Nach dem letzten Schub am vergangenen Wochenende kostete ein Liter Super-Benzin in Städten wie Hamburg, München, Frankfurt am Main oder im Ruhrgebiet 1,57 Euro. Leichtes Heizöl verteuerte sich mitten in der spätwinterlichen Kältewelle auf über 83 Cent pro Liter. Das ist der höchste Stand seit Herbst 2008. Keine guten Aussichten für Verbraucher.
Mit den Unruhen in Libyen ist erstmals ein bedeutender Ölförderstaat von der Revolution betroffen, die ihren Anfang in Tunesien genommen hat, danach Ägypten und dann andere Völker in der Region inspiriert hat. Was wir in Libyen - einem der zwölf Förderländer, die zur Organisation der Erdöl exportierenden Länder, kurz OPEC, gehören - zur Zeit erleben, könnte für die Ölmärkte das wichtigste Ereignis seit 50 Jahren werden.
Doch noch ist die Verteuerung des Erdöl- und Benzinpreises bei uns in erster Linie "nur" an den Zapfsäulen und bei Mineralölhändlern zu spüren. Und damit ist es auch noch zu früh, irgendwelche Wachstumsprognosen zu verändern. Gefährlich wird es erst, wenn die Unruhen in Libyen weiter anhalten - und auf andere wichtige Förderstaaten, wie etwa Saudi-Arabien, übergreifen. Dann würde der Ölpreis über Monate auf einem hohen Niveau bleiben. Mit unabsehbaren Folgen. Deshalb verfolgen Konjunkturexperten wie Michael Grömling vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln die Vorgänge im Nahen und Mittleren Osten zur Zeit sehr genau:
"Die Folgen dieser Krise können nicht abgesteckt werden. Es sind zu viele Unbekannte in dieser Rechnung. Das ist zum einen die Frage, wie wird die politische Stabilität im gesamten Nahen Osten von den Ereignissen in Nordafrika beeinflusst - hier könnte durchaus Sand ins Getriebe der Weltwirtschaft laufen. Wir sehen zur Zeit, dass die Ölpreise sehr stark angestiegen sind. Ob das nachhaltig sein wird, wird sich zeigen. Aber eine gesunde, eine vertretbare ökonomische Abschätzung der Folgeschäden ist unserer Meinung nach nicht möglich."
Und auch ein Rohstoffexperte wie Klaus-Jürgen Gern vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel ist - noch - vorsichtig in seinem Urteil:
"Die Situation in Libyen selbst ist so, dass dort die Ölförderung für längere Zeit gestört ist und sein wird. Für den Ölmarkt insgesamt ist das eine Belastung, aber die ist kompensierbar. Problematisch ist nur, dass die gesamte Region in Unruhe ist, dass wir nicht nur in Libyen jetzt diese bürgerkriegsähnlichen Zustände haben, sondern auch weiterhin in anderen Ländern der Region, zum Teil am Golf Unruhen stattfinden. Und dies birgt natürlich das Risiko, dass es auch in andern Förderländern zu Problemen kommen könnte."
Trotzdem: Wenn sich die Kostenexplosion auf dem Rohstoffmarkt erst einmal verfestigt - und danach sieht es durchaus aus -, könnte dies sehr schnell das Wirtschaftswachstum in Deutschland, aber auch im gesamten Rest der Welt, beeinträchtigen. Denn die neue Ölpreiskrise fällt zusammen mit zwei Folgen der Weltfinanzkrise, die noch längst nicht ausgestanden sind: die großen globalen geldpolitischen Unsicherheiten und eine überall immer stärker spürbare Staatsschuldenkrise, besonders in Amerika und Europa.
"Es gibt insbesondere in den Industrieländern noch keinen wirklich gefestigten konjunkturellen Aufschwung. Wir haben gerade ein Pflänzchen des Konsumaufschwungs in den USA. Wenn jetzt der Benzinpreis in den USA - und dort reagiert die Wirtschaft sehr sensibel auf diesen Preis, noch sensibler als hier in Europa - dann könnte dieser keimende Aufschwung wieder erstickt werden. Ich glaube, dass ein Ölpreis von 120 Dollar auf längere Sicht tatsächlich eine Belastung darstellen würde ... "
meint Klaus-Jürgen Gern vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Kommen dann womöglich noch weitere politische Turbulenzen in der Weltenergieversorgung dazu, kann dies alles sehr schnell für einen ordentlichen Dämpfer im Wirtschaftswachstum sorgen. Roland Döhrn vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung in Essen hat den Effekt von Ölpreissteigerungen und Wirtschaftswachstum sehr genau im Blick:
"Wir wissen aus unseren Modellrechnungen, dass etwa zehn Dollar mehr beim Ölpreis, dass das in Deutschland das Wirtschaftswachstum um größenordnungsmäßig 0,2 - 0,3 Prozentpunkte drückt. Das heißt die Wachstumsaussichten für Deutschland haben sich, wenn man rein auf diese Ölpreisentwicklung schaut, verschlechtert, wobei jetzt natürlich vieles davon abhängt, wie lange diese Preise auf diesem Niveau verbleiben. Schlecht für uns wäre es, wenn da noch etwas drauf käme. Aber das müssen erst einmal die nächsten Tage und Wochen zeigen."
