Nur kniehoch ist die Vegetation, zerzauste Bäumchen und Sträucher säumen den schmalen Trampelpfad. Holger Weinauge erklimmt bei brütender Hitze mit seinen Försterkollegen einen Hang im Gemeindewald von Klocksin, mitten in Mecklenburg. Das Gelände ist nach Westen geneigt, kaum eine Baumkrone kann die schon recht tief stehende Nachmittagssonne abschirmen, sie scheint fast ungehindert auf den Waldboden:
"Wenn ich nach unten gucke, dann wird der Blick eines Försters sehr traurig, weil ich eigentlich nur verbissene Bäume sehe. Ich sehe hier keinen mehrjährigen Baum, der nicht extrem verbissen ist. Und das über viele Jahre immer wieder; die Vegetation ist gerade mal kniehoch, höher wird sie nicht, weil jeder Baum immer wieder den neuen Verbiss ertragen muss, und die vielen Sämlinge, die ich im Frühjahr sehe, sind im Herbst und im Winter oder im kommenden Frühjahr nicht mehr vorhanden, die werden komplett abgefressen, also sind dann auch nicht mehr sichtbar."
Die Sämlinge sind sehr eiweißreich und werden daher vom Rehwild als erstes aufgefressen. Was dann bleibt ist eben diese niedrige Vegetation mit pittoresk verzweigten Sträuchern - als hätte ein japanischer Ausdruckskünstler eine Galerie aus wild zerschnittenen Bonsai-Bäumchen schaffen wollen - unter dem Schirm mächtiger, alter Laubwaldriesen. Samenbäume für einen prächtigen Mischwald gäbe es hier jedenfalls genug:
"Wir haben ja mehrere Arten, also Hainbuche, Buche, Bergahorn, Spitzahorn. Wir haben sogar Feldahorn an der Ackerkante, Stieleiche, Vogelkirsche, Esche - das wäre ein sehr vielfältiger, baumartenreicher Mischwald, mit der dominierenden Buche; und dann je nach Standortslage auf den höheren Hängen, die trockener sind, wahrscheinlich mehr die Eiche, in den Hangunterkanten, wo es quellig ist, würde dann die Flatterulme stehen. Und das sehe ich aber alles nicht, ich sehe nur die alten Bäume und darunter eigentlich nichts oder eine extrem stark verbissene Gehölz- und Krautschicht."
"Wir haben ja mehrere Arten, also Hainbuche, Buche, Bergahorn, Spitzahorn. Wir haben sogar Feldahorn an der Ackerkante, Stieleiche, Vogelkirsche, Esche - das wäre ein sehr vielfältiger, baumartenreicher Mischwald, mit der dominierenden Buche; und dann je nach Standortslage auf den höheren Hängen, die trockener sind, wahrscheinlich mehr die Eiche, in den Hangunterkanten, wo es quellig ist, würde dann die Flatterulme stehen. Und das sehe ich aber alles nicht, ich sehe nur die alten Bäume und darunter eigentlich nichts oder eine extrem stark verbissene Gehölz- und Krautschicht."
Feuchtkühles Waldklima wäre wichtig
Diese Schicht bedecke zwar den Boden, schützt den Wald aber nicht vor einer Dürreperiode, ergänzt Christian Albrecht. Der Förster zeigt nach oben: Was unter dem Kronendach von Buche, Eiche und Ahorn fehlt, sind Bäume unterschiedlicher Altersstufen von jung bis alt. Dabei sei es gerade diese Zwischenschicht, die das typische feuchtkühle Waldklima kreiere. Und genau das wäre jetzt wichtig, weil:
"Wir damit rechnen müssen, dass gerade in diesen trockenen Jahren das wertvolle Wasser durch Wind und auch Sonne entweicht. Und hätten wir eine höhere Verjüngung, eine höhere Vegetation, wäre das automatisch ein gewisser Windschutz, ein Verdunstungsschutz und auch die Sonneneinstrahlung wäre geringer; und das Wasser, das würde im Walde verbleiben, viel mehr im inneren Kreislauf. Und das wäre gerade in dieser Zeit für uns - um dem Waldsterben entgegenzuwirken, um diesen Klimaveränderungen entgegenzuwirken - eine wichtige Voraussetzung."
