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Rohstoffe aus Abfall
Goldgrube Mülldeponie

Weil die Preise für Erdöl und Metalle seit Jahren steigen, werden Recycling und Mülltrennung zunehmend lukrativer. Und womöglich werden auch alte Mülldeponien so zu regelrechten Goldgruben. Wie man an die Rohstoffe herankommt und ob es sich überhaupt lohnt, alte Deponien abzutragen, wird in einem Projekt in Nordrhein-Westfalen erforscht.

Von Susanne Kuhlmann |
    "Was haben wir für Ressourcen für die Zukunft? Wie kann man diese Ressourcen unter ökonomischen, ökologischen Betrachtungen richtig sehen? Lohnt sich ein Rückbau oder lohnt es sich nicht?"
    Bernd Becker ist Chef der Abfallentsorgungsbetriebe im Kreis Minden-Lübbecke, dem nordöstlichen Zipfel Nordrhein-Westfalens. Er steht auf der Deponie in der Gemeinde Hille, einem flachen, lang gestreckten künstlichen Berg aus Abfall aus der Zeit vor der Mülltrennung. Er und seine Projektkollegen betreten Neuland, denn Techniken und Verfahren zum Zurückgewinnen all dessen, was an Verwertbarem in Deponien verborgen liegt, existieren noch nicht. Es geht um den Teil der Deponie, der bis 2005 betrieben wurde, also vor dem Beginn der Mülltrennung. Von Hausabfällen über Industriemüll bis Bauschutt wurde damals alles abgelagert. Im Februar 2013 begannen Probebohrungen, die das Innerste nach außen befördern.
    Alter Maßstab: Aus den Augen, aus dem Sinn
    "Das ist eigentlich Abfall, der aussieht wie der Abfall von heute. Er hat aber einen größeren Feinanteil, die Textilien und Papiere sind schon ziemlich gut durch kompostiert. Dann haben wir hier andere Stoffe liegen. Da haben wir Altholz, Steine und Hartkunststoffe. Dieses Material hat etwa 15, 20 Jahre in der Deponie gelegen..." und die Plastiktüten darin leuchten immer noch blau und weiß. Detlef Schulz ist Betriebsleiter der Deponie. Aus den Augen, aus dem Sinn - jahrzehntelang ging es darum, Abfälle möglichst sicher zu lagern. Jetzt hat sich der Blickwinkel geändert: Welche Rohstoffe aus dem alten Teil der Deponie können zurückgewonnen, aufbereitet und wieder genutzt werden? Kunststoffverpackungen unter anderem, vor allem sogenannte 3D-Kunststoffe für Getränke, denn darin steckt Erdöl. Bernd Becker: "Jede Flüssigkeit, die in einem härteren Kunststoff eingepackt ist, 3D-Kunststoffe nennt man das, weil sie dreidimensional Volumen aufnehmen müssen. Hier erwarten wir vielleicht auch einen hohen Anteil an Metallen, insbesondere Kupfer, eventuell Bauersatzstoffe, vielleicht für Flüssigböden gewinnen zu können. Dann Folien, Plastiktüten, alles was man aus dem täglichen Haushalt, was man in die Mülltonne schmeißen kann, sich vorstellen kann."
    Eine Siebtrommel, so groß wie der Behälter eines Tanklastwagens, sortiert große Müllbestandteile aus, ein nachgeschalteter Magnet das Eisen. Andere Metalle heißen NE-Metalle, also nicht eisenhaltig und werden gesondert erfasst, sagt Detlef Schulz. "Hier haben wir ein altes Rohr, hier liegen die Eisenschrotte. Die NE-Schrotte haben wir separat gelagert, die sind viel mehr wert als der normale Eisenschrott, den wir aber auch gut vermarkten können. Das verkaufen wir weiter, um es dem Recycling zuzuführen."
    Rohstoffe im Wert von 60 Milliarden Euro?
    Das, was die 365 deutschen Mülldeponien an Ressourcen bergen, wird umso wichtiger, je knapper natürliche Lagerstätten - zum Beispiel für Kupfer und andere Metalle - sind. Ob in alten Deponien tatsächlich Rohstoffe im Wert von 60 Milliarden Euro stecken und ob es sich lohnt, alles herauszuholen, muss sich aber erst noch zeigen. Im Entsorgungszentrum Pohlsche Heide sind Techniker zurzeit dabei, ein Verbrennungsverfahren für einen Teil des Abfalls zu entwickeln. Sie wissen bereits, dass er am besten ein dreiviertel Jahr draußen ablagert. Dann lassen sich Sand und andere unbelastete mineralische Bestandteile leicht heraus sieben. Was bleibt, kann verbrannt werden, und zwar für die "Dampferzeugung zum Beispiel. Man kann es aber auch in Müllverbrennungsanlagen geben, die eine Kraft-Wärme-Kopplung hinter sich haben, dementsprechend Fernwärmeleitung oder gleichzeitig eine Stromerzeugung damit machen. Was wir hier machen ist ein Projekt in die Zukunft gerichtet. Nicht: Morgen buddeln wir alle Deponien auf und haben die riesigen Einnahmen dazu. Das müssen wir in diesem ganzen Projekt erst mal beweisen und dann sehen, welche Bandbreite kann man tatsächlich an Wertschöpfung aus Wertstoffen hier rausziehen."
    Forschungsprojekt endet 2015
    Verschiedene Forschungseinrichtungen und das Landesumweltministerium sind in das Projekt eingebunden und untersuchen zum Beispiel, wie fein die alten Abfälle gesiebt sein und womit sie gemischt werden müssen, um gut zu verbrennen. Sie ermitteln, welche Metalle in welchen Mengen vorkommen und berechnen, ob sich der ganze Aufwand finanziell lohnt. Denn die Kosten für Rückbau und Recycling sind das eine. Dem steht gegenüber, dass auch eine stillgelegte Deponie Geld kostet. Sie muss lange Zeit gesichert und überprüft werden. Außerdem stehen Deponieflächen den Gemeinden nicht für anderes zur Verfügung. Das Forschungsprojekt endet im Sommer 2015. Ein Leitfaden für alle Deponiebetreiber soll dann nach Möglichkeit alle jetzt noch offenen Fragen beantworten.