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag - DIHK - in Berlin macht eine ähnliche Rechnung auf: Vor gut einem Jahr mussten deutsche Haushalte und Unternehmen noch um die 80 Dollar pro Barrel Öl bezahlen. Ein Barrel, also ein Fass, das sind rund 159 Liter Öl. In Deutschland werden derzeit rund 2,5 Millionen Barrel pro Tag verbraucht. Geht man von einem durchschnittlichen Ölpreis von 100 Dollar pro Barrel für 2011 aus, ergeben sich daraus allein Mehrkosten von 50 Millionen Dollar - pro Tag. Aufs Jahr gerechnet würde allein Deutschland Milliarden draufzahlen.
Der DIHK rechnet weiter vor: Eine Preissteigerung von einem Prozent würde die deutsche Wirtschaft etwa eine halbe Milliarde Euro kosten. Verharrt der Ölpreis auf dem aktuellen Niveau, würde sich das im Gesamtjahr auf rund 15 Milliarden Euro Mehrkosten summieren. Davon betroffen wären vor allem Chemiekonzerne und Fluggesellschaften. Die Branchenführer TUI und Thomas Cook bezifferten ihre Ergebniseinbußen schon allein durch gestrichene Reisen und Rückholaktionen im Zuge der Umbrüche in der arabischen Welt auf 35 beziehungsweise 24 Millionen Euro.
Und der Ölpreis kennt in diesen Tagen - mit einigen kurzzeitigen Aussetzern - mehrheitlich nur eine Richtung: nach oben! Rund 120 Dollar kostete das Barrel Rohöl in der vergangenen Woche an den Märkten. Anfang des Jahres hatten viele Ölfachleute für 2011 noch einen Ölpreis von durchschnittlich 90 Dollar prognostiziert. Nun überbieten sich die Analysten und sehen wie die Bank Nomura den Ölpreis sogar bis auf 220 Dollar steigen, sollte sich die Situation auf dem Ölmarkt weiter verschärfen und sogar Algerien als Lieferant ausfallen.
Auch Experten der Deutschen Bank haben deshalb schon Alarm geschlagen. Zwar ist der Rohölpreis für ein Barrel noch weit entfernt von jenen magischen 160 Dollar im Jahr 2008, als auch an deutschen Tankstellen die Benzinpreise geradezu explodierten. Aber nach Einschätzung der Bank-Fachleute wäre mit der Marke von 120 Dollar je Barrel bereits der Punkt erreicht, an dem die Weltwirtschaft in Gefahr geraten kann.
Denn bei einem solchen Stand macht der Ölmarkt mehr als 5,5 Prozent der gesamten weltweiten Wirtschaftsleistung aus. So war es auch 2008: Die Experten der Deutschen Bank erinnern - Zitat - "Das war historisch ein Umfeld, in dem das globale Wachstum unter Druck kam". Und - wohlgemerkt - die 120 Dollar pro Barrel haben wir in den letzten Tagen gleich mehrfach kurzfristig erreicht. Und doch gibt es einen grundlegenden Unterschied zur Preisentwicklung vor drei Jahren. Damals gab es einen Öl-Boom, sagt Roland Döhrn vom RWI:
"Wir haben es ja jetzt mit einer Erhöhung der Ölpreise zu tun, die durch angebotsmäßige Verknappung hervorgerufen wird. Das ist eine ganz andere Situation als die im Jahr 2008, als der Ölpreis auch extrem hoch war, aber in einer Phase, in der weltweit die Konjunktur so gut lief, dass die Nachfrage nach Öl so stark war, dass die Ölanbieter hohe Preise durchsetzen konnten. Momentan ist aber eher die Situation: Wir haben eine Angebotsverknappung, das heißt es wird ein Ölpreisschock, der viele Länder trifft, in vielen Ländern gleichzeitig die Expansion dämpft und damit auch unsere Exportchancen beeinträchtigen wird."
Das kritische Preisniveau von 120 Dollar je Barrel könnte sich halten, wenn die Rohstoffversorgung weiter oder weitergehend gestört wird. Zum Beispiel dann, wenn Saudi-Arabien deutlich weniger Öl liefern würde, warnen Analysten.
Ist das alles nun Angstmache oder vorausschauende Umsicht von nervösen Rohstoffhändlern? Und wenn die Schreckensszenarien Wirklichkeit werden, wann werden sie eintreten? Der Rohstoffexperte des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Klaus-Jürgen Gern, wertet die Einschätzungen wie folgt:
"Ich teile sie eigentlich nicht. Ich gehe momentan noch davon aus, dass die Situation im Großen und Ganzen unter Kontrolle bleibt. Aber es ist ein Risiko. Wir können so etwas überhaupt nicht ausschließen. Es macht aber keinen Sinn, solche Szenarien jetzt als Basis sozusagen für Überlegungen zu nehmen."