Dieser Kommunalwald bei Klocksin im Herzen von Mecklenburg sei Sinnbild für den Zustand vieler Wälder in Deutschland, kritisiert Christian Albrecht. Solche Forste dienten nur als grüne Kulisse für die Jagd, dort sei Wild wichtiger als der Wald. Dass kaum junge Bäume hochkommen, werde dort von den Jagdpächtern billigend in Kauf genommen. Wenn aber nichts nachwächst, seien diese Wälder auch nicht in der Lage, den Herausforderungen des Klimawandels zu trotzen, der mit Stürmen, Dürre und Schädlingen den Forsten seit Jahren zusetzt.
Die Rolle der Jagd bei der Wiederbewaldung
Ende Februar hat das Bundeslandwirtschaftsministerium aktualisierte Daten zu den Waldschäden nach den Dürresommern 2018 und 2019 veröffentlicht und die für 2020 zu erwartenden Schäden hochgerechnet. Demzufolge gehen die Fachleute von gravierenden Waldschäden auf einer Fläche von 245.000 Hektar aus - das entspricht fast der Größe des Saarlandes. Für die Wiederbewaldung sei eine nationale Kraftanstrengung nötig, erklärte die hier zuständige Ministerin Julia Klöckner beim Waldgipfel im September 2019 in Berlin:
"Wir müssen wiederbewalden und Wälder stärker an den Klimawandel anpassen. Ich möchte heute mit Ihnen darüber reden: Um welche Baumarten geht es? Wo bekommen wir die geeigneten Pflanzen und Saatgut auch her? Kann ich die Naturverjüngung gut nutzen? Wie können wir den Wasserhaushalt im Wald erhalten und auch stärken?"
Im Rahmen des "Klimaschutzprogramms 2030" hat der Bundestag dafür mehr als eine halbe Milliarde, genau: 547 Millionen Euro, für die kommenden vier Jahre bereitgestellt. Hinzu kommen Landesmittel in Höhe von 350 Millionen Euro. Viel Geld also für den Umbau des Waldes. Ziel seien stabile und anpassungsfähige Wälder mit einer naturnahen, der jeweiligen Region angepassten Bepflanzung.
Auf dem Waldgipfel im vergangenen Herbst äußerten Waldbesitzer jedoch die Befürchtung, dass viele Setzlinge vom Wild schon weggefressen werden, bevor sie überhaupt vertrocknen könnten:
"Die Kanzlerin hat mir heute morgen im Kabinett ein Schreiben aus ihrem Wahlkreis in die Hand gedrückt. Da geht es auch um die Frage: Wild und Wald - wie wir das zusammenbekommen? Das muss Hand in Hand gehen. Wo zu hohe Schalenwilddichten die Wiederbewaldung oder die Anpassung der Wälder durch Waldumbau gefährden, da müssen wir handeln. Deshalb brauchen wir auch eine stringentere und zielgerichtetere Jagd; wir müssen meiner Meinung nach auch das Bundesjagdgesetz anpassen in dieser Sache."
Interessenausgleich zwischen Wald und Wild
Die Ministerin appellierte an Jäger und Waldbauern, gemeinsam Schwerpunkte der Jagd zu definieren. Ziel der Novelle des Bundesjagdgesetzes sei es, einen tragfähigen Ausgleich zwischen Wald und Wild zu erreichen und zu gewährleisten, dass Jungpflanzen der Hauptbaumarten ohne Schutz von Zäunen aufwachsen können.
