzt in Teheran und hat zu vermitteln versucht. Also es gibt hier neue Töne auf beiden Seiten, in den USA und im Iran, aber alles hängt natürlich ab von der Geopolitik. In dem Moment, wo es zu einem amerikanischen Angriff auf Syrien kommt, werden diese zarten Anflüge eines Neuanfangs wieder zerstört werden und die Hardliner werden Obergewicht erneut bekommen.
Kapern: Ganz kurz noch zum Schluss, Herr Lüders. Wenn Sie als Chef im State Department, also im US-Außenministerium säßen, was würden Sie als Nächstes gegenüber dem Iran tun?
Lüders: Ich würde Rohani daran messen, ob seine Worte einhergehen mit der Bereitschaft zu Taten, und ich würde mir auch überlegen als amerikanischer Berater, ob es wirklich sinnvoll ist, das zu tun, was die amerikanische Regierung ständig getan hat in den letzten Monaten, nämlich die Sanktionen quasi im Monatsrhythmus zu verschärfen und sie immer härter zu gestalten, ohne erst einmal abzuwarten, welche politischen Möglichkeiten eines Neuanfanges gegeben sind mit dem Iran. Wie gesagt: Es gibt Hardliner nicht nur in Teheran, sondern auch in Washington und auch in Israel.
Kapern: Der Nahost-Experte Michael Lüders heute Morgen im Deutschlandfunk. Herr Lüders, danke für Ihre Einschätzungen, danke für das Gespräch. Schönen Tag!
Lüders: Ihnen auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Michael Lüders: Schönen guten Morgen, Herr Kapern.
Kapern: Herr Lüders, es waren ja nicht nur diese Tweets, die Ende letzter Woche für Aufsehen sorgten. Es war auch das umgehende Dementi aus dem Präsidentenpalast, der beteuerte, Rohani habe gar keinen Twitter-Account. Wie interpretieren Sie das alles? Sind das mehr als, wenn Sie das ethnologisch schiefe Bild erlauben, persische Arabesken?
Lüders: Nein. Ich glaube, dass es schon eine grundsätzliche atmosphärische Veränderung gibt innerhalb der neuen iranischen Führung. Hassan Rohani, der seit letztem Monat im Amt ist, sucht den Neuanfang mit dem Westen und weiß natürlich auch, dass er die iranische Haltung, oder zumindest die Haltung der Hardliner im Iran gegenüber Israel bedenken muss, und er ist gewillt, einen Neuanfang zu wagen, sowohl mit den USA wie auch mit Israel. Aber er ist natürlich ein Teil des politischen Systems im Iran, und dieses System ist nicht immer leicht zu durchschauen. Vereinfacht gesagt gibt es in diesem System wie anderswo auch Pragmatiker und Hardliner, und die Hardliner sind nicht uneingeschränkt einverstanden mit dieser Neuorientierung, die er versucht in Richtung USA.
Kapern: Also wenn da ein Tweet von Hassan Rohani auftaucht, dann, so sind Sie überzeugt, steckt da wirklich Hassan Rohani hinter?
Lüders: Die Neujahrswünsche, die er übermittelt hat zum jüdischen Neujahrsfest, stammen eindeutig von ihm und man darf ihm unterstellen, dass er versucht, auf diese Art und Weise die antiisraelischen Ausfälle und die antijüdischen Beleidigungen, die sein Vorgänger Ahmadinedschad im Amt sich geleistet hat, zu kompensieren, zumindest ein Signal zu senden, dass er gewillt ist, die Beziehungen grundsätzlich zu überdenken. Vergessen wir auch nicht: Im Iran lebt die größte jüdische Gemeinde im Nahen und Mittleren Osten. 25.000 Juden etwa leben im Iran, und auch mit diesen gibt es seitens des Regimes Bemühungen, die Beziehungen zu verbessern.
Kapern: Lassen Sie uns noch mal bei diesem Tweet bleiben. Wenn tatsächlich Hassan Rohani dahinter steckt, warum dementiert dann der Präsidentenpalast?
Lüders: Es hängt zusammen mit dem Machtkampf, mit diesen Konfrontationen, die es gibt innerhalb des Regimes. Es sind nicht alle glücklich und dankbar darüber, dass Hassan Rohani den Neuanfang versucht. Rohani hat verstanden, dass die Isolation Irans sich der Weigerung der vorangegangenen iranischen Führung verdankt, mit dem Westen auf einer sachlichen Grundlage über das Atomprogramm zu verhandeln. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten für den Iran sind ganz offenkundig, und er möchte hier eine Neuorientierung erreichen. Gleichzeitig ist aber natürlich der Iran auch Teil der nahöstlichen Machtspiele und das syrische Regime ist ein enger Verbündeter des Iran, und den Hardlinern im Lande gefällt es natürlich gar nicht, dass Rohani hier neue Initiativen startet, oder zumindest eine atmosphärische Verbesserung herbeizuführen versucht, weil sie mit einem amerikanischen Angriff auf ihren engsten Verbündeten Baschar al-Assad rechnen, und diese Hardliner sind der Meinung, vor diesem Hintergrund verbietet es sich von selbst, auf die Amerikaner zuzugehen.
