Bergbau in Deutschland
Mineralische Rohstoffe für eine klimafreundliche Wirtschaft

Für Energiewende und E-Mobilität brauchen Deutschland und die EU mineralische Rohstoffe. Verstärkt rückt nun auch die heimische Förderung wieder ins Blickfeld. Was für Vorhaben gibt es, wie kalkulierbar sind die Risiken?

    Baufeld für ein Lithium-Werk in Guben in Brandenburg, 5. Juli 2023
    Weiterverarbeitung von Rohstoffen in Deutschland: In Guben in der Lausitz soll künftig batteriefähiges Lithiumhydroxid für die Elektromobilitätsbranche hergestellt werden. (IMAGO / Andreas Franke)
    Der Bedarf an mineralischen Rohstoffen ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen: Ohne Seltene Erden, Lithium oder Zinn, Kobalt und Silizium keine Windräder, Solarmodule oder E-Mobilität, keine Mikrochips und Batterien. Sie werden bei der Digitalisierung und für das Ziel der Klimaneutralität dringend benötigt. Die OECD geht davon aus, dass sich die Nachfrage nach Rohstoffen weltweit bis 2060 verdoppeln wird.
    Anders als viele denken, ist Deutschland kein rohstoffarmes Land. Doch der heimische Abbau mineralischer Rohstoffe und ihre energieintensive Weiterverarbeitung erschienen über Jahre unnötig, weil die Preise auf den Weltmärkten günstig waren. Außerdem ist die Förderung von Rohstoffen immer auch mit Folgen für Mensch und Umwelt verbunden. Deshalb sei das in Europa über Jahrzehnte politisch auch nicht erwünscht gewesen, sagt Matthias Wachter vom Bund der Deutschen Industrie.
    Die Bedingungen, unter denen die importierten Rohstoffe aus China und anderen Ländern gefördert und weiterverarbeitet wurden, entsprachen zwar oft nicht geltenden Umweltschutz-, Sozial- und Menschenrechtsstandards, doch das wurde lange Zeit ignoriert.
    Der russische Angriffskrieg in der Ukraine und die Verwundbarkeit von Lieferketten während der Corona-Pandemie haben die Abhängigkeit Europas von Ländern wie Russland oder China deutlich gemacht.
    Darum hat die Europäische Union ihren Kurs geändert. Mit ihrer neuen Rohstoffstrategie, die im „Critical Raw Materials Act“ festgeschrieben wurde, strebt die EU-Kommission eine verstärkte heimische Förderung, Weiterverarbeitung und das Recycling kritischer Rohstoffe an.
    Für Deutschland will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Medienberichten zufolge einen Rohstofffonds im Umfang von einer Milliarde Euro einrichten, der bei der Forschung und Entwicklung neuer Abbaustätten helfen, aber auch die Beteiligung des Bundes an Rohstoffprojekten ermöglichen soll.

    Inhaltsverzeichnis

    Wie sieht es mit dem Abbau kritischer Rohstoffe in Deutschland aus?

    Deutschland ist bei vielen Rohstoffen abhängig vom Ausland. Aber der Bergbau steht vor einem Comeback. In Sachsen etwa: Aktuell liefen insgesamt 28 Erkundungsvorhaben, sagt Sachsens Oberberghauptmann Bernhard Cramer, zuständig für die Genehmigung und Überwachung des Bergbaus. Fünf Vorhaben zum Abbau von Erzen und Spaten im Freistaat Sachsen sind laut Oberbergamt derzeit schon weit vorangeschritten. Dabei geht es vor allem um Lithium, Zinn und Kupfer, aber auch weitere Metalle wie Indium, Silber, Zink, Mangan, Wismut und Wolfram.
    Südlich von Dresden soll ein Lithiumbergwerk entstehen und in der Lausitz soll Kupfer gefördert werden sowie in kleineren Mengen auch andere Metalle. An einigen Standorten wird schon seit über zehn Jahren erkundet. Das sei aber nicht ungewöhnlich, sagt Cramer. „Auf rund 100 Erkundungsprojekte kommt ein neues Bergwerk“.