Das Einzäunen von Aufforstungsflächen ist seit Jahrzehnten gängige Praxis. Um groß angelegte Aufforstungen zu schützen, sei dieser Ansatz jedoch kontraproduktiv, argumentiert der Biologe Torsten Reinwald, stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Jagdverbandes (DJV) in Berlin:
"Zaunbau ist tatsächlich sehr kontrovers, weil durch den Zaunbau natürlich dann wieder Flächen auch fürs Wild fehlen, wo sie Äsung, also Nahrung finden. Auf den Aufforstungsflächen braucht es eine sehr scharfe Bejagung, 'ne intensive Bejagung, um die Bäume zu schützen. Es braucht aber auch Maßnahmen aus dem forstlichen Bereich, also Waldbau ist nicht nur Jagd, genauso wenig wie Wildtiermanagement nur Jagd ist. Ja, und da ist natürlich ein Miteinander gefragt zwischen dem Forstwirt und dem Jäger. Da braucht es eine sehr, sehr enge Abstimmung."
Die Jägerschaft sei durchaus bereit, im Katastrophenfall einen Mehreinsatz zu leisten, sagt der Verbandsvertreter. Eine Blaupause dafür hätten zum Beispiel die jüngsten Orkanschäden geliefert:
"Das haben wir auch auf Flächen beispielsweise, die von Kyrill betroffen waren, in Nordrhein-Westfalen. Dort war auch das Abkommen ganz klar zwischen den Waldbauern und zwischen den Jägern, dass auf diesen Flächen, die da betroffen sind, in den ersten Jahren sehr, sehr, sehr intensiv bejagt werden muss. Und dann hat sich eine Vegetation eingestellt, die ein regelrechter Dschungel ist. Dort kann ich gar nicht mehr so effektiv jagen, muss ich aber auch gar nicht, weil es die Vegetation hergibt."
Intensive Bejagung, wo es nötig ist
Die Frage ist jedoch, ob eine scharfe, also eine sehr intensive Bejagung nur auf Wiederaufforstungsflächen erfolgen solle? Der Forstwissenschaftler Hubert Weiger fordert die Jagdpächter auf, diesem Ansatz in all jenen Wäldern zu folgen, wo es notwendig ist:
"Ich selbst bin seit Jahrzehnten im Bereich des Nürnberger Reichswaldes beschäftigt, früher reiner Kiefernwald, auf Tausenden von Hektar, wo man auch gesagt hat: 'Ja, da kommt außer der Kiefer nichts hoch.' Und dort, wo es dann gelungen ist, den Rehwildverbiss deutlich durch entsprechende Bejagung zu reduzieren, kommt nun flächendeckend seit Jahrzehnten die Eiche."
Hubert Weiger hat lange Jahre den Bund für Umwelt und Naturschutz, kurz BUND, geleitet und ist heute dessen Ehrenvorsitzender. Er propagiert das Prinzip der Naturverjüngung. Auch ein eintöniger Nadelwald muss nicht auf Dauer Monokultur bleiben, solange Wildtiere die Samenkapseln von Laubbäumen zur Genüge eintragen - so etwa Vögel wie der Eichelhäher:
"Und zwar durch die sogenannte Hähersaat. Und die Eiche kann sich entwickeln und das hat man früher gar nicht sehen können, weil die Eiche bereits im Keimlingsstadium 'abgeerntet' wurde von den Rehen."
Ein Kontrast, wie er schärfer nicht sein könnte. Eben noch quälten sich Holger Weinauge und Christian Albrecht durch die kniehohe Vegetation eines kahlgefressenen Waldes bei Klocksin mitten in Mecklenburg. Die Kurz-Exkursion glich einem Saunagang. Nassgeschwitzt von der klebrig-feuchten Schwüle dort müssen sie jetzt aufpassen, sich nicht zu erkälten.
