Gefährlicher Trend Warum Rohmilch auf Social Media gehypt wird
Rohmilch wird in den sozialen Netzwerken teils stark angepriesen: als besonders gesund. Dabei warnen Behörden vor dem Konsum. Es besteht der Verdacht, Menschen könnten sich über die unbehandelte Milch mit dem Vogelgrippevirus anstecken.
Glaubt man manchen Stimmen auf Social Media, so soll Rohmilch zahlreiche Vorteile haben – z. B. eine bessere Verträglichkeit als herkömmliche wärmebehandelte Milch, wie sie in jedem Supermarkt zu finden ist. Andere sehen in dem Hype um Rohmilch einen gefährlichen Trend und leisten fleißig Gegenrede. Doch warum ist der Konsum von Rohmilch so ein Aufregerthema? Ist Rohmilch wirklich gesünder und wo liegen die Gefahren?
Verschiedene Influencer werben direkt oder indirekt für den Verzehr von Rohmilch. Diese sei gesünder und verträglicher, sagen sie.
Das Hauptargument: Pasteurisierung, also kurzes Erhitzen, zerstöre die gesunden Eigenschaften der Milch, darunter Vitamine und Enzyme. Eine ursprüngliche und traditionelle Lebensweise wird als weiteres Argument für den Verzehr von Rohmilch angeführt. Vor allem an diesem Punkt entfacht sich in den USA derzeit eine Art Kulturkampf.
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Als Rohmilch wird die unbehandelte Milch von Rindern, Schafen und Ziegen bezeichnet, die ohne Homogenisierung und Wärmebehandlung (z. B. Pasteurisieren) mit dem natürlichen Fettgehalt an Verbraucherinnen und Verbraucher abgegeben wird.
Quelle: Bundesinstitut für Risikobewertung
Gesundheitsbehörden halten den Trend für sehr bedenklich und warnen davor, Rohmilch zu trinken. Es besteht unter anderem der Verdacht, das Vogelgrippe-Virus H5N1 könnte über Rohmilch in den Menschen gelangen.
Beispielsweise internationale Social-Media-Stars und -Sternchen. Influencerin Ashley English spricht davon, dass Menschen in Bezug auf Rohmilch gebrainwasht seien, wenn diese sagten, Rohmilch sei gefährlich und ungesund.
Kennedy war bereits während der Coronapandemie einer der zwölf größten Verbreiter von gesundheitsbezogener Desinformation im englischsprachigen Raum. Er ist im Jahr 2020 auch auf einer Demonstration gegen die Coronamaßnahmen in Berlin aufgetreten.
Als die kalifornische Gesundheitsbehörde CDPH im November meldet, in einer Charge Rohmilch das Vogelgrippe-Virus H5N1 nachgewiesen zu haben, verbreitet eine Nutzerin auf X die Verschwörungserzählung, dass die Meldung ausschließlich dazu dienen solle, Kennedy Jr. zu diskreditieren.
Hype um Rohmilch auch in Deutschland zu beobachten
Zwar ist die Politisierung der unbehandelten Milch im deutschsprachigen Raum noch nicht im gleichen Maß zu erkennen wie in den USA – aber auch hier gibt es Rohmilch-Fans. Große Reichweite haben in Deutschland sogenannte Rohfluencer.
Zu diesen zählen unter anderem „Coach Aron“ und „Boran Nr.1“ auf Instagram bzw. TikTok oder „Exiled Medic“ auf Instagram. Weitere Beispiele auf TikTok sind „Matvyanka“ oder „bamis_foodlab“. Diese Accounts äußern sich in ihrem Content zwar nicht direkt politisch, verbreiten aber durchaus Verschwörungserzählungen über die Nahrungsmittelindustrie und vertreten zum Teil eher traditionelle Vorstellungen von Geschlechterrollen und Paarbeziehungen.
Auf parteipolitischer Ebene ist in Deutschland aktuell noch kein starker Bezug zu Rohmilch zu erkennen. Es finden sich vereinzelt Posts von AfD-Mitgliedern, die zumindest den Verkauf von Rohmilch unterstützen. Auch Hubert Aiwanger, Bayerns stellvertretender Ministerpräsident, hat sich zum Thema geäußert.
Rohmilch zu trinken, birgt Risiken. Denn darin finden sich gehäuft krankmachende Bakterien wie Salmonellen, Listerien, Escherichia coli (E. coli) und Campylobacter. Das Bundesinstitut für Risikobewertung rät:
Besonders empfindliche Bevölkerungsgruppen wie Kinder, Schwangere oder ältere und kranke Personen sollten daher grundsätzlich auf den Verzehr von nicht abgekochter Rohmilch verzichten. Aber auch für gesunde Erwachsene besteht beim Verzehr von nicht abgekochter Rohmilch ein erhöhtes Risiko einer Lebensmittelinfektion, die je nach Erregertyp zu leichteren bis schweren Erkrankungen führen kann.
Quelle: Bundesinstitut für Risikobewertung
In manchen Fällen gelangen die Erreger direkt über die Milchdrüsen der Tiere in die Rohmilch, meistens jedoch erst beim Melken. Dann begünstigen mögliche Hygienemängel eine Übertragung zusätzlich. Wenn Milch pasteurisiert wird, werden die genannten Erreger meist unschädlich gemacht.
Rohmilchverkauf nur unter strengen Auflagen
In Deutschland darf Rohmilch im Direktverkauf nur am Milchhof an Verbraucher abgegeben werden. Dann wird das Produkt „Vorzugsmilch“ genannt. Dabei müssen aber besondere Hygieneauflagen erfüllt sein.
Außerdem muss beim Direktverkauf ab Hof an der Verkaufsstelle gut lesbar darauf hingewiesen werden, dass die Milch nicht zum Rohverzehr geeignet ist und vor dem Verbrauch abgekocht werden muss. Ob die Verbraucher das immer tun, ist eine andere Frage – besonders mit Blick auf den aktuellen Rohmilch-Trend.
Vogelgrippevirus in Rohmilch
Seit April 2024 gibt es einen Vogelgrippeausbruch bei Milchkühen in mehreren Bundesstaaten der USA. Das Virus H5N1 ist dort bereits in Rohmilch nachgewiesen worden. Dass es aber durch den Konsum der Rohmilch in den Menschen gelangt ist, ist noch nicht bewiesen.
Sollte Rohmilch als Übertragungsweg infrage kommen, wäre das problematisch. Denn bei vermehrtem Kontakt mit Menschen könnte das Virus mutieren, sodass es irgendwann auch direkt von Mensch zu Mensch weitergegeben werden könnte.
In Deutschland haben sich bisher keine Kühe mit dem Vogelgrippevirus infiziert. Eine Studie am Friedrich-Loeffler-Institut, dem Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, hat gezeigt, dass die Virusvarianten in den USA und Deutschland zwar unterschiedlich sind, aber auch die deutsche Variante das Potenzial besitzt, Milchkühe über das Euter zu infizieren.
Rohmilch hat kaum signifikante gesundheitliche Vorteile gegenüber pasteurisierter Milch. Zwar sinkt der Gehalt an einigen Mikronährstoffen tatsächlich durch das Erhitzen, allerdings nicht in einem Ausmaß, das die Gefahren durch Keimbelastung unbehandelter Milch ausgleichen könnte. Auch die Behauptung, dass Rohmilch für Menschen mit Laktose-Intoleranz verträglicher sei, konnte in Studien nicht belegt werden.