Doch an den Börsen ist man besorgt. Experten der Unicredit Bank haben ihre Ölpreisprognose für das laufende Jahr deutlich von 95 auf 110 Dollar je Barrel angehoben. Behalten sie Recht, wäre das der höchste Jahresdurchschnitt aller Zeiten. Im Jahr 2008 betrug er rund 100 Dollar je Barrel. Die Organisation Erdöl exportierender Länder - OPEC - könne zwar Produktionsausfälle ausgleichen, schreiben die Unicredit-Experten in ihrem Gutachten. Doch Ersatz wäre nicht sofort verfügbar. Und dieses Öl hätte womöglich nicht dieselbe Qualität wie das libysche.
Außerdem rechnen die Fachleute damit, dass der aktuelle Preis-Aufschlag noch einige Zeit anhalten wird. Grundsätzlich hat die Ölpreis-Sensitivität der Weltwirtschaft in den letzten Jahren zwar abgenommen. Aber nichtsdestoweniger steigen bei höheren Ölpreisen natürlich auch die Produktionskosten für Unternehmen in vielen Bereichen und bremsen damit nicht zuletzt auch ihre Investitionsbereitschaft. Und so lässt sich ausrechnen, dass die politischen Turbulenzen im Nahen Osten uns am Ende womöglich noch teuer zu stehen kommen. Das gilt auch für die Verbraucher und nicht nur für Öl, erläutert Roland Döhrn vom RWI in Essen:
"Der Ölpreis wirkt sich zunächst mal, was ja jeder von uns auch merkt, auf den Kraftstoffpreis aus. Es gibt aber auch viele andere Preise, die über Gleitklauseln letztlich am Ölpreis dranhängen. Also Gas folgt immer mit einer Verzögerung dem Ölpreis. Auch in den Verträgen mit den Stromanbietern sind solche Preisklauseln ja auch enthalten. Die richten sich natürlich auch an dem Preis, den die Konkurrenz nimmt. Das heißt, da werden auch im Energiebereich noch weitere Preiserhöhungen folgen."
Höhere Heiz-, Strom- und Rohstoffpreise - das tut vor allem dem Konsum nicht gut, der den gerade erst angesprungenen Wachstumsmotor am Laufen halten sollte. Für einen Konjunkturexperten wie Michael Grömling vom Institut der deutschen Wirtschaft ist das dann auch eine beachtliche Gefahr:
"Wir sahen in den vergangenen Jahren ein alt vertrautes Konjunkturmuster in Deutschland greifen. Der Export springt als erstes Glied der Konjunkturkette an. Es kommt dann zu einem Anstieg der Investitionstätigkeit und der Beschäftigung im Inland, und mit dem Anstieg der Beschäftigung im Inland kommt es auch zur Konsumerholung. Diese Konjunkturkette hat gegriffen. Das sahen wir deutlich im Jahr 2010."
Diese Entwicklung könnte nun einbrechen. Denn steigende Preise bedeuten auch und vor allem eins: steigende Inflation. Schon heute leiden die Volkswirtschaften - besonders auch in Europa - unter einer schleichenden Preissteigerung. Aufgeschreckt wurden Notenbanken, Politik und Märkte bereits zum Jahreswechsel, als ersichtlich wurde, dass die Inflationsrate in den 16 Euro-Ländern auf 2,2 Prozent und damit auf den höchsten Wert seit gut zwei Jahren geklettert war.
Und in einer kürzlich veröffentlichen Umfrage des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung ZEW gaben insgesamt 227 Finanzmarktexperten zu Protokoll, sie erwarteten für dieses Jahr im Euroraum eine durchschnittliche Inflationsrate von 2,4 Prozent - im nächsten Jahr sogar 2,7 Prozent. Noch einmal Roland Döhrn vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung RWI in Essen:
"Im Euroraum sind die Inflationstendenzen eigentlich sehr gespalten. Auf der einen Seite sehen wir im Moment diese inflationstreibenden Effekte vom Ölpreis her, man sieht es auch noch sehr stark von den Nahrungsmittelpreisen her - was noch einmal eine besondere Geschichte ist - aber auf der anderen ist auch in vielen Ländern im Euroraum die Wirtschaft momentan sehr stark unterausgelastet. Und diese starke Unterauslastung wirkt eigentlich preisdämpfend."
Womit wir es also zur Zeit zu tun haben, ist in erster Linie eine importierte Energiepreisinflation aufgrund der politischen Turbulenzen im Nahen und Mittleren Osten. Und noch ist der darunter liegende allgemeine Preisauftrieb eher moderat. Um diesen Status quo zu bewahren, sollte nach Ansicht von Michael Grömling vom IW in Köln auch das Lohnwachstum in Deutschland moderat bleiben:
"In der Tat ist Inflation ein bestimmendes ökonomisches Thema. Wir reden aber mit Blick auf Deutschland über vergleichsweise erträgliche Inflationsraten. Die Inflationsraten werden sich allen Prognosen gemäß in diesem Jahr in einer Größenordnung von zwei Prozent bewegen. Das ist noch kein substantieller Kaufkraftverlust. Gefährlich wird das allerdings, wenn sich diese Erstrundeneffekte fortpflanzen, sprich: in höheren Lohnforderungen, die dann eine Lohn-Preis-Spirale in Fahrt bringen. Da ist die eigentliche Gefahr. Das gilt es zu verhindern."
