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Rolando Villazón brilliert als Hoffmann

Der Titelheld verliebt sich in die schöne Olympia und die erwidert seine Liebe. Der Vater ist mit der Verbindung einverstanden, aber da kommt der zwielichtige Coppelius und schlägt dem Mädchen den Kopf ab. Hoffmann muss erkennen, dass er sich in eine Automatenpuppe verguckt hat.

Von Christoph Schmitz |
    Constantinos Carydis geht Offenbachs "Opéra fantastique" gleich zu Beginn dramatisch an. Dem großen Gefühl, dem Schmerz, der Verzweiflung sind Dirigent und Orchester auf der Spur, wie es besser kaum gelingen könnte. Von Operettenheiterkeit wollen sie nichts wissen, obwohl sie auch die verspielten, luftigen und traumseligen Partien mit Eleganz und Leichtigkeit erklingen lassen und, wenn es sein muss, kräftig überzuckern. Dabei wenden sie solche Naivität auch gerne mal ins Bittere.

    Dennoch: Das Finstere der Partitur und der Geschichte lockt die Musiker. Und der Schrecken ist ja auch der Kern von Hoffmanns drei Erzählungen. Man muss sich einmal vorstellen: Da verliebt sich der junge Titelheld in das schönste, anmutigste Mädchen, das seine Liebe sogar erwidert, die Gesellschaft ist entzückt, der Vater mit der Verbindung einverstanden, aber da kommt die zwielichtige Coppelius-Gestalt und schlägt dem Mädchen einfach den Kopf ab. Und Hoffmann muss erkennen, dass er sich in eine Automatenpuppe verguckt hat. Solchen und ähnlichen Schockmomenten ist er ja immer wieder ausgesetzt.

    Überhaupt hat es das Schicksal nicht gut mit ihm gemeint. Wie der Komponist Jacques Offenbach, der Dichter E.T.A Hoffmann so hat auch der Bühnen-Hoffmann etwas von der Missgestalt des besungenen Kleinzack. Rolando Villazón singt und spielt die Qualen der Titelfigur mit jeder Faser seines Leibes.

    Hoffmann: "Es war einmal am Hof von Eisenach eine kleine Missgeburt namens Kleinzack. Der hatte auf dem Kopf einen Kalpak, und seine Beine machten klick klack!"

    Der mexikanische Tenor ist wieder da. Ganz auf der Höhe seines Könnens. Wobei der Glanz seiner Stimme etwas Seidiges, Mattiertes bekommen hat, was wie eine Reifung wirkt.

    So intensiv aber Villazón den Schrecken erkundet, den seine Figur durchleidet, so harmlos, freundlich und kindlich, um nicht zu sagen kindisch, ist die Inszenierung. Regisseur Richard Jones und der Bühnenbildner Giles Cadle haben eine Puppenstube in die Oper gestellt. Studentenwestchen und Matrosenanzüge werden hier getragen und heile 19.-Jahrundertwelt gespielt. Natürlich ironisch gebrochen mit kaltem Kitsch und einer pseudoidyllischen Malen-nach-Zahlen-Waldkulisse. Auch Vampire treten auf und andere Monster der Schauerromantik. Lustige Trickeffekte gibt es obendrein. Und das Ganze samt Choreografie der Solo- und Chorsänger schnurrt perfekt einstudiert ab wie ein Uhrwerk, von dem ja auch die Maschinenpuppe Olympia angetrieben wird.

    Olympia: "Die Vögel im Laubengang, am Himmel der Morgenstern, alles kündet dem Mädchen von Liebe!"

    Diana Damrau singt das Puppenmädchen brillant mechanisch. Auch in die von Hoffmann angebeteten Antonia, Giulietta und Stella verwandelt sie sich spielend. Regisseur Richard Jones spitzt die Dramaturgie sogar noch zu. Er zeigt keine simple Abfolge von Lebensstationen, sondern was wir sehen, ist die Imagination des Dichters Hoffmann. Das Bühnengeschehen ist sein innerer Schaffensprozess, an dessen Ende ein Buch steht. Die Muse hält es triumphierend hoch. Hoffmann hat sich den Roman unter Leiden abgerungen und dafür auf Lebensglück verzichtet. Das ist gut gedacht und blendend bebildert.

    Nur: Aus der Puppenstubennettigkeit findet die Szene nicht heraus. Letztlich bleibt alles bieder und brav. Die Glut, die Orchester und Sänger entfachen, erkaltet im Kunstgewerblichen. So war die Premiere gestern nur ein halber Erfolg.

    Infos:

    Bayerische Staatsoper München