Im Vatikan Kalender steht: „Weihnachtsgrüße an die Römische Kurie." Das klingt nach Frieden und Harmonie. Dass Papst Franziskus bei dieser Gelegenheit erfahrenen und hochrangigen Dienern der Mutter Kirche die Leviten liest, damit hat wohl keiner der rot oder violett gewandeten Herren gerechnet. Das Weihnachtsfest im Vatikan begann mit einem Paukenschlag.
Papst Franziskus: "Ein gewöhnlicher Friedhofsbesuch kann uns helfen, die Namen so vieler Personen zu sehen, von denen manche vielleicht meinten, unsterblich, unangreifbar und unersetzlich zu sein! Das ist die Krankheit des törichten Reichen aus dem Evangelium, der glaubte ewig zu leben, und die Krankheit derer, die sich in Herren verwandeln, die sich allen überlegen fühlen und niemandem dienen wollen."
15 solcher Krankheiten hat der Papst in seiner Weihnachtsansprache vor Kardinälen und Bischöfen aufgezählt. Er geißelte Arroganz und Eitelkeit, Tratschsucht und Karrierismus beim kirchlichen Führungspersonal. Er nannte keine konkreten Fälle oder gar Namen. Und so lässt sich über die Motive für die päpstliche Brandrede nur spekulieren. „Franziskus zeigt, dass es ihm mit der Reform der Kirche ernst ist", sagt Pater Bernd Hagenkord von Radio Vatikan: "Ich glaube es gibt einen geistlichen Tenor, den er angesprochen hat: 'Reform beginnt bei uns selbst, bei den Leuten im Vatikan. Nicht so sehr bei den Strukturen. Erst einmal müsst ihr euch ändern und ich sage euch: Das ist ernst zu nehmen.´ Und vielleicht ist das auch ein bisschen überfordernd. Viele haben ja etwas verstört reagiert."
Das Reformtempo, das Franziskus anschlägt, ist für katholische Verhältnisse atemberaubend. Dabei geht es ihm nicht nur um Strukturen. Auch die Lehre soll auf den Prüfstand. So offen wie nie zuvor wurde in diesem Jahr über das Familienbild der katholischen Kirche diskutiert. Bei einer Bischofssynode im Oktober prallten die Meinungen aufeinander. Sollen Katholiken, die zum zweiten Mal heiraten, wieder zur Kommunion zugelassen werden? Bisher sind sie ausgeschlossen, und das wirkt wie eine Exkommunikation, findet der Papst, wie ein Ausschluss aus der Kirche. Im nächsten Jahr soll die Synode fortgesetzt werden und Entscheidungen fällen. Bernd Hagenkord: "Es ist eine Dynamik in Gang gekommen, die so nicht mehr zu stoppen ist. Und das wollte der Papst ja. Da ist schon einiges los. Und der Papst will methodisch etwas lostreten, was die nächsten fünf bis zehn Jahre wirken wird."
In einem Punkt hat Franziskus in diesem Jahr seine Meinung geändert. Zu Beginn seines Pontifikats hat er sich als Reisemuffel bezeichnet. Nach Besuchen in Israel, Korea, Albanien, Straßburg und der Türkei kann davon nicht mehr die Rede sein. Papst Franziskus hat in diesem Jahr die Weltkirche für sich entdeckt. Bernd Hagenkord: "Was interessant ist, dass dieser lateinamerikanische Papst, auch im fernen Osten ´funktioniert'. Dass er mit seiner Art und Weise, mit seinem Charisma in Korea ankommt. Das hat er gemerkt und wird er weiter nutzen."
Im Vatikan konnte Papst Franziskus mit seiner Gardinenpredigt wohl kaum Pluspunkte sammeln. Beim Kirchenvolk ist der Papst aus Argentinien nach wie vor ausgesprochen beliebt und populär. Mehr als 1 Million Menschen kamen 2014 zu den Mittwochsaudienzen auf den Petersplatz, um Franziskus zu erleben. Dabei ist der Papst anspruchsvoll. Das, was er von seinen Kardinälen erwartet, verlangt er im Grunde von allen Christen. Papst Franziskus: "Vergesst bitte nicht, an Weihnachten kommt Gott vorbei. Und wenn Du besser werden willst, dann klopft der Herr auch an deine Tür. Gott kommt vorbei. Ich wünsche allen ein Weihnachten voller Hoffnung, mit offenen Türen."