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Rohstoffabbau auf offener See
Namibia erteilt Lizenz für Phosphatabbau im Meer

Der Bedarf an Phosphat vor allem für Kunstdünger ist groß. Auch deshalb hat die namibische Regierung jetzt nach jahrelangem Ringen ein Meeresbergbau-Projekt genehmigt. Den Bedenken von Umweltschützern zum Trotz soll rund 60 Kilometer vor der Küste in bis 275 Metern Tiefe Phosphat abgebaut werden.

Von Dagmar Röhrlich |
    Blick auf Dünen an der Atlantikküste Namibias
    Im Meer vor Namibia soll Phosphat abgebaut werden (dpa/Matthias Tödt)
    Für 20 Jahre ist die Lizenz für das Projekt namens Sandpiper erteilt worden. Sie gilt für ein Gebiet am Meeresgrund, das fast so groß ist wie das Saarland. Aus dem möchte die Firma Namibian Marine Phosphate jährlich rund 5,5 Millionen Tonnen Sand fördern, in dem sich Phosphor-Minerale angereichert haben.
    "Dieser Phosphorit-Sande, die bilden da vor Namibia eine bis zu drei Meter dicke Schicht, die aus einem Sand, Ton und totem organischen Material besteht. Das soll mit einem Riesenstaubsauger an Bord eines großen Schiffes geholt werden. Dort wird das feine Material, das 10-20 % ausmacht, abgetrennt durch Siebe und wieder in das Wasser zurückgeleitet, möglichst bodennah. Und das grobe Material wird dann an Land gebracht", erklärt Hermann Kudrass, wissenschaftlicher Berater am Bremer Marum. Bei Sandpiper werde Rohstoffabbau erstmals nicht küstennah, sondern recht weit draußen im offenen Meer praktiziert: 60 Kilometer vom Land entfernt und in Wassertiefen bis 275 Meter.
    Schwermetalle gelangen wieder ins Wasser
    "Die Vorräte vor Namibia insgesamt, die werden auf zwei Milliarden Tonnen phosphoritführenden Sand geschätzt. In dem engen Abbaugebiet, das im Moment in der Planung ist abzubauen, sind 60 Millionen Tonnen Phosphorit drin."
    Entstanden ist diese Lagerstätte, weil nährstoffreiches Tiefenwasser aufsteigt und das Meer düngt. Algen wachsen und gedeihen und bilden die Grundlage für den Fischreichtum vor der namibischen Küste. Was an nicht gefressener Biomasse nach dem Absterben absinkt, wird von Bakterien zersetzt. Dieser Prozess wiederum zehrt in den tieferen Wasserschichten und im Meeresboden den Sauerstoff weitgehend auf. Eine solche Umwelt ist ideal für Schwefelbakterien: Sie sind es, die im Sediment den Phosphor anreichern:
    "Wir wissen, dass in den Sedimenten eine Menge an toxischen Metallen mit in das Sediment eingebaut sind. Und zwar sind es vor allen Dingen Nickel, Kadmium, Quecksilber und Molybdän. Und wenn dieses Sediment nun aufgewirbelt wird, dann werden diese Elemente wieder zurück ins Wasser gegeben. Und da weiß man eigentlich gar zu wenig, wie die sich im Wasser verhalten."
    Hinweis auf Schäden durch Schleppnetzfischer
    Im Umweltbericht, den Namibian Marine Phosphate zu dem Projekt vorgelegt hat, führt das Unternehmen jedoch aus, dass durch den Abbau keine gravierende Gefährdung für die Ökosysteme jenseits des direkt betroffenen Gebiets zu erwarten sei. In einer Pressemitteilung relativiert die Firma die drohenden Schäden mit Verweis auf die viel verheerenderen Folgen der Grundschleppnetzfischerei:
    "Ein einzelner Grundnetz-Trawler kann zehn Quadratkilometer Meeresboden pro Tag beeinträchtigen."
    Während der Phosphorit-Abbau höchstens drei Quadratkilometer pro Jahr beträfe. Kritiker halten dagegen, dass beim Abbau nicht nur die Oberfläche aufgerissen, sondern die Lagerstätte weggesaugt werde. Sie fürchten unter anderem, dass Massen an Schwermetallen freigesetzt werden und großräumig Fischgründe beeinträchtigen könnten. Hermann Kudrass zieht einen Vergleich zu einer Lagerstätte vor Neuseeland, die allerdings älter ist und in der andere geochemische Bedingungen herrschen:
    "Die Lagerstätte liegt dort in 400 Meter Wassertiefe, 500 Kilometer vor der Küste. Und die Phosphorite liegen da in einem sauerstoffreichen Sand. Darin sind solche toxischen Metalle nicht enthalten."
    Auswirkungen auf Fischerei noch unklar
    Obwohl die Ausgangsbedingungen vor Neuseeland einfacher sind als vor Namibia und die potenziellen Umweltfolgen geringer, haben neuseeländische Richter den Abbau nach einem Anhörungsverfahren verboten.
    "In Namibia war das im Ansatz ähnlich. Da hat der Fischereiminister gesagt, das könnte der Fischerei erheblichen Schaden beifügen. Alle Umweltverbände haben dem zugestimmt. Und dann wurden erneut Messungen durchgeführt. Und dann hat die Regierung dem Vorhaben zugestimmt."
    Das namibische Umweltministerium versichert auf seiner Internetseite, dass das Sandpiper-Projekt in diesem empfindlichen Gebiet strenge Umweltauflagen erfüllen müsse. Und dass der Firma die Lizenz entzogen werden könne, sollte das Monitoring negative Auswirkungen belegen. Ein Statement zum Thema war nicht zu erhalten, auch nicht von der Firma Namibian Marine Phosphate.