Kapern: Wir reden hier über Präsidenten, über Außenminister, über Hardliner. Sie haben eben gesagt, wie schwierig zu durchschauen dieses iranische Machtgefüge überhaupt ist. Lassen Sie mich mal mit einem Wort, das hier gerade populär ist, fragen: Wie viel Beinfreiheit hat denn Rohani?
Lüders: Rohani hat vergleichsweise viel Beinfreiheit. Er hat die Rückendeckung des eigentlichen Machthabers im Iran, des Revolutionsführers, und der Revolutionsführer hat ihm grünes Licht gegeben, die Quadratur des Kreises zu versuchen. Man ist natürlich nicht gewillt, die Amerikaner nun als gleichberechtigte Partner unbedingt anzuerkennen in der Region und die Israelis erst recht nicht, aber nichtsdestotrotz: Die wirtschaftlichen Probleme sind so groß und die Isolation des Irans hat den Iran in ein schwieriges Fahrwasser gebracht. Es bedarf eines Neuanfangs. Aber wie den anrichten, wie den anstellen, das ist nicht ganz klar. Der Revolutionsführer hat Rohani gewissermaßen grünes Licht gegeben, vor allem die Wirtschaft zu reformieren, mehr private Initiative zuzulassen. Die iranische Wirtschaft funktioniert ein bisschen wie die ehemaligen staatssozialistischen Wirtschaften im Osten Europas. Das Land hat große Schwierigkeiten, nicht allein wegen des Boykotts, sondern auch wegen der nicht vorhandenen Investitionen der Öleinnahmen in Job-verheißende Arbeitsbereiche, in den Arbeitsmarkt. Es ist im Grunde genommen eine große Umverteilung, die stattfindet, an die Armen im Land. Das ist einerseits gut, andererseits aber generiert man dadurch keine Arbeitsplätze, und Rohani soll die Wirtschaft reformieren. Das ist gewissermaßen sein Auftrag. Aber dafür muss er die iranische Politik neu gestalten. Dagegen sind die Hardliner, weil sie ihren Machteinfluss fürchten, und die religiösen Stiftungen, die die Wirtschaft im Iran ganz wesentlich kontrollieren, diese religiösen Stiftungen wollen nicht mehr Privatisierung der Wirtschaft, weil sie befürchten, dass dann ihr eigener Einfluss relativiert wird.
Kapern: Jetzt müssen Sie uns nur noch eins erklären, Herr Lüders: Wenn Rohani nicht die Prokura hat, Israel als gleichberechtigten Partner im Nahen Osten anzuerkennen, wie Sie es eben gesagt haben, warum sollte Israel dann auf diese Signale aus Teheran überhaupt eingehen?
Lüders: Na ja, man könnte zumindest abwarten, wie sich die Dinge entwickeln. Ob der israelische Regierungschef Netanjahu gut beraten war, von vornherein zu sagen, das glauben wir Rohani nicht, dass er den Neuanfang sucht, darüber kann man streiten. Die Bereitschaft des Irans und auch die Bereitschaft der amerikanischen Führung, hier den Neuanfang zu suchen, ist sehr groß. Vergessen wir nicht, dass Präsident Obama einen hochrangigen Repräsentanten des Außenministeriums in den Iran vor zwei Wochen entsandte, der Gespräche geführt hat mit Rohani, und auch der omanische Sultan Qabus, der ein enger Vertrauter beider Länder ist und wiederholt vermittelt hat zwischen den USA und dem Iran, war jetzt in Teheran und hat zu vermitteln versucht. Also es gibt hier neue Töne auf beiden Seiten, in den USA und im Iran, aber alles hängt natürlich ab von der Geopolitik. In dem Moment, wo es zu einem amerikanischen Angriff auf Syrien kommt, werden diese zarten Anflüge eines Neuanfangs wieder zerstört werden und die Hardliner werden Obergewicht erneut bekommen.
Kapern: Ganz kurz noch zum Schluss, Herr Lüders. Wenn Sie als Chef im State Department, also im US-Außenministerium säßen, was würden Sie als Nächstes gegenüber dem Iran tun?
Lüders: Ich würde Rohani daran messen, ob seine Worte einhergehen mit der Bereitschaft zu Taten, und ich würde mir auch überlegen als amerikanischer Berater, ob es wirklich sinnvoll ist, das zu tun, was die amerikanische Regierung ständig getan hat in den letzten Monaten, nämlich die Sanktionen quasi im Monatsrhythmus zu verschärfen und sie immer härter zu gestalten, ohne erst einmal abzuwarten, welche politischen Möglichkeiten eines Neuanfanges gegeben sind mit dem Iran. Wie gesagt: Es gibt Hardliner nicht nur in Teheran, sondern auch in Washington und auch in Israel.
Kapern: Der Nahost-Experte Michael Lüders heute Morgen im Deutschlandfunk. Herr Lüders, danke für Ihre Einschätzungen, danke für das Gespräch. Schönen Tag!
Lüders: Ihnen auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.