Angenehm kühl ist es hier, im Forstrevier Kalebsberg, wenige Kilometer nordöstlich von Klocksin. Das Sonnenlicht hat Mühe, durchs dichte Kronendach zu dringen. Beidseits des schmalen Trampelpfades ragen junge Bäume empor: Laubbäume vor allem, vier, fünf Meter hoch, teils noch größer. Dazwischen kleinere Weißtannen, mit ihrem typisch tiefdunklen Grün.
Ein Beispiel für gelungene Wiederbewaldung
Keinen einzigen Baum davon hat Holger Weinauge gepflanzt. Dieser Dschungel hier ist das Ergebnis einer Gratisleistung der Natur. Und ein Zaun hat das naschhafte Wild hier auch nicht fernhalten müssen:
"Der Bereich ist nicht eingezäunt, war auch nie eingezäunt; und wir haben hier alle Baumarten etabliert, die das Herz bietet: Von der Weißtanne angefangen über Bergahorn, Roteiche, Spitzahorn, Rotbuche, Esche, Vogelkirsche. Und so sollte ungefähr so ein Bestandesbild aussehen, wenn man vernünftig jagt oder wenn man das Wild so reduziert oder so bejagt, dass der Wald sich von selbst regenerieren kann und baumartenreich und individuenreich sich entwickeln kann."
Vor gut zehn Jahren hatte Holger Weinauge dieses Waldstück gekauft. Er kramt ein Foto von damals hervor: Ein Forst, ähnlich wie bei Klocksin. Viele alte, stattliche Laubbäume zwar, aber darunter nur Laub und kniehohes Buschwerk. Hunderte Meter weit kann man auf dem Foto durch den Forst schauen, wie in einer Säulenhalle. Die strenge Geometrie der schnurgeraden alten Baumstämme neben- und hintereinander wirkt fast schon steril. Und jetzt, nach gut zehn Jahren? Ein fast undurchdringliches Dickicht:
"Wir haben hier durchschnittlich eine Pflanzenanzahl, eine immer wiederkehrende Pflanzenanzahl auch von neuer Verjüngung von ungefähr 170.000 Pflanzen pro Hektar. Also 170.000! Das ist eine gewaltige Zahl. Im Vergleich: Wir pflanzen ja maximal vier-, fünf- oder sechstausend Pflanzen pro Hektar, wenn wir künstlich verjüngen; also eine wesentlich geringere Anzahl. Das ist sehr artenreich, sehr produktiv und sehr klimafreundlich, also für das Waldinnenklima für diesen Wald, also von unglaublich guter Bedeutung."
Junge Bäume, die sich von Natur aus ansamen, entwickeln eine stabileres Wurzelwerk als es angepflanzte Bäume jemals könnten. Und das alles ist gratis - keine Pflanzkosten, keine Ausfallrisiken.
Win-win für Wild, Wald und Forstbetrieb
Und bei 170.000 Jungbäumchen pro Hektar findet jetzt auch das Wild wieder deutlich mehr zu fressen als zuvor in der sterilen Säulenhalle. Es klingt paradox: Nachdem Holger Weinauge in den Anfangsjahren durch konsequente Bejagung das Wild deutlich reduziert hatte, kann sein Wald jetzt wieder mehr Rehe vertragen. Wie viele es nun wieder sind, weiß er nicht, ist ihm auch egal. Er lässt die Vegetation sprechen: Solange genügend Vogelkirschen und Weißtannen ohne Verbiss hochkommen, sei die Wilddichte im Einklang mit dem Naturwald. Und das lässt dann auch das Jägerherz von Förster Christian Albrecht höher schlagen:
"Diese Art der Bejagungsstrategie kann man auch als Win-Win-Situation bezeichnen. Ein Gewinn für den Forstbetrieb, das ist ein Gewinn für den Wald, aber auch ein Gewinn für das Wild. Wenn wir uns das Foto angucken, wo man mehrere hundert Meter durch den Wald gucken kann, keine Äsung, keine Deckung vorhanden ist, hat das Wild es jetzt viel besser; der Wald verträgt auch eine viel, viel höhere Wilddichte als früher. Und das ist für mich als Jäger auch ein Ziel, so was zu erreichen."