Die Europäische Kommission hat die Inflation im Blick. Sie zeigt sich zunehmend besorgt über die hohen Ölpreise. Es gebe keinen Zweifel: Steigende Energiepreise beeinflussten die Inflation negativ, sagte der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn. Man beobachte das sehr genau.
Und so kann - wenn der Ölpreis über längere Zeit neue Höchststände erreicht - durchaus auch sehr schnell bei der Inflationsrate womöglich eine "3" vor dem Komma stehen. Spätestens dann müsste die Europäische Zentralbank konkret eingreifen, so Roland Döhrn vom RWI Essen:
"Nun hat die EZB in der Vergangenheit gesagt, Preisschübe, die zunächst mal nur von Rohstoffmärkten herkommen, werden sie nicht sofort zur Änderung ihrer Politik veranlassen. Sondern das sind Preisschübe, die sie auch kurzfristig mal toleriert. Von daher ist nicht zu erwarten, dass sie sehr schnell auf einen restriktiven Kurs übergeht. Aber irgendwann kann sie auch diese Preissteigerungen nicht mehr ignorieren."
In Großbritannien ist dieser Zeitpunkt übrigens schon längst erreicht worden. Auf der Insel hat die Inflationsrate bereits vier Prozent erreicht. Mit der Folge, dass mittlerweile ein tiefer Riss durch den geldpolitischen Rat der Notenbank geht. Das Protokoll der jüngsten Sitzung zeigt, dass sich mittlerweile auch der Chefvolkswirt der Zentralbank, Spencer Dale, auf die Seite der beiden geldpolitischen Hardliner Andrew Sentance und Martin Weale geschlagen hat, die schon seit längerem höhere Zinsen einfordern, um die Inflation in den Griff zu bekommen.
Höhere Zinsen bedeuten aber vor allem: Kredite für Wirtschaft und Verbraucher werden teurer, das Wirtschaftswachstum niedriger, und die Arbeitsplatzsicherheit kann sehr schnell wieder zu einem großen Thema werden. Und solche Entwicklungen würden vor allem die südeuropäischen Länder belasten! Die Schuldenkrise in Spanien, Portugal und Griechenland würde automatisch wieder in den Fokus rücken. Roland Döhrn vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung zur Situation in Deutschland:
"Jetzt kommt eigentlich noch einmal das sehr zu Bewusstsein, vor dem auch wir im RWI immer schon gewarnt haben, als wir vom Aufschwung XXL geschwärmt haben. Also, wir sind halt immer noch in einer sehr labilen Situation, es sind noch viele Folgewirkungen der Finanzmarktkrise spürbar. Die Banken und die Staatsfinanzen, die in vielen Ländern zerrüttet sind. Und in einer solchen Situation, wenn da noch weitere Belastungen dazukommen, dann ist auch immer das Risiko vorhanden, dass Entwicklungen kippen und man von daher dann sehr schnell eine Abwärtstendenz wieder sieht. Das ist momentan sicherlich nicht das wahrscheinlichere Szenario. Aber es ist ein Szenario, das im Moment auch nicht auszuschließen ist."
Und so rechnen die meisten deutschen Finanzmarktexperten mit einer Änderung in der Zinspolitik durch die Europäische Zentralbank. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet und mehrere andere Währungshüter haben in den letzten Wochen immer wieder die Entschlossenheit der Notenbank betont, notfalls entschieden gegen eine Verfestigung des Preisauftriebs vorzugehen. Vor allem auch, weil immer mehr darauf hindeutet, dass es gerade die Niedrigzinspolitik der Notenbanken ist, die die Preise für risikoreiche Anlageformen wie Aktien oder Rohstoffe befeuern.
Noch aber bleiben die Noterbanker bei ihrer Linie. Seit Mai 2009 belässt die Europäische Zentralbank den Leitzins unverändert bei historisch niedrigen 1,0 Prozent. Und gerade erst heute hat der EZB-Rat beschlossen, vorerst dabei zu bleiben. Die Inflation könnte allerdings in der kommenden Woche neues Futter bekommen. Am Freitag, also am 11. März, haben Bürgerrechtsbewegungen in Saudi-Arabien, dem wichtigsten Ölförderland im Nahen Osten, Demonstrationen angekündigt. Auf einen niedrigen Öl- und damit auch Benzinpreis an den Zapfsäulen werden wir also womöglich noch lange warten müssen, meint auch Klaus-Jürgen Gern:
"Davon würde ich ausgehen, dass die Rohstoffpreise hoch bleiben. Jedenfalls dann, wenn sich die weltwirtschaftliche Erholung auch nur annähernd so fortsetzt, wie wir und die meisten Analysten das derzeit voraussehen."