    Zinn-Abbau im Erzgebirge

    Ein neues Bergwerk zum Abbau von Zinn könnte dabei im Erzgebirge in Sachsen entstehen. Zinn wird für Legierungen mit anderen Metallen genutzt, als Lötmittel in elektronischen Bauteilen und bei der Herstellung von Mikrochips. Die Deutsche Rohstoffagentur stuft Zinn als „kritischen Rohstoff“ ein.
    Das Bergwerksprojekt Tellerhäuser will im Erzgebirge 3.000 Tonnen Zinn pro Jahr fördern, über 100 Arbeitsplätze sollen entstehen. Seit rund zehn Jahren wird an den Plänen gearbeitet. Zu DDR-Zeiten wurde in dem Bergwerk Uran abgebaut, Ausgangsrohstoff für das Atomwaffenarsenal der Sowjetunion. Daneben steckt im Gestein der sogenannten „Komplexlagerstätte Westerzgebirge“ auch Silber, Arsen – und vor allem Zinn. Doch in der DDR fehlte die Technologie, um das Metall aus dem Erz zu extrahieren.
    Nun könnte bald ein neues Kapital Bergbaugeschichte aufgeschlagen werden. Acht Kilometer lang soll das Bergwerk werden und bis zu 900 Meter tief in den Fels reichen. Ende 2024 könnte es losgehen.

    Lithiumgewinnung in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg

    Lithium ist für Batterien von zentraler Bedeutung, die Nachfrage wird sich bis zum Ende des Jahrzehnts vermutlich vervierfachen. Den begehrten Rohstoff gibt es in Europa in großen Mengen in Serbien, Spanien - und auch in Deutschland.
    Im Oberrheingraben in Rheinland-Pfalz und Teilen von Baden-Württemberg könnten mithilfe schon bestehender Geothermiebohrungen über Jahrzehnte erhebliche Mengen an Lithium gefördert werden, wie Daten zeigen, die vom Karlsruher Institut für Technologie analysiert wurden.

    Bis zu zwölf Prozent des Bedarfs an Lithium decken

    Theoretisch könnten bestehende Geothermiekraftwerke im Oberrheingraben und im Norddeutschen Becken zwischen zwei und zwölf Prozent des jährlichen Lithiumbedarfs in Deutschland decken, teilte das Forschungsinstitut mit. Ein Abbau des wertvollen Rohstoffes ist demnach mit geringen Umweltkosten über viele Jahre möglich.
    Das heiße Wasser, das Geothermiekraftwerke an die Oberfläche holen, enthält das Lithium, das in Reinform extrem ätzend ist und Gefahren für die Umwelt birgt. Bei der Weiterverarbeitung wird daraus weißes Pulver gewonnen. Die Abwärme, die beim Herunterkühlen des Tiefenwassers entsteht, will der Betreiber, das deutsch-australische Start-up Vulcan Energy Ressources, zum CO2-neutralen Betrieb der Anlage nutzen.
    In Landau im deutsch-französischen Grenzgebiet lässt sich das Unternehmen Thermalwasser vom angrenzenden Geothermiekraftwerk liefern. Die kommerzielle Anlage zur Lithiumextraktionsoptimierung soll Ende 2025 betriebsbereit sein.
    24.000 Tonnen Lithiumhydroxid sollen zudem in einer weiteren Anlage in Frankfurt-Höchst produziert werden - in der ersten Phase. Doch die Menge soll rasch steigen. Noch hat das fünf Jahre alte Unternehmen mit Sitz im badischen Karlsruhe aber erst ein paar Kilo Lithium produziert.
    Neue Bohrungen sind ebenso wie schon genehmigte Erkundungen im sogenannten „Aufsuchungsgebiet“ rund um Ludwigshafen geplant, und eine weitere Lithiumgewinnungsanlage in Bad Dürkheim.
    Im Chemiepark Bitterfeld-Wolfen hat die AMG Lithium im September 2024 die erste Lithiumraffinerie Europas eröffnet. Der Rohstoff dafür stammt aus Brasilien und wird in Sachsen-Anhalt in batteriefähiges Lithiumhydroxid umgewandelt. Nach Angaben des MDR sollen so pro Jahr 20.000 Tonnen hergestellt werden – genug für die Batterien von etwa einer halben Million Elektroautos. Das niederländisch-US-amerikanische Unternehmen hat 140 Millionen Euro in den Standort investiert.