Die Jagdstrategie von Holger Weinauge im Forstrevier Kalebsberg ist denkbar einfach. Seine Faustformel: An möglichst wenigen Tagen im Jahr möglichst viel Wild erlegen. Seine Kernjagdzeit ist der Spätherbst, wenn er mit vielen Helfern bei groß angelegten Bewegungsjagden das Wild aufstöbert und erlegt. Den Rest des Jahres herrscht dann meist Ruhe im Revier. Allenfalls sporadisch seien dann noch Abschüsse vom Hochsitz aus notwendig.
Auf eine solche Jagdstrategie vertraut auch Ulrich Dohle vom Bund Deutscher Forstleute (BDF) bei Kaarz in Mecklenburg. Dort arbeitet der Bundesförster seit Jahren daran, einen staatseigenen Kiefernforst in einen artenreichen Mischwald zu verwandeln. Bei einer Monokultur sei das zwar weitaus schwieriger, durch konsequente Bejagung wachsen aber auch hier viele Laubbäume auf, vor allem Eichen:
"Man staunt doch auch immer wieder selber als Förster, dass Eichennaturverjüngung grundsätzlich überall ankommt, durch die Hähersaat - also der Eichelhäher ist da ein wichtiges Tier, was die Waldverjüngung angeht, und unterstützt unsere Bestrebungen als Forstleute da sehr stark. Also, das grundsätzliche Potential ist eigentlich in allen Wäldern vorhanden; und man kann wirklich sehr stark auf Naturverjüngung setzen, die viele, viele Vorteile hat, was Stabilität angeht, was das Aushalten von Klimaveränderungen angeht und so weiter."
Vorwälder als Vorhut des Waldumbaus
Der Gewerkschaftssprecher betont aber auch, dass viele seiner Forstkollegen bundesweit vor gewaltigen Herausforderungen stehen. Immerhin gelte es, rund drei Millionen Hektar Monokulturen mit Nadelbäumen in klimastabile Mischwälder umzuwandeln. Und nicht überall sei das Prinzip der Naturverjüngung allein ein Erfolgsgarant:
"Diese großen Schadflächen, die wir hauptsächlich in den Fichtengebieten haben, in den Mittelgebirgen in Deutschland, das sind natürlich schon relativ große Flächen, mit ganz, ganz ungünstigen Voraussetzungen. Dort sind Spätfröste, die Standorte hagern aus - also nur auf Verjüngung zu setzen, ist insofern etwas schwierig auf diesen Beständen, weil die große Gefahr besteht, dass sich die Fichte, die sehr verjüngungsfreudig ist, dort wiederverjüngt und ich dann quasi in zehn, zwanzig Jahren wieder Fichtenreinbestände habe."
Um dies zu verhindern, habe es sich bewährt, zunächst so genannte Vorwälder anzulegen. Wirtschaftlich weniger interessante Baumarten wie Birken oder Ebereschen sollten einen Schutzschirm bilden, unter dem dann die eigentlich interessanten Baumarten heranwachsen. Der Waldumbau dauert dann jedoch entsprechend länger:
"Das heißt, wir müssen etwas mehr Geduld haben natürlich. Wobei es mit der Geduld ein bisschen schwierig ist. Mittlerweile, weil einfach die Klimaindizes sich doch sehr, sehr schnell ändern. Also wir haben nicht unbegrenzt Zeit und deswegen glaube ich, kommt's eben tatsächlich darauf an, dass Jagdmanagement auch in einem überschaubaren Zeitraum anzupassen."