Mit den Unruhen in Libyen ist erstmals ein bedeutender Ölförderstaat von der Revolution betroffen, die ihren Anfang in Tunesien genommen hat, danach Ägypten und dann andere Völker in der Region inspiriert hat. Was wir in Libyen - einem der zwölf Förderländer, die zur Organisation der Erdöl exportierenden Länder, kurz OPEC, gehören - zur Zeit erleben, könnte für die Ölmärkte das wichtigste Ereignis seit 50 Jahren werden.
Doch noch ist die Verteuerung des Erdöl- und Benzinpreises bei uns in erster Linie "nur" an den Zapfsäulen und bei Mineralölhändlern zu spüren. Und damit ist es auch noch zu früh, irgendwelche Wachstumsprognosen zu verändern. Gefährlich wird es erst, wenn die Unruhen in Libyen weiter anhalten - und auf andere wichtige Förderstaaten, wie etwa Saudi-Arabien, übergreifen. Dann würde der Ölpreis über Monate auf einem hohen Niveau bleiben. Mit unabsehbaren Folgen. Deshalb verfolgen Konjunkturexperten wie Michael Grömling vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln die Vorgänge im Nahen und Mittleren Osten zur Zeit sehr genau:
"Die Folgen dieser Krise können nicht abgesteckt werden. Es sind zu viele Unbekannte in dieser Rechnung. Das ist zum einen die Frage, wie wird die politische Stabilität im gesamten Nahen Osten von den Ereignissen in Nordafrika beeinflusst - hier könnte durchaus Sand ins Getriebe der Weltwirtschaft laufen. Wir sehen zur Zeit, dass die Ölpreise sehr stark angestiegen sind. Ob das nachhaltig sein wird, wird sich zeigen. Aber eine gesunde, eine vertretbare ökonomische Abschätzung der Folgeschäden ist unserer Meinung nach nicht möglich."
Und auch ein Rohstoffexperte wie Klaus-Jürgen Gern vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel ist - noch - vorsichtig in seinem Urteil:
"Die Situation in Libyen selbst ist so, dass dort die Ölförderung für längere Zeit gestört ist und sein wird. Für den Ölmarkt insgesamt ist das eine Belastung, aber die ist kompensierbar. Problematisch ist nur, dass die gesamte Region in Unruhe ist, dass wir nicht nur in Libyen jetzt diese bürgerkriegsähnlichen Zustände haben, sondern auch weiterhin in anderen Ländern der Region, zum Teil am Golf Unruhen stattfinden. Und dies birgt natürlich das Risiko, dass es auch in andern Förderländern zu Problemen kommen könnte."
Trotzdem: Wenn sich die Kostenexplosion auf dem Rohstoffmarkt erst einmal verfestigt - und danach sieht es durchaus aus -, könnte dies sehr schnell das Wirtschaftswachstum in Deutschland, aber auch im gesamten Rest der Welt, beeinträchtigen. Denn die neue Ölpreiskrise fällt zusammen mit zwei Folgen der Weltfinanzkrise, die noch längst nicht ausgestanden sind: die großen globalen geldpolitischen Unsicherheiten und eine überall immer stärker spürbare Staatsschuldenkrise, besonders in Amerika und Europa.
"Es gibt insbesondere in den Industrieländern noch keinen wirklich gefestigten konjunkturellen Aufschwung. Wir haben gerade ein Pflänzchen des Konsumaufschwungs in den USA. Wenn jetzt der Benzinpreis in den USA - und dort reagiert die Wirtschaft sehr sensibel auf diesen Preis, noch sensibler als hier in Europa - dann könnte dieser keimende Aufschwung wieder erstickt werden. Ich glaube, dass ein Ölpreis von 120 Dollar auf längere Sicht tatsächlich eine Belastung darstellen würde ... "
meint Klaus-Jürgen Gern vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Kommen dann womöglich noch weitere politische Turbulenzen in der Weltenergieversorgung dazu, kann dies alles sehr schnell für einen ordentlichen Dämpfer im Wirtschaftswachstum sorgen. Roland Döhrn vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung in Essen hat den Effekt von Ölpreissteigerungen und Wirtschaftswachstum sehr genau im Blick:
"Wir wissen aus unseren Modellrechnungen, dass etwa zehn Dollar mehr beim Ölpreis, dass das in Deutschland das Wirtschaftswachstum um größenordnungsmäßig 0,2 - 0,3 Prozentpunkte drückt. Das heißt die Wachstumsaussichten für Deutschland haben sich, wenn man rein auf diese Ölpreisentwicklung schaut, verschlechtert, wobei jetzt natürlich vieles davon abhängt, wie lange diese Preise auf diesem Niveau verbleiben. Schlecht für uns wäre es, wenn da noch etwas drauf käme. Aber das müssen erst einmal die nächsten Tage und Wochen zeigen."