    Ist eine sogenannte "saubere" Rohstoff-Förderung möglich?

    Ja, sagen Befürworter. Der Rohstoffabbau würde in Deutschland unter hohen Umwelt- und Sozialstandards erfolgen, sagte Ralph Watzel, Präsident der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe beim „Sächsischen Rohstoffdialog“: „Wir alle sind gut beraten, dies nach besten Kräften zu unterstützen“.
    Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) betont: "Er wird nirgendwo so umweltverträglich und so menschenverträglich sein wie hier bei uns in Deutschland. Deswegen ein klares Ja zum Bergbau."
    Nein, sagen Bürgerinitiativen. Die Anwohner der Gemeinde Breitenbrunn im Erzgebirge fürchten Lärmbelastung, Vibrationen, die Absenkung des Grundwassers, das Versiegen von Trinkwasserbrunnen. Die Stadt fürchtet um den Tourismus. Außerdem leiden die Menschen auch noch an den Spätfolgen des Uranbergbaus aus DDR-Zeiten. Viele der Bergleute sind an Lungenkrebs gestorben.

    Bergarbeiter-Trauma im Erzgebirge

    Nein, sagen auch Anwohner im Oberrheingraben und in der Ortenau im Südwesten von Baden-Württemberg. Die Bohr- und Förderaktivitäten der Firma Vulcan destabilisierten den Untergrund in einer Erdbebenzone, sie kontaminierten kostbares Trinkwasser mit salzhaltigem Tiefenwasser und gefährdeten die Biodiversität. Auch Bürgerinitiativen in der Pfalz fürchten die Folgen des industriellen Flächen- und Wasserverbrauchs in ihren Regionen.

    Erdbebengebiet im Oberrheingraben

    Dass die Bohrungen akribisch abgedichtet würden, notfalls ein Förderstopp für Tiefenwasser erfolge, wie es Vulcan verspricht, glauben Bürgerinitiativen der Förderfirma nicht. Sie verweisen auf starke Erdstöße und nicht beglichene Gebäudeschäden im deutsch-französischen Grenzgebiet. Urheber war dort allerdings eine andere Firma, eine Tochter des französischen Unternehmens Fonroche mit einem Geothermieprojekt im elsässischen Vendenheim, von der sich Vulcan distanziert.
    Für die Lithiumgewinnung mittels Geothermiekraftwerken brauche es "auch gesellschaftliche Unterstützung und Akzeptanz", betonen die Forscher am Karlsruher Institut für Technologie.
    Doch selbst wenn in Deutschland die derzeit höchsten Standards beim Abbau von Rohstoffen umgesetzt würden, ist für viele Experten klar: Es gibt keinen nachhaltigen Bergbau.

    Welche Ziele verfolgt die EU mit dem "Raw Materials Act"?

    Mit ihrer neuen Rohstoffstrategie, dem „Critical Raw Materials Act“, will die EU-Kommission das Risiko von Versorgungsengpässen bei sogenannten kritischen Rohstoffen reduzieren. Die Industrie sei auf eine sichere und nachhaltige Versorgung mit Rohstoffen angewiesen, betont auch Anne Lauenroth vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI).
    Zum einen sollen neue Partnerschaften mit rohstoffreichen Ländern die Abhängigkeit der EU von Partnern wie China oder Russland verringern - unter Wahrung der Sorgfaltspflicht. Das bedeutet, Drittländer sollen beim Abbau und in der Weiterverarbeitung bei der Einhaltung von Umwelt-, Menschenrechts- und Sozialstandards unterstützt werden.
    Anders als China verspricht die EU außerdem, Wertschöpfungsketten vor Ort mit aufzubauen. Die Weiterverarbeitung der Rohstoffe in den Drittländern soll zu einer Steigerung des Wohlstands beitragen.
    Nach Ansicht des Geographen Michael Reckordt von der NGO Powershift ist das wenig glaubhaft. Denn 40 Prozent der Weiterverarbeitung sollen laut dem Gesetzesvorhaben in der EU stattfinden. China werde seine Marktanteile aber nicht aufgeben. Folglich würde es doch zulasten der ärmeren Länder gehen.

