Eine Gedenklesung an einem Grab. Im Schatten der antiken Cestiuspyramide hat Antonio Gramsci seine letzte Ruhe gefunden. Der Mitbegründer der kommunistischen Partei Italiens starb 1937. Obwohl italienischer Staatsbürger wurde auch er auf dem römischen Friedhof der ausländischen Nichtkatholiken beigesetzt. Dazu Nicholas Stanley-Price, Historiker und Kurator der Ausstellung zum 300-jährigen Bestehen des "Cimitero Acattolico" im deutschen Museum Casa di Goethe in Rom:
"Er ist in der Familiengruft seiner Frau beigesetzt. Julia Schucht war russisch-orthodox getauft."
Auf dem Friedhof, sicherlich dem romantischsten Roms, finden ausschließlich Nichtitaliener, die nicht katholisch waren, aber einen festen Wohnsitz in Rom hatten, ihre letzte Ruhe. Neben Politikern wie Gramsci liegen unter schlanken Zypressen und breiten Schirmpinien so berühmte Dichter wie John Keats und Percy Shelley, der deutsche Maler Hans von Marées, die Schriftstellerin Malwida von Meysenburg, der Arzt und Schriftsteller Axel Munthe, die Söhne von Wilhelm von Humboldt und von Johann Wolfgang von Goethe und viele andere. Vor 1716 wäre das nicht möglich gewesen. Bis 1716 hatten Nichtkatholiken, die in Rom verstarben, keinen Ort für eine würdevolle Grablege. Nicholas Stanley-Price:
"Oft wurden die in Rom verstorbenen Nichtkatholiken in ihre Heimatländer zurück geschickt. Vor allem Russen waren daran sehr interessiert. Engländer ließen sich in Livorno, auf dem so genannten britischen Friedhof beisetzen. Andere wurden von Verwandten und Freunden klammheimlich außerhalb der Stadtmauern begraben. Viele aber wurden jenseits der nördlichen antiken Mauern, am Muro Torto, verscharrt. Zusammen mit Kriminellen, Prostituierten und Selbstmördern."
Ort der Inspiration
Dann wurden Bildungsreisen nach Italien immer beliebter. Als Anfang des 18. Jahrhunderts immer mehr nichtkatholische Ausländer auch nach Rom kamen, wurde der Ruf laut nach einem Friedhof für die "Nichtgläubigen", wie sie damals genannt wurden. Papst Clemenz XI. stellte deshalb 1716 eine Grabstätte außerhalb der Stadtmauern zur Verfügung. Bei der antiken Pyramide Cestius. Dieses Gebiet außerhalb des antiken Stadttors Porta San Paolo war damals unbebaut und wurde als Viehweide genutzt. Auf diesen Wiesen Areal feierten die Römer auch ausgelassene Volksfeste und nannten sie "Wiesen des römischen Volks".
Aus diesen Wiesen wurde ein Friedhof. Im Laufe der Zeit entstand ein ungemein pittoresker Ort, der viele Maler anzog. Kaum ein Künstler, der Rom besuchte, ließ es sich nehmen, diesen stillen Friedhof zu besuchen. Nicht wenige ließen sich von diesem Ort inspirieren. Die Ausstellung im einzigen deutschen Auslandsmuseum, der Casa di Goethe, zeigt eine Auswahl von Gemälden, Zeichnungen und Stichen von Künstlern wie William Turner, Jakob Philipp Hackert oder Edvard Munch. Sie alle ließen sich vom Cimitero Acattolico verzaubern.
Privat finanziert
Offiziell trat der Bestattungsort erst 1821, fünf Jahre nach der päpstlichen Schenkung, in Funktion. Die älteste dokumentierte Bestattung auf diesem Gelände fand 1732 statt. Bis zum Ende der weltlichen Herrschaft der Päpste über Rom in Folge der italienischen Staatseinigung, also bis 1870, durften Nichtkatholiken nur nach Einbruch der Dunkelheit beerdigt werden. Bis 1870 war der Friedhof frei zugänglich. Die Päpste erlaubten keine Mauer, die heute den stillen Ort vom Verkehr der nahen Porta San Paolo trennt.
Der Friedhof der Nichtkatholiken ist eine private Institution. Der italienische Staat kümmert sich nicht um seine Finanzierung – ganz im Gegenteil zu allen anderen römischen Friedhöfen. Nicholas Stanley-Price:
"Das Geld für die laufenden Kosten kommt durch Bestattungs- und Instandhaltungskosten der Gräber und durch Eintrittsgelder zusammen. Ein Verwaltungsrat kümmert sich um den Friedhof. Er besteht aus den Repräsentanten von 15 Botschaften in Rom."
Ein Spaziergang über den ältesten Friedhofsteil bei der Cestius-Pyramide, wo auf einer Wiese nur wenige Gräber verteilt sind, und dem neuen Teil, auf dem die Toten dicht an dicht liegen, gehört zu den eindrucksvollsten Erlebnissen in Rom.