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag - DIHK - in Berlin macht eine ähnliche Rechnung auf: Vor gut einem Jahr mussten deutsche Haushalte und Unternehmen noch um die 80 Dollar pro Barrel Öl bezahlen. Ein Barrel, also ein Fass, das sind rund 159 Liter Öl. In Deutschland werden derzeit rund 2,5 Millionen Barrel pro Tag verbraucht. Geht man von einem durchschnittlichen Ölpreis von 100 Dollar pro Barrel für 2011 aus, ergeben sich daraus allein Mehrkosten von 50 Millionen Dollar - pro Tag. Aufs Jahr gerechnet würde allein Deutschland Milliarden draufzahlen.
Der DIHK rechnet weiter vor: Eine Preissteigerung von einem Prozent würde die deutsche Wirtschaft etwa eine halbe Milliarde Euro kosten. Verharrt der Ölpreis auf dem aktuellen Niveau, würde sich das im Gesamtjahr auf rund 15 Milliarden Euro Mehrkosten summieren. Davon betroffen wären vor allem Chemiekonzerne und Fluggesellschaften. Die Branchenführer TUI und Thomas Cook bezifferten ihre Ergebniseinbußen schon allein durch gestrichene Reisen und Rückholaktionen im Zuge der Umbrüche in der arabischen Welt auf 35 beziehungsweise 24 Millionen Euro.
Und der Ölpreis kennt in diesen Tagen - mit einigen kurzzeitigen Aussetzern - mehrheitlich nur eine Richtung: nach oben! Rund 120 Dollar kostete das Barrel Rohöl in der vergangenen Woche an den Märkten. Anfang des Jahres hatten viele Ölfachleute für 2011 noch einen Ölpreis von durchschnittlich 90 Dollar prognostiziert. Nun überbieten sich die Analysten und sehen wie die Bank Nomura den Ölpreis sogar bis auf 220 Dollar steigen, sollte sich die Situation auf dem Ölmarkt weiter verschärfen und sogar Algerien als Lieferant ausfallen.
Auch Experten der Deutschen Bank haben deshalb schon Alarm geschlagen. Zwar ist der Rohölpreis für ein Barrel noch weit entfernt von jenen magischen 160 Dollar im Jahr 2008, als auch an deutschen Tankstellen die Benzinpreise geradezu explodierten. Aber nach Einschätzung der Bank-Fachleute wäre mit der Marke von 120 Dollar je Barrel bereits der Punkt erreicht, an dem die Weltwirtschaft in Gefahr geraten kann.
Denn bei einem solchen Stand macht der Ölmarkt mehr als 5,5 Prozent der gesamten weltweiten Wirtschaftsleistung aus. So war es auch 2008: Die Experten der Deutschen Bank erinnern - Zitat - "Das war historisch ein Umfeld, in dem das globale Wachstum unter Druck kam". Und - wohlgemerkt - die 120 Dollar pro Barrel haben wir in den letzten Tagen gleich mehrfach kurzfristig erreicht. Und doch gibt es einen grundlegenden Unterschied zur Preisentwicklung vor drei Jahren. Damals gab es einen Öl-Boom, sagt Roland Döhrn vom RWI:
"Wir haben es ja jetzt mit einer Erhöhung der Ölpreise zu tun, die durch angebotsmäßige Verknappung hervorgerufen wird. Das ist eine ganz andere Situation als die im Jahr 2008, als der Ölpreis auch extrem hoch war, aber in einer Phase, in der weltweit die Konjunktur so gut lief, dass die Nachfrage nach Öl so stark war, dass die Ölanbieter hohe Preise durchsetzen konnten. Momentan ist aber eher die Situation: Wir haben eine Angebotsverknappung, das heißt es wird ein Ölpreisschock, der viele Länder trifft, in vielen Ländern gleichzeitig die Expansion dämpft und damit auch unsere Exportchancen beeinträchtigen wird."
Das kritische Preisniveau von 120 Dollar je Barrel könnte sich halten, wenn die Rohstoffversorgung weiter oder weitergehend gestört wird. Zum Beispiel dann, wenn Saudi-Arabien deutlich weniger Öl liefern würde, warnen Analysten.
Ist das alles nun Angstmache oder vorausschauende Umsicht von nervösen Rohstoffhändlern? Und wenn die Schreckensszenarien Wirklichkeit werden, wann werden sie eintreten? Der Rohstoffexperte des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Klaus-Jürgen Gern, wertet die Einschätzungen wie folgt:
"Ich teile sie eigentlich nicht. Ich gehe momentan noch davon aus, dass die Situation im Großen und Ganzen unter Kontrolle bleibt. Aber es ist ein Risiko. Wir können so etwas überhaupt nicht ausschließen. Es macht aber keinen Sinn, solche Szenarien jetzt als Basis sozusagen für Überlegungen zu nehmen."