    Verkürzung der Genehmigungsverfahren geplant

    Die EU will aber auch die heimische Produktion stärken: Zehn Prozent der strategisch besonders wichtigen Rohstoffe sollen künftig in der EU gefördert werden, zurzeit sind es nur drei Prozent. Deshalb sollen auch Umweltverträglichkeitsprüfungen von einem Jahr auf 90 Tage, Genehmigungsverfahren auf maximal zwei Jahre verkürzt werden.

    Warum ist das Recyling von Rohstoffen so wichtig?

    Auch das Recycling von Rohstoffen soll verstärkt werden. Neben der Förderung und Weiterverarbeitung von Rohstoffen ist das Recycling eine der drei Säulen des "Critical Raw Material Acts". 15 Prozent ihres Rohstoffbedarfs will die EU künftig durch Recycling abdecken. Handys, Batterien und alte Industrieprodukte sollen besser aufbereitet und nach weiteren brauchbaren Rohstoffen durchsucht werden, bevor sie entsorgt werden.
    Die EU hat ausgerechnet, dass ein optimiertes Rohstoff-Recycling eine zusätzliche Wertschöpfung von 80 Milliarden Euro und 700.000 neue Arbeitsplätze bringen könnte. In Deutschland reichen die Recyclingraten derzeit von gut 20 Prozent bei Kobalt, über 35 Prozent bei Aluminium und gut 50 Prozent bei Kupfer bis hin zu 90 Prozent bei Stahl.
    EU-Parlamentarierin Nicola Beer (FDP) sieht noch Änderungsbedarf. Das Recyclingziel müsse um zehn Prozentpunkte pro Rohstoff gesteigert werden. Einige der kritischen Rohstoffe würden bislang unter einem Prozent recycled, sagte auch Michael Reckordt von der NGO Powershift. Einzelne Branchen müssten zudem verpflichtet werden, Recyclinganteile zu erhöhen, fordert Reckordt. Außerdem müssten die recycelten Stoffe auch wiedereingesetzt werden.
    Das wird aber nicht bei allen Stoffen gelingen. Hochgiftige und krebserregende Stoffe wie Cadmium, das bei der Herstellung von Photovoltaik-Modulen eingesetzt wird, erhöhen zwar deutlich die Effizienz der Module, erschweren aber das Recycling – ebenso wie die Entsorgung.

    Globale Kreislaufwirtschaft

    Vorgesehen ist auch, künftig Informationen für die gesamte Nutzungskette zur Verfügung zu stellen, erläutert Beer. Auf Informationsträgern soll gespeichert werden, welche Stoffe enthalten seien und wie diese recycelt werden können.
    Kenntnisse darüber, welche Rohstoffe in den Produkten enthalten sind, und wie diese verarbeitet wurden, hält auch Kreislauf-Experte Henning Wilts für sehr wichtig. Hersteller sollten in digitalen Produktpässen alle Informationen über Herkunft, Zusammensetzung, Reparatur- und Demontagemöglichkeiten eines Produkts dokumentieren. Das erleichtere es, Produkte zu recyceln. Sowohl als Ziel im Koalitionspapier der Ampel-Regierung als auch in Strategiepapieren der EU ist der digitale Produktpass vorgesehen. 
    Neben dem Recycling brauche es aber auch eine Reduzierung der Rohstoffnutzung, sagt Michael Reckordt von der NGO Powershift. Davon stehe in der Rohstoffstrategie nichts. Auch andere, wie Kreislauf-Experte Henning Wilts, sehen das so: Nur im Zusammenspiel von Recycling und einem effizienteren Umgang mit den Ressourcen ließen sich Ziele wie Klimaneutralität erreichen.

    Quellen: Anke Petermann, Alexander Moritz, Jule Reimer, Dagmar Röhrlich, Tomma Schröder, Helga Schmidt, Agenturmaterial, tha