Letztlich gehe es darum, dass die 800 Millionen Euro Steuergelder für den Waldumbau nicht verpuffen, meint der Bundesförster. Das waldbauliche Ziel sei klar definiert: Klimastabile Mischwälder müssen her. So wie es Holger Weinauge vormacht in seinem Forstrevier Kalebsberg. Und so, wie er es jetzt umsetzen will im benachbarten Klocksin, im Herzen von Mecklenburg.
Massive Fraßschäden an Bäumen
Im leergefressenen Gemeindewald von Klocksin hätte es ein Ahornbaum beinahe geschafft. Dem Verbiss des Rehwildes halbwegs entronnen konnte er etwa drei Meter emporwachsen. Doch in Sichthöhe erkennt Holger Weinauge eine lang gezogene, trockene Blöße am dürren Stämmchen:
"Wenn der Baum etwas höher und dicker geworden ist, fangen Rot- und Damwild an, die Rinde abzuäsen, also abzufressen. Und auch eben durch das Fegen des Geweihs, was in jedem Frühjahr stattfindet - also, es wird der Bast vom Geweih gefegt - dann wird der Baum auch nochmal massiv geschädigt; und meistens führt das zum kompletten Absterben des Baumes. Also die nachfolgenden Schäden durch Dam- und Rotwild, wenn's das Rehwild überstanden hat, sind ja auch noch zu beachten. Und da wir alle drei Wildarten in dem Gebiet hier haben, wird's besonders schwierig."
Die Bürgermeisterin von Klocksin ist nicht mehr bereit, diese Schäden am Eigentum der Gemeinde zu akzeptieren. Sie hat Holger Weinauge gebeten, sich der Sache anzunehmen. Der Wunsch der Bundeslandwirtschaftsministerin und die öffentliche Verlautbarung des Deutschen Jagdverbandes sind hinterlegt: Förster und Jäger sollen die Probleme gemeinsam anpacken. Und Holger Weinauge setzt hier auf Konsens statt Konfrontation:
"Wir wollen natürlich einen Weg mit dem Jagdpächter finden, deswegen werden wir hier Probezäune aufstellen, kleine Quadrate, 12,5 mal 12,5 Meter, also eine Zaunrolle wird abgerollt; und werden dann regelmäßig im Jahr in Abständen mit dem Pächter dort hingehen und diskutieren, was im Zaun steht, und was außerhalb vom Zaun steht. Und das, was im Zaun steht, das ist das Maß der Dinge: 'Ungefähr achtzig Prozent davon wollen wir gerne haben!' Und wenn das außerhalb dann auch der Fall ist, dann ist sozusagen der Abschuss auf einem Niveau, wo wir mit einverstanden sind, wo dann auch Wald sich verjüngen kann. Und wie gesagt, diese wichtige Waldfunktion des Waldinnenklimas erfüllen kann."
"Wild ist vitaler, wenn man's vernünftig bejagt"
Diese Weisergatter sind nach Ansicht des Försters der Schlüssel zum Erfolg. Hier kommen jene Sämlinge hoch, die ansonsten vom Rehwild an Ort und Stelle vernascht werden, kaum dass sie die Laubdecke durchstoßen haben. Sein Patentrezept ist nachvollziehbar: Die Vegetation im Gatter sprechen lassen und dies als Blaupause für die gesamte Waldentwicklung nehmen - sowohl hier bei Klocksin in Mecklenburg, als auch anderswo in Deutschlands Forsten. Und in gesunden Wäldern, davon ist er überzeugt, geht es dann auch dem Wild viel besser:
"Das ist auch etwas Positives für den Jagdpächter, weil natürlich dann auch der Wildbestand davon profitiert, wenn ein reiches Äsungsangebot da ist. Und wenn alle Pflanzen vorhanden sind, dann ist auch, wie gesagt, die Äsung sehr viel mannigfaltiger, das Wild wird in seiner Vitalität besser, also es nimmt an Gewicht zu; und im Grundsatz ist Wild dann vitaler, wenn man's vernünftig bejagt."