Doch an den Börsen ist man besorgt. Experten der Unicredit Bank haben ihre Ölpreisprognose für das laufende Jahr deutlich von 95 auf 110 Dollar je Barrel angehoben. Behalten sie Recht, wäre das der höchste Jahresdurchschnitt aller Zeiten. Im Jahr 2008 betrug er rund 100 Dollar je Barrel. Die Organisation Erdöl exportierender Länder - OPEC - könne zwar Produktionsausfälle ausgleichen, schreiben die Unicredit-Experten in ihrem Gutachten. Doch Ersatz wäre nicht sofort verfügbar. Und dieses Öl hätte womöglich nicht dieselbe Qualität wie das libysche.
Außerdem rechnen die Fachleute damit, dass der aktuelle Preis-Aufschlag noch einige Zeit anhalten wird. Grundsätzlich hat die Ölpreis-Sensitivität der Weltwirtschaft in den letzten Jahren zwar abgenommen. Aber nichtsdestoweniger steigen bei höheren Ölpreisen natürlich auch die Produktionskosten für Unternehmen in vielen Bereichen und bremsen damit nicht zuletzt auch ihre Investitionsbereitschaft. Und so lässt sich ausrechnen, dass die politischen Turbulenzen im Nahen Osten uns am Ende womöglich noch teuer zu stehen kommen. Das gilt auch für die Verbraucher und nicht nur für Öl, erläutert Roland Döhrn vom RWI in Essen:
"Der Ölpreis wirkt sich zunächst mal, was ja jeder von uns auch merkt, auf den Kraftstoffpreis aus. Es gibt aber auch viele andere Preise, die über Gleitklauseln letztlich am Ölpreis dranhängen. Also Gas folgt immer mit einer Verzögerung dem Ölpreis. Auch in den Verträgen mit den Stromanbietern sind solche Preisklauseln ja auch enthalten. Die richten sich natürlich auch an dem Preis, den die Konkurrenz nimmt. Das heißt, da werden auch im Energiebereich noch weitere Preiserhöhungen folgen."
Höhere Heiz-, Strom- und Rohstoffpreise - das tut vor allem dem Konsum nicht gut, der den gerade erst angesprungenen Wachstumsmotor am Laufen halten sollte. Für einen Konjunkturexperten wie Michael Grömling vom Institut der deutschen Wirtschaft ist das dann auch eine beachtliche Gefahr:
"Wir sahen in den vergangenen Jahren ein alt vertrautes Konjunkturmuster in Deutschland greifen. Der Export springt als erstes Glied der Konjunkturkette an. Es kommt dann zu einem Anstieg der Investitionstätigkeit und der Beschäftigung im Inland, und mit dem Anstieg der Beschäftigung im Inland kommt es auch zur Konsumerholung. Diese Konjunkturkette hat gegriffen. Das sahen wir deutlich im Jahr 2010."
Diese Entwicklung könnte nun einbrechen. Denn steigende Preise bedeuten auch und vor allem eins: steigende Inflation. Schon heute leiden die Volkswirtschaften - besonders auch in Europa - unter einer schleichenden Preissteigerung. Aufgeschreckt wurden Notenbanken, Politik und Märkte bereits zum Jahreswechsel, als ersichtlich wurde, dass die Inflationsrate in den 16 Euro-Ländern auf 2,2 Prozent und damit auf den höchsten Wert seit gut zwei Jahren geklettert war.
Und in einer kürzlich veröffentlichen Umfrage des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung ZEW gaben insgesamt 227 Finanzmarktexperten zu Protokoll, sie erwarteten für dieses Jahr im Euroraum eine durchschnittliche Inflationsrate von 2,4 Prozent - im nächsten Jahr sogar 2,7 Prozent. Noch einmal Roland Döhrn vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung RWI in Essen:
"Im Euroraum sind die Inflationstendenzen eigentlich sehr gespalten. Auf der einen Seite sehen wir im Moment diese inflationstreibenden Effekte vom Ölpreis her, man sieht es auch noch sehr stark von den Nahrungsmittelpreisen her - was noch einmal eine besondere Geschichte ist - aber auf der anderen ist auch in vielen Ländern im Euroraum die Wirtschaft momentan sehr stark unterausgelastet. Und diese starke Unterauslastung wirkt eigentlich preisdämpfend."
Womit wir es also zur Zeit zu tun haben, ist in erster Linie eine importierte Energiepreisinflation aufgrund der politischen Turbulenzen im Nahen und Mittleren Osten. Und noch ist der darunter liegende allgemeine Preisauftrieb eher moderat. Um diesen Status quo zu bewahren, sollte nach Ansicht von Michael Grömling vom IW in Köln auch das Lohnwachstum in Deutschland moderat bleiben:
"In der Tat ist Inflation ein bestimmendes ökonomisches Thema. Wir reden aber mit Blick auf Deutschland über vergleichsweise erträgliche Inflationsraten. Die Inflationsraten werden sich allen Prognosen gemäß in diesem Jahr in einer Größenordnung von zwei Prozent bewegen. Das ist noch kein substantieller Kaufkraftverlust. Gefährlich wird das allerdings, wenn sich diese Erstrundeneffekte fortpflanzen, sprich: in höheren Lohnforderungen, die dann eine Lohn-Preis-Spirale in Fahrt bringen. Da ist die eigentliche Gefahr. Das gilt es zu verhindern."
Die Europäische Kommission hat die Inflation im Blick. Sie zeigt sich zunehmend besorgt über die hohen Ölpreise. Es gebe keinen Zweifel: Steigende Energiepreise beeinflussten die Inflation negativ, sagte der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn. Man beobachte das sehr genau.
Und so kann - wenn der Ölpreis über längere Zeit neue Höchststände erreicht - durchaus auch sehr schnell bei der Inflationsrate womöglich eine "3" vor dem Komma stehen. Spätestens dann müsste die Europäische Zentralbank konkret eingreifen, so Roland Döhrn vom RWI Essen:
"Nun hat die EZB in der Vergangenheit gesagt, Preisschübe, die zunächst mal nur von Rohstoffmärkten herkommen, werden sie nicht sofort zur Änderung ihrer Politik veranlassen. Sondern das sind Preisschübe, die sie auch kurzfristig mal toleriert. Von daher ist nicht zu erwarten, dass sie sehr schnell auf einen restriktiven Kurs übergeht. Aber irgendwann kann sie auch diese Preissteigerungen nicht mehr ignorieren."
In Großbritannien ist dieser Zeitpunkt übrigens schon längst erreicht worden. Auf der Insel hat die Inflationsrate bereits vier Prozent erreicht. Mit der Folge, dass mittlerweile ein tiefer Riss durch den geldpolitischen Rat der Notenbank geht. Das Protokoll der jüngsten Sitzung zeigt, dass sich mittlerweile auch der Chefvolkswirt der Zentralbank, Spencer Dale, auf die Seite der beiden geldpolitischen Hardliner Andrew Sentance und Martin Weale geschlagen hat, die schon seit längerem höhere Zinsen einfordern, um die Inflation in den Griff zu bekommen.
Höhere Zinsen bedeuten aber vor allem: Kredite für Wirtschaft und Verbraucher werden teurer, das Wirtschaftswachstum niedriger, und die Arbeitsplatzsicherheit kann sehr schnell wieder zu einem großen Thema werden. Und solche Entwicklungen würden vor allem die südeuropäischen Länder belasten! Die Schuldenkrise in Spanien, Portugal und Griechenland würde automatisch wieder in den Fokus rücken. Roland Döhrn vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung zur Situation in Deutschland:
"Jetzt kommt eigentlich noch einmal das sehr zu Bewusstsein, vor dem auch wir im RWI immer schon gewarnt haben, als wir vom Aufschwung XXL geschwärmt haben. Also, wir sind halt immer noch in einer sehr labilen Situation, es sind noch viele Folgewirkungen der Finanzmarktkrise spürbar. Die Banken und die Staatsfinanzen, die in vielen Ländern zerrüttet sind. Und in einer solchen Situation, wenn da noch weitere Belastungen dazukommen, dann ist auch immer das Risiko vorhanden, dass Entwicklungen kippen und man von daher dann sehr schnell eine Abwärtstendenz wieder sieht. Das ist momentan sicherlich nicht das wahrscheinlichere Szenario. Aber es ist ein Szenario, das im Moment auch nicht auszuschließen ist."
Und so rechnen die meisten deutschen Finanzmarktexperten mit einer Änderung in der Zinspolitik durch die Europäische Zentralbank. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet und mehrere andere Währungshüter haben in den letzten Wochen immer wieder die Entschlossenheit der Notenbank betont, notfalls entschieden gegen eine Verfestigung des Preisauftriebs vorzugehen. Vor allem auch, weil immer mehr darauf hindeutet, dass es gerade die Niedrigzinspolitik der Notenbanken ist, die die Preise für risikoreiche Anlageformen wie Aktien oder Rohstoffe befeuern.
Noch aber bleiben die Noterbanker bei ihrer Linie. Seit Mai 2009 belässt die Europäische Zentralbank den Leitzins unverändert bei historisch niedrigen 1,0 Prozent. Und gerade erst heute hat der EZB-Rat beschlossen, vorerst dabei zu bleiben. Die Inflation könnte allerdings in der kommenden Woche neues Futter bekommen. Am Freitag, also am 11. März, haben Bürgerrechtsbewegungen in Saudi-Arabien, dem wichtigsten Ölförderland im Nahen Osten, Demonstrationen angekündigt. Auf einen niedrigen Öl- und damit auch Benzinpreis an den Zapfsäulen werden wir also womöglich noch lange warten müssen, meint auch Klaus-Jürgen Gern:
"Davon würde ich ausgehen, dass die Rohstoffpreise hoch bleiben. Jedenfalls dann, wenn sich die weltwirtschaftliche Erholung auch nur annähernd so fortsetzt, wie wir und die meisten Analysten das derzeit voraussehen."